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Samstag, 5. Oktober 2019

05.10.2019: Morenic Trail - Laufbericht

Morenic-Trail Streckenführung Andrate - Brosso
Donnerstag Morgen: Das Auto ist voll betankt und mit dem Reisekoffer sowie 3 Boxen Laufutensilien beladen. Unseren Sohn wissen wir die kommenden Tage bei den Großeltern gut versorgt, sodass mich erstmalig meine Frau zu einem Ultralauf begleiten wird.

Das Ziel unseres Kurztrips ist Ivrea, eine Kleinstadt in der Region Piemont, nahe Turin. Von hier aus werde ich Samstag Früh nach Andrate fahren um beim Morenic-Trail an den Start zu gehen.

Der Morenic-Trail ist ein Langstreckenlauf über eine Distanz von 119 Kilometern. Den Namen verdankt der Trail den geologischen Gegebenheiten. Denn vor mehreren hunderttausend Jahren wanderten Gletschermassen durch das Aosta-Tal und hinterließen dabei einen Gürtel aus Gesteinsablagerungen rund um Ivrea. Diese Ablagerungen ähneln in ihrer Form einem Amphitheater. Der Morenic-Trail verläuft halbkreisförmig auf diesem Moränen-Gürtel und trägt daher eben diesen Namen.

Der Start erfolgt in Andrate; das Ziel ist in Brosso, beides kleine Bergdörfer. Das Streckenprofil zeigt, dass auf der 119 km langen Strecke rund 2600 positive Höhenmeter auf die Teilnahmer warten, wobei die ersten 50 Kilometer tendenziell fallen. Auf der zweiten Streckenhälfte gilt es also, die verlorenen Höhenmeter wieder wettzumachen. Am Anspruchsvollsten sind wohl die letzten 20 Kilometer mit rund 1000 Höhenmeter.

Der Morenic-Trail kann alleine, in einem 2er-Team oder in der Staffel gelaufen werden. Maximal 24 Stunden sind Zeit, um den Ultratrail erfolgreich zu finishen. Dafür gibt es 4 Punkte für den Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB). Erreicht man unter 22 Stunden das Ziel, dann gilt der Morenic-Trail als Qualifikationslauf für den Western State Endurance Run (WSER).

Altstadt von Verona
Uns stehen 800 Kilometer Anreise bevor. Ich erwarte mir zwar keine Absolution von Greta Thunberg, aber ich halte es zumindest so, dass die Anreise zu einem Laufevent nicht länger sein darf, als ich für das Finish des Laufes benötige. Dann ist der Lauf für mich quasi co2-neutral. Für einen 10-Sekunden-Sprint zur WM nach Doha zu fliegen, käme also nicht in Frage ;-).

Wir reisen jedoch nicht direkt nach Ivrea, sondern machen erstmal in Verona halt. Bei angenehmen Temperaturen vertreten wir uns die Beine und genießen den Charme der mittelalterlichen Stadt. Bei unserer Sightseeing-Tour bestaunen wir unter anderem die Arena di Verona, den Piazza della Erbe oder auch die Casa di Giulietta.

Nach einer Nächtigung in einem B&B nur wenige Meter abseits der Altstadt und einem schmackhaften Frühstück bummeln wir noch ein wenig durch die Gassen Veronas, bevor wir nach Ivrea weiterreisen.

Auf der Autobahn, deren Benützung uns ab Tarviso bis Ivrea stolze 55 Euro Autobahngebühr kosten wird, fahren wir an Mailand und am Gardasee vorbei. Nach 3 Stunden Autofahrt haben wir Ivrea erreicht und checken im Best Western Hotel Ivrea ein. Unweit des Hotels findet im Canoa Club Ivrea (Kanu-Club) zwischen 17:00 und 19:00 Uhr die Startnummernabholung und ein kurzes Racebriefing statt. Alternativ kann die Startnummer auch am frühen Morgen des Renntages direkt beim Start in Andrate übernommen werden.

Die Abholung des Startpaketes ist unkompliziert, freundlich und familiär. Mein Englisch wird gut verstanden. Kurios nur kurz die Situation, als der freundliche Helfer meinte, ich wäre doch gerade eben schon hier gewesen und hätte meine Startnummer bereits abgeholt. Scheinbar ist heuer ein Doppelgänger mit am Start. Ich werde im Verlauf des Rennens jedoch niemanden ausfindig machen, dem ich eine Ähnlichkeit mit mir attestieren möchte.

Zum Teilnehmerfeld ist zu sagen, dass es mit 137 Einzelstartern sehr überschaubar ist. Das vorwiegend italienische Starterfeld wird durch eine Handvoll Deutsche, Einzelläufer aus Australien, Ungarn, Litauen, Polen, Finnland, Großbritannien, Rumänien, Frankreich und mich aus Österreich ergänzt. Der Morenic-Trail finden dieses Jahr zum 10. Mal statt und bei den vorangegangenen 9 Austragungen standen lediglich 4 mal Vertreter aus Österreich an der Startlinie.

Zurück zum Startpaket: Zwischen 70 und 90 Euro (je nach Anmeldezeitpunkt) kostet der Einzelstart. Die Anmeldung habe ich vor einigen Wochen online durchgeführt. Für Teilnahmen an Laufveranstaltungen in Italien ist die Vorlage eines unterzeichneten Haftungsausschlusses sowie eines Attestes, in dem die erforderliche Gesundheit und Fitness für einen solchen Langstreckenlauf ärztlich bestätigt wird, obligatorisch.

Für sein Startgeld erhält man die Startnummer, Verpflegung entlang der Strecke und im Ziel sowie eine Finisher-Medaille. Dazu gibt es eine Flasche Wein aus der Region und eine Packung Polenta. Ein Gepäcktransport vom Start in Andrate zum Ziel nach Brosso wird ebenso wie ein Bustransfer für die Teilnehmer von Ivrea nach Andrate als auch von Brosso zurück nach Ivrea angeboten.

Wir bummeln noch ein wenig durch die Gassen von Ivrea. Zum Abendessen gönne ich mir eine Pizza und im Hotelzimmer treffe ich letzte Vorkehrungen für den morgigen Start: Die Startnummer wird an das Startnummernband geheftet, die < Pflichtausrüstung (und mehr) > wird im Rucksack verstaut, die Klamotten für den Renntag bereit gelegt.

Das leckere Frühstücksbuffet lasse ich fast unangetastet. Nur eine Tasse Kaffee und ein Toastbrot mit Honig darf es sein. Vom Hotel zum Start sind es rund 20 Minuten Fahrzeit. Während wir die letzten Kehren zum Bergdorf Andrate hochfahren, macht sich doch untypisch große Anspannung bemerkbar. Die fremde Sprache, die bevorstehenden vielen Stunden in der Dunkelheit, das Fragezeichen über meine körperliche Fitness verursachen Unbehagen.

große, kleine, runde, spitze Steine ...
Andrate ist zu klein, um den Startbereich des Morenic-Trail nicht auf Anhieb zu finden. Zumal man nur dem Autokonvoi folgen muss, um zielsicher anzukommen. Für die Fahrzeuge steht ein großer Parkplatz zur Verfügung. Wir sind hier auf knapp 800 Meter Seehöhe. Es hat rund 8 Grad. Mich fröstelt ein wenig und ich ziehe mir einen warmen Hoodie über.

Auf zum Material-Check! Ich wende mich an eine englisch sprechende Mitarbeiterin. Ich weise die Pflicht-Ausrüstungsgegenstände vor und erhalte das "GO", in dem meine Startnummer gescannt wird. Nun bin ich für den Start freigegeben. Meine Frau macht eifrig Fotos, während ich meine Mitstreiter beobachte und wie so häufig feststelle, dass alle anderen Teilnehmer wohl fitter und trainierter sind als ich.

Kurz vor dem Start gibt es noch aktuelle Informationen zum Wetter, zur Streckenführung- und markierung, zum Verhalten auf der Straße etc. in italienischer und englischer Sprache. Und dann sind da noch diese Steine: Runde, glatte, rauhe, spitze Steine, im Durchmesser von 4-5 Zentimeter und mit roter Farbe bemalt, liegen auf einem Haufen da. Ich erfrage, dass man dieses Symbol des Morenic-Trail in seinen Rucksack packen und mit ins Ziel tragen soll. Also ab mit dem Stein in den Rucksack! Wenn schon Morenic-Trail, dann richtig Morenic-Trail! Ob wirklich jeder Teilnehmer einen Stein im Rucksack hat, wage ich anzuzweifeln.

Eine Musiksequenz wird abgespielt und der Countdown auf italienisch heruntergezählt. "ZERO"! Endlich geht es los. Der Morenic-Trail ist gestartet. Das Teilnehmerfeld setzt sich flott in Bewegung. Ich verabschiede mich von meiner Frau, die noch immer Foto um Foto schießt und folge der geteerten Straße aufwärts. Obwohl auf dem ersten Kilometer beinahe 100 Höhenmeter an Steigung vorhanden sind, ist das Tempo hoch. Nach einem guten Kilometer weicht der Asphaltweg einem Single-Trail. Hier entlang des Kammes der Serra d´Ivrea, auf einer der besterhaltensten Moränen Europas, erhalte ich einen Vorgeschmack auf die Streckenbeschaffenheit der kommenden Stunden. Die Pfade des Morenic-Trails sind übersät mit Steinen und Wurzeln.

Morenic-Trail Region Piemont
Eingereiht am Single-Trail kann ich vorerst nicht mein Wohlfühltempo laufen. Ich bin zu sehr auf die Geschwindigkeit der Vorderleute eingeschränkt. Überholen ist schwierig und kräftezehrend. Die Strecke führt leicht bergab, windet sich eng um Bäume, ist verwurzelt und steinig.

Nach rund 4 Kilometer habe ich mich aus dem Pulk befreien können. Es fühlt sich gut an, das eigene Tempo zu laufen. In Gedanken bin ich bei meiner Frau. Ich hoffe, dass sie wieder gut im Hotel angekommen ist. Wir haben vereinbart, uns bei der großen Wechselzone in Mazze bei km 64 zu treffen. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter, steiniger Weg. Die Strecke führt auf der ersten Hälfte großteils bergab. Daher rechne ich insgeheim mit rund 7 Stunden Laufzeit bis zu meinem Eintreffen in Mazze.

Die Aussicht auf den ersten 14 Kilometern beschränkt sich auf steinige Wege und Wald. Es ist kein Wald mit südländischem Flair, es ist Mischwald; Laub- und Nadelbäume wie ich sie von zu Hause kenne. Langweilig, enttäuschend ... Ich habe auf mehr optischen Reizen gehofft.

Ich erreiche die erste Verpflegestelle in Magnano. Ich entscheide mich für ein Gel aus meinem Laufrucksack. Ich fülle meine Wasserflasche auf, verabschiede mich mit einem knappen "Grazie" und mache mich wieder auf den Weg. Dieser führt abermals in den Wald. An der Beschaffenheit der Strecke hat sich nichts geändert. Der Pfad ist nach wie vor sehr steinig. Aber meine Beine kennen diese Art von Geläuf vom Kainacher Bergmarathon, vom 3-Gipfel-Lauf in Wald oder vom Stanzer Trailrun und nehmen die Gegebenheiten stillschweigend hin.

Kastanien am Morenic-Trail
Das erste Higlight ist der Blick auf die malerische Kirche von San Grato, bevor es weiter bergab der Labestelle und zugleich ersten Wechselzone der Staffelläufer zum Lago di Bertignano geht. Damit ist auch das erste mentale Etappenziel erreicht. Wie immer zerpflücke ich ultralange Laufstrecken gedanklich in kleine Happen.

Hier herrscht fröhliches, ausgelassenes italienisches Treiben. Meine Startnummer wird gescannt und im live-timing wird für die ersten 25,3 Kilometer eine Laufzeit von 2 Stunden und 34 Minuten protokolliert. Das bedeutet aktuell Position 44. Ich greife zu Cola, Wasser und einem weiteren Gel.

Die Strecke verläuft nun kupiert. Mal geht es ein paar Höhenmeter hoch, mal wieder bergab. Verwurzelte Waldwege wechseln sich mit steinigen Pfaden ab. Vereinzelte Teilstücke dürfen auf geteerten Straßen oder gepflasterten Wegen gelaufen werden. Den Füßen freut die Abwechslung. Im Mischwald häufen sich Kastanienbäume. So säumen nicht nur runde, flache, grobe, spitze, große, kleine Steine sondern auch stachelige Fruchtbecher und leckere Kastanien den Weg.

Der Morenic-Trail hat den Wald verlassen. Ich werde mit einem großartigen Panoramablick über den Lago di Viverone belohnt. An der Verpflegestelle steht unter anderem Bier bereit. Ich trinke zwei Becher. Erst später erfahre ich, dass es alkoholisches Bier war. Egal. Im späteren Verlauf des Rennens wird auch Weißwein und Prosecco im Angebot der Labestationen sein.

Masino ist erreicht! Das übliche Prozedere: Die Startnummer wird gescannt und im live-tracking werde ich ab sofort an Position 38 geführt. 4 Stunden und 42 Minuten habe ich für die ersten 43 Kilometer benötigt. Die Strecke führt uns durch das liebliche Dorf Maglione. Bellende Hunde stören die Idylle. Das Gekläffe zieht sich nebst den steinigen Wegen wie ein roter Faden über den Morenic-Trail. Hier in der Region Ivrea hat gefühlt jeder Hausbesitzer seinen eigenen Wachhund und alle stürmen warnend bellend und knurrend an die Gartenzäune.

Auf Feld-, Wiesen und Schotterwegen geht es - nach wie vor meist fallend - am "Heiligtum der Madonna di Miralta" vorbei. Die kleine Kirche aus dem 10. Jahrhundert ist das einzige erhaltene Bauwerk der mittelalterlichen Stadt Miralta.

Dora Baltea - Überfahrt mit motorisierten Schlauchbooten
Im Grunde fühle ich mich gut. Lediglich meine rechte Kniekehle vermittelt das Gefühl, nicht ganz rund zu laufen. Ich labe mich regelmäßig an den gut ausgestatteten Verpflegestellen. Neben Cola, Wasser oder Iso wird mancherorts auch Schokolade oder Käse und Weißbrot angeboten.

Auf feinkiesigen Schotterwegen laufe ich am Lago di Maglione und Lago di Moncrivello vorbei. Das mental sehr wichtige Etappenziel, die Verpflege- und Wechselstation in Mazze, kommt immer näher. Ich freue mich schon sehr auf das Treffen mit meiner Frau. Zuvor gilt es jedoch, die Dora Baltea zu queren. Für die Überfahrt stehen motorisierte Schlauchboote bereit. Als ich auf der Homepage über den Schiffstransfer gelesen habe, war ich skeptisch. Heute ist es eine willkommene Abwechslung und es macht großen Spaß. Freundliche Helfer reichen eine Schwimmweste und im Nu hat man den rund 70 Meter breiten Fluss gequert. Das Sitzen im Schlauchboot ist eine Wohltat und gerne hätte ich noch die eine oder andere Überfahrt genossen. Ein steiler Aufstieg wartet, bevor es moderat fallend in das Ortszentrum von Mazze geht.

Ich sehe meinen Schatz! Was für eine Freude und auch gänzlich neue Erfahrung. Meine Frau war noch bei keinem meiner Ultralauf-Teilnahmen an der Strecke. Wieder wird die Startnummer gescannt. 7 Stunden und 32 Minuten bin ich auf den Beinen. Ich habe wieder 3 Plätze gut gemacht und bin an Position 35 gelistet.

Hier in Mazze verbringe ich rund 15 Minuten. Viele Teilnehmer lassen sich hier supporten. Es werden frische Schuhe gereicht, Blessuren mit Vereisungsspray behandelt, Rucksäcke neu befüllt. Da ich mich im Vorfeld nicht darüber informiert habe, ob ein Support zulässig ist, verzichte ich bewusst darauf. Ich riskiere keine Disqualifikation. Die Anwesenheit meiner Frau ist für mich Unterstützung genug. Ich labe mich ausgiebig und schildere meinem Schatz die Eindrücke der ersten Streckenhälfte. Ich stelle mich auf den anspruchsvolleren zweiten Teil des Morenic-Trail ein. Wir vereinbaren, uns erst wieder im Ziel in Brosso zu sehen. Ich verspreche, mich zu beeilen, damit es nicht zu spät wird. Es fällt mir schwer, meine Frau hier allein zurück zu lassen und weiterzulaufen.

Steine auch im Schein der Stirnlampe
Ein steiler Aufstieg zum Castellazzo di Caluso stimmt mich auf die weiteren Kilometer ein. Immerhin fehlen noch knapp 2000 Höhenmeter auf das angegebene Soll. Völlig überraschend wartet meine Frau am Anstieg zur Kirche Santo Stefano auf mich. Wie schön! Wir wechseln ein paar Worte, ich posiere für Fotos und steige weiter aufwärts. Einige Höhenmeter später erwartet mich eine Verpflegestation mit warmen Speisen. Aber ich verzichte auf Pasta und Co. Ich stehe während eines Wettkampfes für keine Verpflegungs-Experimente zur Verfügung, so lecker die Pasta mit Parmesan auch schmecken mag. Dazu ein Glas Wein? Verlockend, aber nicht jetzt. Der Scan meiner Startnummer zeigt, dass mittlerweile 9 Stunden und 17 Minuten seit dem Start um 9 Uhr morgens vergangen sind. Bedingt durch den langen Stop in Mazze habe ich ein paar Positionen verloren und liege nun an 42. Stelle.

Ich motiviere mich damit, nur mehr einen Marathon vor mir zu haben. Schon merkwürdig, mit welch abstrusen Gedanken der Geist positiv gestimmt werden kann. Anfangs sorgte ich mich der Nachtstunden wegen. Jetzt bin ich froh, bald in der Dunkelheit den ungetrübten Blick auf den mittlerweile verhassten Wald und die steinigen Wege zu verlieren. Meine obere Wade bzw. die Kniekehle schmerzen zunehmend.

Die Dämmerung weicht recht schnell der Dunkelheit. Um 19:15 Uhr nehme ich die Stirnlampe in Betrieb. Der Weg findet sich durch die reflektierenden Markierungsbänder wie von selbst. Es ist um mich herum sehr ruhig. Lediglich Hundegebell aus einer tiefer liegenden Ortschaft nehme ich wahr.

Steil nach oben führende Streckenabschnitte werden häufiger. Single-Trails wechseln sich weiterhin mit Waldwegen, gepflasterte Straßen durch kleine Ortschaften ab. Die Schmerzen in der Wade und Kniekehle werden vehementer. Ich telefoniere mit meiner Frau und deute an, wohl aufgeben zu müssen. Aber vorerst bleibe ich am Trail. Bis zur Ortschaft Vialfré habe ich wieder 3 Positionen gut gemacht.

Ich laufe durch spärlich beleuchtete Gassen der Ortschaft Torre Canavese. An der Verpflegestelle wird mir ein Hot Dog angeboten. Ich lehne dankend ab und lasse mir eines meiner letzten Gels schmecken. So lecker eine Wurst auch wäre, sie würde nur eine unnötige Belastung für den Verdauungsapparat darstellen. Fakten: 92,5 Kilometer / 12 Stunden und 10 Minuten / Pos. 37

Ich nähere mich der Wechselzone/Verpflegestelle Ponte Preti bei Kilometer 100. Die spektakuläre Brücke über den Fluss Chiusella leuchtet im Fackelschein und bietet einen wunderschönen Anblick.

Die letzte Etappe beginnt mit einem sehr steilen Anstieg. Stufe um Stufe geht es beinahe vertikal empor. Aber das stört mich nicht. Kraft ist vorhanden. Und bergauf sind die Schmerzen in der Wade und Kniekehle deutlich leichter zu ertragen als auf fallenden Streckenabschnitten. Es geht entlang der Chiusella-Moräne weiter aufwärts. Ich überhole zwei Teilnehmer. Meine Trailrunning-Stöcke leisten in Anstiegen wie immer wertvolle Dienste. Der Trail führt über das Nonani-Plateau und an den beiden kleineren Seen Lago di Alice und Lago di Meugliano vorbei. All das nehme ich in der Dunkelheit jedoch nicht wahr. Der Lichtkegel meiner Stirnlampe ist auf den Trail unmittelbar vor mir gerichtet.

8 Kilometer vor dem Ziel passiere ich die letzte Verpflegestation. Ich esse ein paar Stück Schnitten und trinke reichlich Cola. Ich gebe meiner Frau Bescheid, dass ich in rund zwei Stunden in Brosso sein werde. 8 Kilometer = 2 Stunden! Es ist frustrierend, aber schneller kann ich mich nicht mehr fortbewegen. Es ist eher ein humpeln als ein hiken oder laufen. Aber ich bin felsenfest überzeugt, auch diesen Lauf wieder erfolgreich zu Ende zu bringen. Zwei Tage später wird mir ärztlich bestätigt werden, dass für die Schmerzen ein Muskelfaserriss in der Wadenmuskulatur und eine ausgeprägte Bakerzyste verantwortlich waren und ein Abbruch des Laufes keine unkluge Entscheidung gewesen wäre.

Finisher-Medaille
Es ist halb drei Uhr am Morgen und Brosso ist in Sichtweite! Die Streckenführung verläuft jedoch nicht direkt in das Dorfzentrum, wo Moderation und Musik bereits zu hören sind, sondern führt umwegig über eine feuchte Wiese und über eine Treppe, bevor man wieder auf asphaltierter Straße angekommen ist. Etwa 300 Meter vor dem Ziel steht ein Topf mit roter Farbe. Ich bemale mir intuitiv damit die Wangen und hinke der Ziellinie entgegen.

Nach 17 Stunden und 47 Minuten habe ich es geschafft. Ich habe den Morenic-Trail erfolgreich zu Ende gebracht und zugleich die Qualifikation für die WSER-Lotterie in der Tasche. Ich werde sehr herzlich in Brosso willkommen geheißen. Es wird mir die aus Ton gefertigte Finisher-Medaille um den Hals gehängt und ein Ziel-Foto gemacht. Dann gibt´s noch Gutscheine für Bier und Pasta.

"Ewige Bestenliste" Morenic-Trail
Platziert habe ich mich an 40. Stelle von 137 gestarteten Teilnehmern. 40 Starter haben es leider nicht bis ins Ziel nach Brosso geschafft. In meiner Altersklasse belege ich den für mich sehr zufriedenstellenden 5. Rang. Auch kann ich mich daran erfreuen, zumindest für ein Jahr die "Ewige Bestenliste" der österreichischen Teilnehmer beim Morenic-Trail anzuführen. Noch nie war ein Teilnehmer aus Österreich am Morenic-Trail schneller im Ziel als ich im heurigen Jahr.

Ich trinke das Bier; Hunger habe ich keinen. Ich bekomme Schüttelfrost, kann kaum noch gehen. Mein Schatz fährt uns zurück ins Hotel. Am nächsten Tag geht es nach Hause. Ein paar Tage später wird der Veranstalter sehr viele wunderbare Fotos kostenlos zur Verfügung stellen.



Morenic-Trail Finisher 2019
Fazit: Während des Rennens war ich ob der vermeintlich seltenen landschaftlichen Highlights enttäuscht. Negativ beeinflusst vermutlich auch von der Tatsache, dass gerade zu Beginn des Laufes die Strecke viele Stunden durch dichten Wald führte. Die Schmerzen waren gegen Ende des Rennens sehr groß, sodass ein vorzeitiges Beenden des Laufes eine vernünftige Entscheidung gewesen wäre. Aber es ist nicht mein Naturell, einen Lauf aufzugeben. Zu stolz bin ich auf meine Null-Prozent-DNF-Quote.

Zwei Tage nach dem Lauf wurde ich in der ärztlichen Ambulanz vorstellig, da Wade und Kniekehle deutliche Schwellungen aufgewiesen haben. Wie bereits im Bericht erwähnt, sind ein Muskelfaserriss und eine ausgeprägte Bakerzyste diagnostiziert worden. Die Schwellung ist mittlerweile abgeheilt und die Belastbarkeit des Beins nimmt täglich zu.

Je distanzierter ich auf den Morenic-Trail zurück blicke, umso positiver stehe ich dem Lauferlebnis in der Region Piemont gegenüber. Die vielen Fotos zeigen doch eine erhebliche Zahl an landschaftlichen Reizen auf, die auch nach und nach in Erinnerung kehren. Die Querung der Dora Baltea war ein zusätzliches Erlebnis. Letztendlich bin ich froh, in Andrate beim Morenic-Trail am Start gestanden zu sein.

Das Organisationsteam rund um den Morenic-Trail muss lobend erwähnt werden. Für vergleichbar sehr geringes Startgeld wird hier eine lückenlose Streckenmarkierung, gut positionierte und ausgestattete Versorgungsstellen, überaus freundliche Helfer, viele kostenlose Fotos, eine spektakuläre Flussquerung, eine schöne Medaille und vieles mehr geboten.

05.10.2019: Morenic Trail - Laufbericht


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Donnerstag, 24. Januar 2019

100 Miles of Istria - Wettkampfspezifische Vorbereitung (12 Wochen)

Nach 11 Wochen allgemeiner Vorbereitung folgt nun das wettkampfspezifische Training. Ziel der kommenden 12 Wochen ist es, dass ich mich bestmöglich auf die beim Wettkampf vorherrschenden Bedingungen vorbereite. Dazu zählt für mich:
  • das lange, ausdauernde Laufen auf Trails
  • das Laufen in den Nachtstunden
  • das Laufen mit Trailrunning-Stöcken
  • das Auf- und Absteigen im steilen Gelände
  • das Laufen mit gepacktem Rucksack
  • das Testen von Ernährungsstrategien

Zum Thema Ernährungsstrategie im Ultralauf habe ich bereits vor einiger Zeit einen Blogbeitrag verfasst.

Vorbereitung 100 Miles of Istria
100 Miles of Istria - wettkampfspezifische Vorbereitung
Es gibt natürlich Unterschiede zwischen der optimalen und der für mich bestmöglichen Vorbereitung. So ist z.B. ein nicht unwesentlicher Bestandteil einer optimalen Vorbereitung der Umstand, dass in den umfangreichsten Trainingswochen zumindest die Wettkampfkilometer gelaufen werden sollen. Das wären im aktuellen Fall 170 Wochenkilometer. Aber ich bin berufstätig, habe noch andere Interessen und möchte noch Freizeit mit meiner Familie verbringen. Zudem braucht mein Körper, im speziellen die ab und zu quengelnde Achillessehne, ausreichend Regeneration. Daher gehe ich trotz meiner ambitionierten Zielvorgabe (Zielzeit: 28 - 30 Stunden) in der Vorbereitung Kompromisse ein.

Was bedeutet das konkret?
  • Ich beschränke mich in der Regel auf 4 Trainingseinheiten pro Woche (Ausnahme Woche 9).
  • In den "Umfang-Wochen" (Woche 1/2/4/7/8/9) werde ich maximal 135 Kilometer laufen.
  • Der längste Lauf wird eine Dauer von 10 Stunden nicht überschreiten.
  • In die Regenerationswochen (Woche 5, bedingt Woche 3 und 6) werde ich die eine oder andere flotte Tempoeinheit einfließen lassen bzw. sogar einen knackigen Wettkampf (Steirische Meisterschaften im Crosslauf) laufen.

Umfang-Woche (Woche 1, 2, 4, 7, 8, 9)

Die typische Trainingswoche 1, 2 oder 7 sieht folgendermaßen aus:

1 Einheit: 1,5 h langsamer Trailrun (ca. 13K)
1 Einheit: 2,5-3 h langsamer Trailrun (ca. 23K)
1 Einheit: 1,5 h langsamer Trailrun in der Nacht (ca. 13K)
1 Einheit: 6-8 h langsamer Trailrun teils in der Nacht (ca. 50-65K)
Wochenumfang: 100 bis 115 Kilometer

In den Trainingswochen 4 und 8 werde ich die längsten Läufe absolvieren. Ein Unterschied zu den übrigen Umfang-Wochen ist lediglich die Dauer der langen Einheit.

1 Einheit: 1,5 h langsamer Trailrun (ca. 13K)
1 Einheit: 2,5-3 h langsamer Trailrun (ca. 23K)
1 Einheit: 1,5 h langsamer Trailrun in der Nacht (ca. 13K)
1 Einheit: 10 h langsamer Trailrun teils in der Nacht (ca. 80K)
Wochenumfang: 130 Kilometer

In der Trainingswoche 9 werde ich in 5 Trainingseinheiten die meisten Wochenkilometer absolvieren.

1 Einheit: 1,5 h langsamer Trailrun (ca. 13K)
1 Einheit: 2,5-3 h langsamer Trailrun (ca. 23K)
1 Einheit: 3 h langsamer Trailrun in der Nacht (ca. 23K)
1 Einheit: 6 h langsamer Trailrun teils in der Nacht (ca. 48K)
1 Einheit: 4 h langsamer Trailrun (ca. 28K)
Wochenumfang: 135 Kilometer


Regenerationswoche (Woche 5, bedingt 3 und 6)

In den Regenerationswochen verzichte ich auf den langen Dauerlauf. Statt langsame Läufe darf es in diesen Wochen auch etwas flotter zur Sache gehen. So schreibe ich mir in Woche 5 z.B. ein Fahrtspiel und einen flott gelaufenen 10K-Lauf in meinen Trainingsplan.

1 Einheit: 1,5 h langsamer Trailrun (ca. 13K)
1 Einheit: 1,5 h Fahrtspiel am Trail (ca. 13K)
1 Einheit: 1,5 h lockerer Trailrun (ca. 14K)
1 Einheit: Crosslauf Meisterschaften (10K)
Wochenumfang: 50 Kilometer


Tapering-Phase (Woche 10, 11 und 12)

Tapering! Die Zeit der Selbstzweifel ;-). Fragen wie "Habe ich genug trainiert?, "Habe ich genügend lange Läufe absolviert?" stehen gedanklich an der Tagesordnung. Ein Fehler wäre, nun versäumte Trainingseinheiten nachholen zu wollen.

In den Wochen 10 und 11 dreht sich alles um Erholung. Lange langsame Dauerläufe weichen gezielt gesetzten Trainingsreizen, um bestmöglich an der Startlinie zu stehen. So hat die Woche 11 in etwa ein Drittel des Umfanges der Woche 9, also ca. 45 Wochenkilometer.

In der Woche 12 finden noch zwei rund 30 Minuten lange intensive Trainingseinheiten statt. Am Donnerstag reise ich nach Umag. Am Freitag erfolgt der Transfer nach Labin stattfindet, wo um 16.00 Uhr der Startschuss zu den "100 Miles of Istria" fällt.

Am Ende der 12 Wochen dauernden wettkampfspezifischen Vorbereitung werde ich rund 1150 Kilometer gelaufen sein.

Weitere Informationen zu Renntaktik, Marschtabelle, Pflichtausrüstung, Dropbag-Packliste etc. finden sich in der Rubrik ultratrail spezial.

100 Miles of Istria - Wettkampfspezifische Vorbereitung (12 Wochen)


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Mittwoch, 8. August 2018

05.08.2018: Kainacher Bergmarathon mit steirischen Meisterschaften - Laufbericht

Voller Vorfreude stehe ich zum 3. Mal hintereinander am Start des Kainacher Bergmarathon. Die Strecke zählt sowohl wegen der Distanz als auch wegen des hohen Trailanteils zu meinen absoluten Favoriten. Dazu ist der Schauplatz der traditionellen Veranstaltung, der Ort Kainach bei Voitsberg, für mich in rund 40 Minuten gut mit dem Auto erreichbar.

Kainacher Bergmarathon 2018 Laufbericht
Heute werden im Zuge des Kainacher Bergmarathons mit seinen 44,5 Kilometer Distanz und 1800 Höhenmeter auch die Steirischen Meisterschaften im Bergmarathon ausgetragen. Um bei diesen Meisterschaften an den Start gehen zu können, muss durch den Verein die ÖLV-Lizenz gelöst werden. Dank der Unterstützung meines Laufklubs, dem MT-Hausmannstätten, bin ich zum zweiten Mal in meiner Läuferkarriere für offizielle Meisterschaften genannt. Meine Premiere hatte ich im Vorjahr beim Stanzer Trailrun, wo ich in der Masters-Klasse M45 die Silbermedaille erlief.

Die Abholung der Startunterlagen findet in bewährter Weise in der Volksschule Kainach statt, wo auch Umkleiden und Duschen zur Verfügung stehen. Im Anschluss an den Lauf kann man sich hier die müden Beine massieren lassen. Im Startpaket ist das traditionelle Bergmarathon-Laufshirt, lesenswertes Informationsmaterial über die Lipizzanerheimat, eine ermäßigte Eintrittskarte für die Therme Nova in Köflach sowie einige Produktproben enthalten. Die Zeitnehmung erfolgt mittels Chip von hightech timing.

Kurz vor 09.00 Uhr nehme ich gemeinsam mit weiteren gut 100 Starter der Bergmarathon-Distanz Aufstellung. Auch der neu geschaffene Bergsprint und die Staffeln sind gut gebucht. Das hochsommerliche Wetter der letzten Tage macht auch heute vor dem Kainacher Bergmarathon nicht halt. Schwül und sehr warm ist es bereits zur frühen Stunde. Um ein wenig autark zu sein, trage ich daher meine Salomon-Weste, die ich mit 5 Gels, einigen Salztabletten und zwei Softflasks mit Wasser und Iso bestückt habe.

Der Begrüßung durch die Organisatoren folgt der priesterliche Segen. Mein Ziel für heute? Im Vorjahr habe ich für den Bergmarathon 5 Stunden und einige Sekunden benötigt. Heuer soll es noch ein klein wenig schneller sein. Sollte ich die anvisierte Wunschzeit (also sub5) erreichen, verspreche ich mir eine Medaille bei den Steirischen Meisterschaften bzw. spekuliere sogar mit einem AK-Stockerlplatz "over all". Schon geht es los! Die ersten zwei Kilometer führen Richtung Norden leicht steigend aus dem Ort Kainach. "Ich hätte mich doch ein wenig aufwärmen sollen", schießt es mir durch den Kopf. Denn von Null auf Hundert ist Gift für die Muskulatur. Auch die ersten steileren Anstiege lassen nicht lange auf sich warten. Zuerst auf einem Wiesenpfad, später auf Wald- und Schotterwegen geht es kontinuierlich nach oben.

Kainacher Bergmarathon
Nach 5,5 Kilometer ist die erste Labe erreicht. Das schwüle Wetter lässt meinen Schweiß in Strömen fließen. Eine Softflask habe ich bereits leer getrunken. Wie auch bei allen weiteren Verpflegestellen trinke ich hier ausreichend Wasser und Iso. Gleichzeitig fülle ich meine Flaschen auf. Mal nehme ich ein Stück Banane, mal drücke ich mir eines meiner 5 Gels in den Mund. Ich bin überrascht, wie viele Läufer sich einfach nur einen Becher Wasser schnappen und wieder die Wolke sind. Beinahe frustrierend ist es für mich, bergauf Läufer um Läufer einzusammeln, die einem an der Labestelle wieder entwischen. Rückblickend betrachtet habe ich - wenn es mir so wie heute um jede Minute geht - an den Labestellen eine Menge Potenzial zur Zeiteinsparung.

Meine erste Salztablette habe ich auch geschluckt. Seit ich beim Welschmarathon vor zwei Jahren arg mit Muskelkrämpfen zu tun hatte, gehören Salztabletten bei langen fordernden Strecken und warmen Temperaturen zur Grundausstattung.

Am Steinbruch vorbei geht es weiter aufwärts. Die Sonne lacht vom Himmel; die felsigen Wände reflektieren die Wärme. Obwohl es erst kurz nach 10 Uhr vormittags ist, fühle ich mich bereits geröstet. Ich benötige für die ersten 10 Kilometer mit ein paar hundert Höhenmeter 1 Stunde und 17 Minuten und bin im Vergleich zum Vorjahr beinahe auf die Sekunde gleich schnell.

Nach 14 Kilometer ist die Zeissmann Hütte erreicht. 1000 Höhenmeter sind auf der Haben-Seite verbucht. Hier findet auch der erste Staffel-Wechsel statt. Entsprechend groß ist der Rummel. Die Speicher werden abermals mit Wasser, Iso und einem Stück Banane aufgefüllt. Der Veranstalter bietet wegen der hohen Temperaturen Magnesium-Sticks an. Ich traue Magnesium während eines Wettkampfes nicht über den Weg ;-). Salzgebäck wäre meiner Meinung nach die bessere Wahl gewesen. Meinen Kopf kühle ich unter kaltem Alm-Wasser. Während die Staffelläufer der ersten Etappe erschöpft zu Boden sinken und ihre Teampartner auf die Reise schicken, geht es für uns Einzelstarter weiter unermüdlich dem höchsten Punkt der Strecke entgegen.

Und hier, auf einem steilen Aufstieg zum Roßbachkogel, krampft gänzlich unangekündigt mein rechter Unterschenkel. Ich bin geschockt. Nicht der Schmerzen wegen; die sind ein paar Augenblicke später weggedehnt. Aber über die Tatsache, dass ich so früh im Rennverlauf bereits mit muskulären Problemen konfrontiert werde.

Ich schlucke eine weitere Salztablette und spüle reichlich Wasser nach. Ich steige mit Bedacht dem höchsten Punkt der Strecke entgegen. Ich versuche, meinen Schritt etwas zu verändern, die Muskeln zu lockern. Ein paar hundert Meter später scheint´s wieder halbwegs zu gehen.

Ich befinde mich auf gut 1700 Meter Seehöhe. Nun folgt der technisch schwierige Abstieg zum Gleinalm-Schutzhaus, wo die nächste Labestelle wartet. Teils kniehohe Stufen auf ausgewaschenen, schmalen Pfaden erfordern höchste Konzentration. Ein Sturz hier in diesem unwegsamen Gelände kann folgenschwere Verletzungen nach sich ziehen. Spitze Steine und Wurzelwerk erschweren das abwärts kommen. Auf abfallendem Terrain geht es meinen Muskeln einigermaßen gut und ich kann diese anspruchsvolle Passage in gutem Tempo hinter mich bringen.

Über einen stark verwurzelten und mit Steinen übersäten Waldweg führt die Strecke auf die sogenannte Lipizzanerweide. Und die Wadenkrämpfe nerven weiter. Was bergab halbwegs gut ist, verschärft sich in aufwärts führenden Passagen. Es ist frustrierend. Die Kraft ist vorhanden, um Tempo zu machen. Aber die Muskulatur spielt heute einfach nicht mit. Nach ein paar Dehnübungen überwinde ich die leichte Steigung in schnellen Gehschritten bzw. mit Bedacht gesetzten Tippelschritten. Großteils führt die Strecke nun talwärts. Hier kann ich wieder einigermaßen beschwerdefrei und mit gutem Tempo laufen. Die Halbmarathonmarke ist nach 2 Stunden und 39 Minuten erreicht. Trotz der muskulären Probleme habe ich im Vergleich zum Vorjahr lediglich 2 Minuten eingebüßt. Aber immer wieder auflauernde Gegenanstiege zwingen mich meist in den Gehschritt. Wie bergauf der Wadenmuskel zu sehr beansprucht wird, verkrampft er. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist mir klar, dass die angepeilte Wunschzeit nicht erreichbar sein wird. Es ist zum heulen ...

Bei Kilometer 26 ist an einer Weggabelung rechts und frontal eine Absperrung vorhanden. Obwohl ich es von den Vorjahren besser wissen hätte müssen, folge ich dem "offenen" Weg links nach oben. Ein paar hundert Meter weiter, der Weg wird immer unwegsamer, ist mir klar, dass ich falsch bin. Ich kehre um und sehe am Rückweg die Beschilderung, die talwärts zeigt. Man muss tatsächlich unter dem Absperrband durch. Die rund 1,5 Kilometer Umweg haben mir fast 10 Minuten gekostet. Frust pur!

Beim Alpengasthof Krautwasch ist die zweite Wechselstation eingerichtet. Bevor es auf das letzte Drittel der Strecke geht, labe ich mich wieder mit ausreichend Flüssigkeit. Moderat fallende Wald- und Schotterwege kann ich weiterhin gut laufen. Jedoch wartet die Strecke nach wie vor mit steilen Gegenanstiegen auf. Oder entwurzeltes Geäst liegt quer zur Laufstrecke und muss umlaufen, überklettert oder unterkrochen werden. Ich habe Kilometer 35 erreicht.

In einem flachen Waldstück krampft nun auch der vordere Oberschenkelmuskel. Aua! Was für ein Schmerz! Im ersten Moment weiß ich gar kein Rezept gegen diesen hinterhältigen Krampf. Zwei Läufer traben an mir vorbei. Einer fragt, ob ich Hilfe benötige. Ich winke mit schmerzverzerrtem Gesicht dankend ab. Gehen, traben, dehnen, bergab vorsichtig laufen!

Steir. Meisterschaften Bergmarathon 2018
Trails sind einer asphaltierten Straße gewichen. Steil abwärts geht es dem Ort Kainach und somit dem Ziel entgegen. Im Talboden angekommen wartet die letzte Labestelle vor dem Zieleinlauf. Obwohl das Ziel zum Greifen nahe und in Sichtweite ist, fordert die Streckenführung noch eine Schleife (auch Sadistenschleife genannt) mit einigen zusätzlichen Höhenmetern. Ich kühle meinen Kopf mit kaltem Wasser und trinke zwei Becher Cola. Bringen wir es zu Ende!

Selbst auf dem letzten Kilometer muss ich zwei mal anhalten, um meine Muskulatur zu lockern. Zwei weitere Mitstreiter überholen mich. Nach 5 Stunden und 26 Minuten werde ich vom Moderator namentlich mit Vereinszugehörigkeit angekündigt und laufe (oder watschle, humple, schleife mich) über die Ziellinie. Geschafft! Heuer gibt es erstmals eine Finishermedaille, die mir gleich um den Hals gehängt wird.

Trotz der eher mäßigen Zeit erreichte ich den 4. Platz in meiner Altersklasse. 'Die Mastersklasse M45 der Steirischen Meisterschaften im Bergmarathon konnte ich unerwartet für mich entscheiden. Ich darf mich daher Steirischer Meister nennen :)

Fazit

Der Lauf selbst hat auch heuer wieder gehalten, was ich mir versprochen und wie ich ihn in Erinnerung hatte. Der Kainacher Bergmarathon, vom TUS Kainach, der Sektion Leichtathletik und Triathlon organisiert, ist immer eine Reise wert. Eine tolle Organisation (mit ganz wenigen Ausnahmen die Streckenmarkierung betreffend), gepaart mit einer landschaftlich wunderbaren, wenngleich punktuell sehr anspruchsvollen Trail-Strecke, erfreut hier in Kainach bei Voitsberg das Herz des Berglauf-Freundes. Ich bin im kommenden Jahr gerne wieder mit dabei.

Mein persönliches Fazit lautet: Gekämpft bis zum Schluss und dennoch mein Ziel klar und deutlich verfehlt! Was die Ursache für meine Muskelkrämpfe war, darüber kann ich nur mutmaßen. Vielleicht gönnte ich meinem Körper nach dem Ultratrail mozart100 zu wenig Regeneration. Ging ich zu hart unaufgewärmt in die ersten steilen Bergaufpassagen? Oder die Muskel fühlten sich vernachlässigt, zu wenig gedehnt und gelockert und mahnten mich ab. An Flüssigkeits- bzw. Salzmangel lag es m.M. nicht, zumal die Wissenschaft hier einen Zusammenhang ohnehin ausschließen möchte.

05.08.2018: Kainacher Bergmarathon mit steirischen Meisterschaften - Laufbericht


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Mittwoch, 20. Juni 2018

16.06.2018: mozart100 / Salzburg - Laufbericht

mozart100 Laufbericht 2018
Ich reise mit dem Flix-Bus umweltbewusst, stressfrei und zudem sehr kostengünstig in die Mozartstadt Salzburg. Morgen werde ich zum bereits 2. Mal am Start des mozart100 stehen. Der mozart100 ist ein zur Ultra-Trail World Tour zählender Langstreckenlauf. Mit Start und Ziel inmitten der Altstadt Salzburgs führen 103 Kilometer, meist auf Trails und mit 4600 Höhenmeter gespickt, durch die landschaftlichen Schönheiten des Salzburger Landes und gewähren atemberaubende Blicke auf den Fuschl- und Wolfgangsee.

Quartiergeber ist für die kommenden beiden Nächte das Altstadthotel Wolf. Das Hotel liegt lediglich 3 Fußminuten vom Start- und Zielbereich am Kapitelplatz entfernt. Mein Einzelzimmer ist mit 9 Quadratmeter am ersten Blick zwar recht klein. Jedoch spätestens nach dem Lauf weiß man die kurzen Wege im Zimmer, wie auch die bodenebene Dusche und den Lift sehr zu schätzen ;-).

Am Kapitelplatz herrscht schon reges Treiben, als ich meine Startunterlagen abhole. Neben der personalisierten Startnummer mit integriertem Zeitnehmungschip ist der Startersack, der zugleich auch als Drop-Bag zu verwenden ist, mit einigen Produktproben gefüllt. Einen kleinen faltbaren Race-Guide und ein temporäres "mozart100-Tattoo" bekomme ich ebenfalls kostenlos dazu.

Um 18.00 Uhr steht das offizielle "Race Q&A" (Fragen und Antworten zum Rennen) am Programm. Zuvor findet der Kids-Trail samt Siegerehrung für die Ultratrail-Läufer von morgen statt. Beim "Q&A" werden letzte Informationen zu Streckenverlauf, Pflichtausrüstung, CUT-OFF-Limits etc. in deutsch und englisch (auf teils sehr humorvolle Weise) an uns Starter weitergegeben. So ist zu erfahren, dass auf Grund der prognostizierten hohen Temperaturen auf das Mitführen einer Regenjacke und eines Stirnbandes/Mütze verzichtet werden kann. Dass auf befahrenen Straßen die Straßenverkehrsordnung gilt und ausnahmslos am linken Fahrbahnrand zu laufen ist, haben - wie der Lauftag zeigen wird - einige überhört. Heuer ist es erstmals möglich, sich via Racemap-App per livetracking verfolgen zu lassen. So kann mich meine Familie zu Hause virtuell begleiten und meinen Fortschritt sehen. Im Anschluss an das "Race Q&A" folgt die offizielle Eröffnung des Veranstaltungswochenendes mit Show-Acts und Vorstellung der Top-Athleten.

Raceday und Strategie

mozart 100 Ultratrail
Um 03.15 Uhr läutet der Wecker. Ich bin bereits seit einer halben Stunde wach. Die Nacht war kurz. Aber das ist vor einer so großen Herausforderung nicht ungewöhnlich. Ich fühle mich eigentlich recht fit und voller Vorfreude. Das Frühstück besteht aus einem Kaffee, den ich im Hotel noch gestern Abend in einer Thermoflasche bereitgestellt bekommen habe, sowie einem Toast mit Honig. Das temporäre Tattoo klebt letztendlich statt auf meiner Haut am Handtuch. Schade um das coole Gimmick aber Hauptsache, die Kontaktlinsen sitzen am richtigen Platz.

Im Drop-Bag habe ich einige Gels, Ersatzsocken, ein Ersatz-Shirt sowie die Stirnlampe mit Ersatzbatterien verstaut. Verlässt man nach 16.00 Uhr den Checkpoint Fuschl, so wird das Mitführen einer Stirnlampe samt Ersatzbatterien zur Pflichtausrüstung.

Die Regenjacke und das Stirnband habe ich nach dem gestrigen "Q&A" aus meiner Laufweste entfernt. So befinden sich darin lediglich einige Gels, Salztabletten, zwei Softflasks gefüllt mit Peronin und Wasser, eine Signalpfeife, das Mobiltelefon, der Ipod, eine Powerbank, ein Müllsack und die Trailrunning-Stöcke. Wie im letzten Jahr werde ich die Stöcke erst ab km 31 zu Hilfe nehmen.

Mein grober Plan (Plan A) sieht vor, die Zeit vom Vorjahr anzupeilen. Ich kann jedem der Ultrastrecken läuft nur raten, nicht nur einen Plan, sondern alternative Pläne im Kopf bereit zu halten. Denn geht Plan A schief, so ist es unterwegs sehr schwierig, die Ziele neu anzupassen. Sollte es überragend laufen, wäre eine Zeit um 15 Stunden mein Traum (Plan A+). Treten größere Probleme auf, so lautet mein Plan B, es innerhalb von 18 Stunden zurück nach Salzburg zu schaffen. Plan C lautet, die Strecke zumindest innerhalb der CUT-OFF-Zeiten zu meistern.

Pünktlich um 05:00 Uhr werde ich gemeinsam mit weiteren rund 390 Teilnehmern auf die Strecke gelassen. Die ersten Kilometer sind hervorragend dazu geeignet, um den noch müden Körper schonend in den Laufmodus zu schalten. Denn diese gehen flach und auf befestigten Wegen in Richtung Süden durch die Hellbrunner Allee. Von Beginn an ist die Strecke hervorragend gekennzeichnet und an exponierten Straßenquerungen hat der Veranstalter vorgesorgt und freundliche Helfer regeln bereits zu früher Stunde für uns Läufer den Verkehr, damit wir ungehindert und sicher die Straßen queren können. Im Vorjahr hatte ich zu Beginn mit Kreislaufproblemen zu kämpfen. Heute ist alles gut.

Glasenbachklamm und Plötz Wasserfall

Nach rund 7 Kilometer beginnt der Trail. Mit der Glasenbachklamm entlang des Klausbaches steht das erste landschaftliche Highlight bevor. Der moderat ansteigende Schotterweg ist gut laufbar. Viele Teilnehmer verfallen bereits hier in den Geh-Schritt. Mein Plan sieht vor, jedenfalls bis zum ersten großen Zwischenziel Fuschl den Großteil der Strecke laufend zu bewältigen. Nach gut einer Stunde treffe ich in Hinterwinkl ein, wo die erste Labestelle bereit steht. Nach einem kurzen Stück auf der Landesstraße führt mich ein Single-Trail zum wunderschön gelegenen Plötz Wasserfall empor. Hier wartet bereits "Sportograf" auf die Läufer, der ein Foto von uns schießt. Dieses und noch weitere auf
der Strecke gemachten Schnappschüsse können einige Tage später online angesehen und gekauft werden. Bevor ich mich in Hof laben und die Flüssigkeitsreserven auffüllen kann, steht der steile Aufstieg zum Gitzenberg im Weg. Ich fühle mich gut, bin ein wenig schneller als im Vorjahr in der Zeit und treffe recht entspannt an der Labe ein. Wie auch bei den anderen Verpflegestellen erwarten mich hier sehr freundliche, aufmunternde und hilfsbereite Menschen und ein mit Iso, Wasser, Cola, Salzgebäck, Riegel und Gels, Tomaten, Äpfel und Bananen, Aufstrichbroten und Kuchen reichlich gedeckter Tisch.

Fuschlsee

mozart100 Fuschl
Kupiert verläuft die Strecke weiter Richtung Fuschlsee. Bald habe ich mein erstes großes geistiges Etappenziel erreicht. Für meinen Kopf sind diese ersten 31 Kilometer das "warm up". Denn ab Fuschl wird die Strecke wirklich selektiv. Es ist eines der vielen optischen Highlights, auf dem Wiesenpfad dem Fuschlsee entgegen zu laufen. Die Kilometer entlang des südlichen Seeufers sind auf flachem, geschotterten Weg gut zu laufen. In Fuschl angekommen, habe ich Zugriff auf das Drop-Bag. Ich habe auf dem Weg hier her 4 Gels aus meinem eigenen Vorrat verbraucht und so fülle ich einige Gelpackungen nach. Um Muskelkrämpfen entgegen zu wirken, schlucke ich im Laufe der ersten Streckenhälfte alle 90 Minuten eine Salztablette. Das Wetter ist fast zu schön für diesen anspruchsvollen Bewerb, denn die vom wolkenlosen Himmel scheinende Sonne lässt den Schweiß in Strömen fließen.

Eibensee, Plombergstein und Schafbergalm

Gut gestärkt hole ich die Trailrunning-Stöcke aus meiner Laufweste und mache mich auf zum Eibensee. Auf dem 6 km langen Weg dort hin sind rund 400 Höhenmeter zu überwinden. Nach ein paar wunderschönen Blicken auf den Eibensee gilt für die Höhenmeter: Wie gewonnen, so zerronnen! Und dieser Abstieg vorbei am Plombergstein ist teils richtig steil und technisch schwierig zu laufen. Aber die Stöcke leisten gute Dienste und es macht großen Spaß; deshalb liebe ich das Laufen auf Trails. Ich übersehe hier eine Abzweigung. Einige Kehren später suche ich verzweifelt Hinweise, am richtigen Weg zu sein. Ich höre die Worte vom vorabendlichen "Q&A": "Wenn Ihr 300 Meter weit keine Markierung seht, dann seid Ihr falsch! Wenn Ihr 10 Minuten keine Markierung seht, dann seid Ihr entweder unvorstellbar langsam oder auch falsch!". Falsch, das bin ich wohl und so kehre ich um und zum Glück erkenne ich einige Höhenmeter oberhalb die markierte Abzweigung. Nichts passiert, denke ich mir. Wenn gleich ich mir die Labestelle Winkl sehnsüchtig herbei wünsche, denn meine zwei Softflasks sind fast leer und ich benötige dringend Flüssigkeitsnachschub.

Endlich in Winkl angekommen labe ich mich ausgiebig mit Kuchen und Salzbrezel. Auch drei Becher Iso und Wasser schütte ich in mich hinein. Nun steht der Aufstieg zur Schafbergalm bevor. Durch dichten Wald führt ein punktuell sehr steiler und technisch schwieriger Single-Trail satte 750 Höhenmeter nach oben, bevor die auf 1320 Meter gelegene Schafbergalm erreicht ist. Ich fühle mich nach wie vor den Umständen entsprechend recht gut und habe seit Start des Laufes rund 100 Plätze gutmachen können. Hier bei Kilometer 50 wartet wieder eine Verpflegungsstation, wo Wasser, Iso und Gels angeboten werden.

Der Trail bergab Richtung Wolfgangsee ist teils sehr steinig und technisch, zwischendurch auch wieder sehr gut laufbar. Ich habe mir vor einigen Kilometern meine rechte große Zehe an einem größeren Stein recht derb angeschlagen. Die in Mitleidenschaft gezogene Zehe klagt mir nun auf diesem und allen noch folgenden Bergabstücken ihr Leid.

Der Ortsteil Fürberg am Wolfgangsee ist erreicht. Das Seeufer ist von Touristen gut besucht. Mal werde ich angefeuert, mal wie ein Außerirdischer mit fragendem Blick gemustert. Meine rechte Zehe ist mittlerweile leider nicht die einzige körperliche Baustelle. Ich habe Sodbrennen. Sodbrennen hatte ich während dem Laufen noch nie. Ich schiebe die Schuld auf das Iso und auf die Gels. Im Nachhinein betrachtet habe ich wohl zu selten (nämlich nie) zur säureregulierenden Banane gegriffen. Jedenfalls streubt sich mein Magen, hier in Fürberg noch mehr Iso aufzunehmen. So fülle ich meine beiden Flaschen mit Wasser voll und hoffe darauf, wie im Vorjahr ab Fuschl auch alkoholfreies Bier zur Auswahl zu haben.


Zwölferhorn, Sausteigalm, Kühleiten und abermals Fuschl

Der Aufstieg zum Zwölferhorn bis zur Mittelstation Sausteigalm steht bevor. Die 450 Höhenmeter lassen mich beinahe verzweifeln. Von einem Augenblick zum anderen sind die Kräfte geschwunden. Die Temperaturen sind mittlerweile sehr hoch, mein rechter Fuß schmerzt, mein linker Unterschenkel klagt sein Wehleid, dazu Sodbrennen und damit verbundene Unlust auf weitere energiebringende Gels. Ich quäle mich Meter für Meter empor. In Fürberg sind zwei Jungs vor mir gelaufen. Beide deutlich jünger als ich und optisch trainierter. Die beiden Seelen hocken hier nun auf einer Bank, den Kopf zum Boden gerichtet und sind ebenfalls körperlich am Ende. Ich erkundige mich kurz, ob Hilfe benötigt wird und kämpfe mich weiter hoch.

mozart100 Zwölferhorn
Sich hinzusetzen, besser hinzulegen kommt mir auch in den Sinn. Aber hier mitten am Berg zu kapitulieren ist kein akzeptabler Ausweg. Das steht für mich außer Frage. Ich belüge meinen Körper. Ich verspreche ihm, dass wir so einen "Scheiß" nie mehr machen werden. Dass wir keine Distanzen über 50 Kilometer mehr laufen werden. Dass ich einfach zu alt und körperlich nicht fit genug für Ultradistanzen bin. Zwei Tage später werde ich mir eingestehen, dass es eine Notlüge war und ich das Versprechen wohl nicht halten werde können.

Endlich ist die Sausteigalm erreicht! Ich brauche Kalorien. Aber es ekelt mich vor dem Gel. So laufe ich ohne Energienachschub einen leicht fallenden Trail über Kühleiten zurück nach Fuschl. Hier habe ich erneut Zugriff auf das Drop-Bag. Aber ich nutze diese Möglichkeit nicht, denn ich will und brauche keine zusätzlichen Gels. Zum Glück wird ab Fuschl tatsächlich wieder leckeres alkoholfreies Bier kredenzt. Meinem Magen tut´s jedenfalls gut. Gleich drei Becher schütte ich in mich hinein. Das Bier lindert mein Sodbrennen und ein paar Kalorien liefert es auch. Bevor ich mich am Nordufer zurück auf den letzten großen Steckenabschnitt mache, kühle ich meinen Kopf im kalten Fuschlsee.

Koppler Moor, Nockstein und Kapuzinerberg

Die nächsten Kilometer führen auf der bereits am Vormittag gelaufenen Strecke bis Kilometer 88 retour. Hier am Verpflegepunkt Hof labe ich mich abermals mit einigen Bechern Bier. Auch ein Stück Kuchen tut mir gut. Gels würdige ich weiterhin keine Blicke. Auch Salztabletten verweigere ich seit ein paar Stunden. Vielleicht bereitet mir ja auch das Salz die brennende Speiseröhre? Vor Krämpfen bleibe ich zum Glück trotzdem verschont.

Der Gitzenberg ist abermals zu bezwingen. Der steile Bergabtrail verursacht meinen Beinen große Schmerzen. Aber das ist eben auch Ultralauf. Die Schmerzen werden in einigen Tagen vergehen und der Stolz wird bleiben. Am Watzmannblick vorbei geht es auf gut zu laufenden Pfaden dem Koppler Moor entgegen. Hier in Koppl bei Kilometer 94 wartet die vorletzte Verpflegestation. Ich hege den Plan, meine Softflasks für die letzten 10 Kilometer mit alkoholfreiem Bier zu befüllen. Das Bier ist mittlerweile das Einzige, was meiner brennenden Speiseröhre und Kehlkopf gut tut. Der Helfer scheint mein Vorhaben schon aus der Ferne zu durchschauen. Denn als ich nach einem Becher Bier frage, erhalte ich spontan die Antwort, dass das Bier hier an der Verpflegestelle zu trinken sei und nicht mitgenommen werden könne. Ich habe keine Energie für Diskussionen. Dann soll es so sein. Ich trinke zwei Becher und bewege mich weiter.

Der Nockstein wartet und ich bringe ihm großen Respekt entgegen. Den Aufstieg auf rund 1000 Höhenmeter habe ich aus dem Vorjahr steil und anstrengend in Erinnerung. Mir schmerzen mittlerweile zwar alle Fasern meines Körpers, bin dann doch überrascht, die 200 Höhenmeter zum Nockstein verhältnismäßig gut und rasch bewältigt zu haben. Eine atemberaubende Aussicht auf den Gaisberg und auf Salzburg entschädigt hier oben für die Strapazen. Es ist eines der unzähligen landschaftlichen Highlights dieser wunderbaren Strecke des mozart100.

Der Downhill ist quälend. Manche Passagen sind ausgesetzt und technisch schwierig. Meinen Muskeln, Sehnen und Gelenken freut es, als die abwärtsführenden Pfade in Stiegen münden. Stufen laufen sich deutlich schmerzfreier. Ich bin beim Kilometerschild 100 angelangt. Schräg, irrsinnig! Ich bin 100 Kilometer weit gelaufen. Zu all den Schmerzen kommt Stolz. Stolz, es auch heute wieder zu schaffen. Aber auch Dankbarkeit, verletzungsfrei über die vielen technisch schwierigen Passagen gelaufen zu sein.

Am Fuß des Kapuzinerberges erwartet mich die letzte Labestelle. Im Vorjahr hat es hier Wasser gegeben. Heute wird mir auch hier ein Bier gereicht. Ich nehme den Becher dankbar an, bedanke mich für den tollen Support und bringe es zu Ende. Stufe um Stufe erklimme ich den Kapuzinerberg. Mein geschwächter Körper hat sich einigermaßen erholt. Die Stufen stellen heute kein großes Problem dar. Ich bin beim Wehrturm und Franziskischlössl angelangt.

Nun heißt es ein letztes Mal die Zähne zusammenzubeißen. Erraten! Der schmerzhafte Abstieg wartet. Aber bereits einige Höhenmeter tiefer lindern abermals Stufen die Qualen und kurze Zeit später steige ich die letzte Stufe der Imbergstiege hinab und stehe vor der Staatsbrücke, die mich die Salzach queren und mich in die Salzburger Altstadt laufen lässt. Touristen säumen die Getreidegasse, den Alten Markt sowie den Residenz- und Domplatz. Es wird Applaus gespendet und es gibt viele anerkennende Zurufe. Mit Gänsehaut laufe ich auf den Kapitelplatz ein. Die letzten Meter dürfen meine geschundenen Beine auf rotem Teppich laufen. Ein paar Augenblicke später ist es vollbracht. Unter großem Applaus quere ich nach 15 Stunden und 25 Minuten die Ziellinie. Der Stolz kommt hoch, es trotz aller Widrigkeiten abermals geschafft zu haben.

Letztendlich habe ich meine Zeit vom Vorjahr um rund eine halbe Stunde unterboten und klassiere mich unter 390 gestarteten Teilnehmern an der 72. Stelle. War ich in Hinterwinkl noch auf Rang 214, so machte ich im Lauf des Tages Platz um Platz gut. Rund 150 Teilnehmer schaffen es diesmal leider nicht ins Ziel. Ein gerahmtes Foto vom Zieleinlauf steht gemeinsam mit der Finisher-Medaille als tolles Andenken bereit. Das Limit für die neuerliche Teilnahme an der Startplatz-Lotterie für den Western State 100 Endurance Run 2019 habe ich somit auch wieder in der Tasche.

Ich gönne mir nun einige Tage Laufpause. Die Wunden gehören geleckt. Meine rechte Zehe sieht sehr bemitleidenswert aus. Auch schmerzt die eine oder andere Sehne und Muskelverhärtungen und -mikrorisse gehören auskuriert.

Fazit:

Ich kann mein Fazit vom vergangenen Jahr bloß wiederholen. Dem Veranstalter ist ein riesengroßes Kompliment auszusprechen. Bereits seit Monaten wird laufend über Facebook informiert. Zu jedem Augenblick hat man das Gefühl, dass der Teilnehmer im Mittelpunkt steht. Die Strecke wartet mit unglaublich vielen optischen Highlights auf. Der Start und das Ziel inmitten der Salzburger Altstadt ist dazu ein genialer Kontrast zu den landschaftlichen Schönheiten und technisch schwierigen Trailpassagen.

Der Support lässt keine Wünsche offen. Die Streckenmarkierung ist herausragend. Ob Sprühmarkierung am Boden, montierte Hinweisschilder, geknüpfte Warnbänder, es wird auf der gesamten Strecke unmissverständlich die korrekte Laufrichtung angezeigt. Die gut gelaunten, motivierten Helfer des Veranstalterteams haben ebenfalls großen Anteil am Erfolg des mozart100.

16.06.2018: mozart100 / Salzburg - Laufbericht


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Montag, 7. August 2017

06.08.2017: Kainacher Bergmarathon - Laufbericht

Kainacher Bergmarathon
Kainach bei Voitsberg, eine 1700-Seelen-Gemeinde rund 35 Kilometer westlich von Graz, ist heute wieder Schauplatz des traditionellen Kainacher Bergmarathons. Der Berglauf weist eine Distanz von 44,5 Kilometer auf und ist mit 1800 positiven Höhenmetern gespickt. Eine wunderbare Laufstrecke mit tollen Trails und technischen Passagen wartet auf uns knapp 100 Einzelstarter. Auch Nordic Walker kommen hier auf ihre Kosten. Die Teilnahme am Bergmarathon als 3er-Staffel ist ebenfalls möglich.

Ich bin voller Vorfreude. Ich war bereits im Vorjahr hier und kenne die Vorzüge dieser großartig organisierten Laufveranstaltung. Ich weiß allerdings auch um die Strapazen die es zu ertragen gilt, bevor man sich hier als Finisher feiern lassen darf.

Vor einem Jahr habe ich für die überaus selektive Strecke 5 Stunden und 23 Minuten benötigt. Diesmal soll mir das Rennen als Testlauf dienen. Ich plane nämlich, im September an den steirischen Meisterschaften im Trailmarathon teilzunehmen. Und ich möchte mich in Stanz im Mürztal nicht blamieren. Daher fordere ich heute von mir eine Zeit von maximal 5 Stunden ein.

Die Abholung der Startunterlagen findet in bewährter Weise in der Volksschule Kainach statt. Hier stehen auch Umkleiden und Duschen zur Verfügung. Im Anschluss an den Lauf kann man sich hier die müden und geschundenen Beine massieren lassen. Im Startsackerl ist ein funktionelles Laufshirt, eine Eintrittskarte für die Therme Nova in Köflach sowie einige Produktproben enthalten. Die Zeitnehmung erfolgt per Chip von hightech timing.

Kurz vor 09.00 Uhr nehmen wir Startaufstellung. Ich trage meine Salomon-Weste. Bestückt habe ich sie mit 4 Gels, einigen Salztabletten und einer Softflask mit Wasser. Einigen Grußworten der Organisatoren folgt der Segen von Pfarrer Mag. Lembacher. Und schon geht es los! Die ersten zwei Kilometer führen Richtung Norden noch relativ flach aus dem Ort Kainach. Die Anstiege lassen aber nicht lange auf sich warten. Zuerst auf einem Wiesenweg, später auf Wald- und Schotterwegen geht es kontinuierlich nach oben.

Nach 5,5 Kilometer ist die erste Labe erreicht. Das schwüle Wetter lässt den Schweiß in Strömen fließen. Mein Wasservorrat ist bereits aufgebraucht. Ich fülle meine Flasche nach, drücke mir ein Gel in den Mund, spüle reichlich mit Wasser nach und nehme mir für den weiteren Weg einen Energie-Riegel mit. Am Steinbruch vorbei geht es weiter aufwärts. Ich benötige für die ersten 10 Kilometer 1 Stunde und 17 Minuten und bin im Vergleich zum Vorjahr um 4 Minuten schneller.

Nach 14 Kilometer ist die Zeissmann Hütte erreicht. 1000 Höhenmeter sind auf der Haben-Seite verbucht. Hier findet auch der erste Staffel-Wechsel statt. Entsprechend groß ist der Rummel. Die Speicher werden abermals mit Wasser, Iso und einigen Stücken Banane aufgefüllt. Während die Staffelläufer der ersten Etappe erschöpft zu Boden sinken und ihren Teampartner auf die Reise schicken, geht es auch für uns Einzelstarter unermüdlich dem höchsten Punkt der Strecke entgegen.

Weitere 3 Kilometer später habe ich den Roßbachkogel erreicht. Ich befinde mich auf rund 1700 Meter Seehöhe. Nun folgt der technisch sehr schwierige Abstieg zum Gleinalm-Schutzhaus, wo die nächste Labestelle wartet. Teils kniehohe Stufen auf ausgewaschenen, schmalen Pfaden erfordern höchste Konzentration. Ein Sturz hier in diesem unwegsamen Gelände kann schwere Verletzungen nach sich ziehen.

Kainacher Bergmarathon 2017 - Laufbericht
Über einen stark verwurzelten Waldweg führt die Strecke auf die Lipizzanerweide. Die Halbmarathonmarke ist nach 2 Stunden und 37 Minuten erreicht. Ich bin 9 Minuten schneller als bei meinem Antreten im letzten Jahr. Es schmerzt, aber es rollt. Großteils führt die Strecke nun talwärts, aber giftige Gegenanstiege und der mitunter sehr schwierig zu laufende Untergrund lassen kaum eine Verschnaufpause zu.

Plagten mich im Vorjahr in den Bergab-Passagen die Oberschenkelstrecker, so quälen mich diesmal meine blauen Zehen; ein Souvenir vom mozart100.

Beim Alpengasthof Krautwasch ist die zweite Wechselstation eingerichtet. Bevor es auf das letzte Drittel der Strecke geht, labe ich mich abermals mit ausreichend Flüssigkeit. Weiterhin verlangt die Strecke von mir alles ab. Moderat fallende und gut zu laufende Wald- und Schotterwege nähren die Hoffnung, den Lauf tatsächlich in 5 Stunden zu finishen. Jedoch tauchen auch immer wieder völlig unerwartet steile Gegenhänge auf, die die Zeit im Nu verrinnen und die Aussicht auf ein sub5 schwinden lassen. Zwischen Hoffen und Bangen habe ich die Kilometermarke 35 erreicht. Ich bin seit 4 Stunden und 3 Minuten auf den Beinen. Ganze 17 Minuten schneller als vor einem Jahr.

Es geht dem Ziel entgegen. Trails sind einer asphaltierten Straße gewichen. Steil abwärts geht es dem Ort Kainach entgegen. Trotz schmerzender Zehen kann ich hier die Kilometer deutlich unter 5 Minuten laufen. Aber es ist noch nicht geschafft, denn es erwartet mich noch die sogenannte Sadisten- oder Friedhofsschleife. Warum diese Bezeichnung? Obwohl das Ziel zum Greifen nahe und in Sichtweite ist, fordert die Streckenführung noch eine Schleife mit einigen zusätzlichen Höhenmetern.

Hier schickt sich mein rechter Oberschenkel an, verkrampfen zu wollen. Ich muss eine Gehpause einlegen. Ich bin kraftlos, ausgepowert, erschöpft. Zwei Mitstreiter ziehen an mir vorbei. Aber auch diese Anhöhe ist irgend wann geschafft und ich befinde mich auf dem letzten Kilometer.

Kurze Zeit später werde ich vom Moderator namentlich mit Vereinszugehörigkeit angekündigt und laufe über die Ziellinie. Geschafft! Ein kleines Jubiläum: Es war heute mein zehntes Marathon- oder Ultrafinish! Die Zeit? 5 Stunden und 58 Sekunden; gute 20 Minuten Steigerung zum Vorjahr! Ich bin zufrieden. Unter 97 Startern bin ich auf dem 32. Gesamtrang klassiert und erreiche den 5. Platz in meiner Altersklasse.

Fazit

Der Lauf hat auch heuer wieder gehalten, was ich mir versprochen und wie ich ihn in Erinnerung hatte. Der Kainacher Bergmarathon, vom TUS Kainach, der Sektion Leichtathletik und Triathlon organisiert, ist immer eine Reise wert. Eine tolle Organisation, gepaart mit einer landschaftlich wunderbaren, wenngleich sehr anspruchsvollen Trail-Strecke, erfreut hier in Kainach bei Voitsberg das Herz des Berglauf-Freundes.

06.08.2017: Kainacher Bergmarathon - Laufbericht


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