Samstag, 7. November 2020

07.11.2020: Grabenlandtrail südliche Schleife - Laufbericht

Grabenlandtrail Holztafel
LAUFEN AM GRABENLANDTRAIL!
Um 04:30 Uhr starte ich mit zwei Tassen Kaffee in den Tag. Ich befülle zwei Softflasks mit Wasser, nehme mir die bereits am Vorabend mit allem Notwendigen bestückte Laufweste und fahre mit dem Auto zum Etappenziel nach Kirchbach in der Südoststeiermark, wo ich mein Fahrzeug am Parkplatz der dortigen Mehrzweckhalle abstelle.

Es ist kalt! Der Wetterfrosch prognostiziert für heute zwar stabiles Hochdruckwetter mit Temperaturen im zweistelligen Plus-Bereich, aber jetzt am frühen Morgen zeigt das Thermometer lediglich ein halbes Grad über den Gefrierpunkt an. Ich laufe trotzdem in Shorts. Die Beine sind nicht allzu kälteempfindlich. Meinen Oberkörper wärmt ein Longsleeve und darüber ein Shirt. Haube, Handschuhe und ein Schlauchtuch um den Hals dürfen auch nicht fehlen. Die Waden werden mit Kompressionsstrümpfe warm gehalten. Und dunkel ist es auchl! Die Petzl Nao+ leuchtet mir jedoch mit ihren maximal 750 Lumen zuverlässig den Weg. Gut zwei Kilometer und 100 Höhenmeter sind es als "warm up" bis zu jenem Punkt, wo ich vor zwei Jahren den Grabenlandtrail verlassen und abgekürzt habe, um ab Kirchbach auf der Originalstrecke zurück nach Fernitz-Mellach zu laufen. 

Heute liegen rund 80 Kilometer mit ungefähr 1400 positiven Höhenmetern vor mir. Ich laufe nicht gerne planlos, daher definiere ich eine Laufzeit von 10 bis 11 Stunden als Richtwert. Mir scheinen jeweils 10 Kilometer in 1 Stunde und 15 Minuten machbar. Brutto wohlgemerkt, also inklusive der Verpflege- und Fotostopps, kleinerer Umwege ...). Das würde letztendlich eine Gesamtlaufzeit von 10 Stunden ergeben.

Exakt um 06:03 Uhr starte ich mein Projekt, die südliche Schleife des Grabenlandtrails zu belaufen.
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Im Wanderführer wird der Grabenlandtrail folgendermaßen beschrieben: 

Grabenlandtrail
"Der Grabenlandtrail ist ein Rundwanderweg mit einem Zugang aus Fernitz für den Grazer Raum. Wenn Sie der Markierung folgen, sind Sie nach 130 km wieder an Ihrem Ausgangspunkt. Die Wegweiser und die Markierung sind im Uhrzeigersinn ausgelegt. Auf der Strecke durchwandern Sie 18 Gemeinden (gezählt vor der Gemeindefusion) und auf 22 Infotafeln werden Ihnen die Gemeinden und Besonderheiten der Gegend näher gebracht. Im Wanderführer sind Land und Leute sowie Naturbesonderheiten beschrieben und die Stempelstellen in den einzelnen Gemeinden genannt ..."

Aufmerksam wurde ich auf den Grabenlandtrail schon vor einigen Jahren durch einen großen Übersichtsplan inmitten des Erzherzog-Johann-Parks meiner Wohnsitzgemeinde Fernitz-Mellach. Hier nimmt der Wanderweg seinen Ausgang  und führt über St. Ulrich, Heiligenkreuz am Waasen, Schwarzau-Ursprung, St. Stefan im Rosental, Jagerberg, Weinburg bis nach Mureck sowie über St. Nikolai, Wolfsberg, Glojach, Kirchbach, Frannach und Allerheiligen wieder zum Ausgangspunkt nach Fernitz-Mellach zurück.
*Grabenlandtrail südliche Schleife

Es liegt also ein Ultratrail quasi direkt vor meiner Haustüre. Ich nehme mir damals zwar vor, den Grabenlandtrail irgend wann in seiner vollen Länge nonstop zu laufen, jedoch zwingen mich zunehmende Probleme mit meinem rechten Knie dazu, die ultralangen Kanten mit Bedacht zu wählen. Daher entscheide ich, den Grabenlandtrail in zwei Etappen zu belaufen.

Die nördliche Schleife des Grabenlandtrails bin ich im Jahr 2018 gelaufen. Damals startete ich in Fernitz-Mellach, lief die Strecke bis auf Höhe Dörfla (Schliergraben Weg), kürzte ab und lief  über Kirchbach die Originalstrecke bis nach Fernitz-Mellach zu Ende. Die Streckenlänge betrug rund 57 Kilometer. Wie es mir damals auf der nördlichen Schleife des Grabenlandtrails ergangen ist, kann hier nachgelesen werden: 
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Zum Laufgeschehen: Zum Unterschied von organisierten Laufevents bin ich heute auf mich allein gestellt. Was ich für die kommenden Stunden benötige, habe ich im Laufrucksack mit dabei. Wasser plane ich, unterwegs an Trinkwasserbrunnen nachzufüllen. Zudem liegen in Jagerberg, Mureck oder Wolfsberg im Schwarzautal Lebensmittelgeschäfte unmittelbar an der Strecke.

Ein paar Worte zur Verpflegung: Ich benötige pro Laufstunde rund 200 Kalorien. Das sind zum einen wichtige 100 Kalorien, um die Fettverbrennung am Laufen zu halten. Die restlichen Kalorien sollen das Energiedefizit ein wenig minimieren. Zur Abdeckung dieser Mindesterfordernisse an Kalorien sorgen Energy-Gels und -Riegel meines Vertrauens. Ganz gerne knabbere ich auch eine herzhafte Knabbernossi. Unterwegs werde ich mich mit einer Salami- oder Käsesemmel belohnen.

Ich packe meinen Koffer meine "Ultimate Direction Mountain Vest" und nehme zusätzlich mit: zwei Softflasks mit Wasser, ein Erste-Hilfe-Set, ein paar Euro Bargeld, den Ipod, ein Kurzarm- und Langarm-Shirt, ein Ersatz-Schlauchtuch, eine Cap, die Regenjacke, das Smartphone, Taschentücher, eine MNS-Maske und einen Müllsack. Die Ersatzkleidung schütze ich in wiederverschließbaren Frischhaltebeuteln vor Nässe und Schmutz.

Im Ziel erwartet mich heute keine Finishermedaille, statt dessen habe ich "Wander/Lauf"-Nadeln in Aussicht: Zum einen die Nadel für das erfolgreiche Meistern des Grabenlandtrails, zum anderen die Nadel für das erfolgreiche Belaufen des Schwarzautaler Höhenweges, der mit einem Streckenabschnitt des Grabenlandtrails identisch ist. Dank meiner Mami liegen die beiden - wie ich meine sehr gelungen gestalteten - metallischen Wertschätzungen bereits bei mir zu Hause. Jetzt heißt es, sie zu verdienen!

Die ersten Kilometer sind vorwiegend auf Asphalt zu laufen. Es ist ungewohnt, sich im Schein der Stirnlampe mit Hilfe der Wanderwege-Markierungen zu orientieren. Grundsätzlich ist der Grabenlandtrail durch markante Holztafeln mit dem Schriftzug "Grabenlandtrail" und den Wegschildern mit den Nummern 790, 791 oder 792 durchgehend gekennzeichnet. Für eine zielsichere Orientierung habe ich zusätzlich den GPS-Track auf meine Laufuhr geladen.

Ich laufe nicht allzu gerne auf unbekannter Wegstrecke in der Dunkelheit. "Aber bald wird die Sonne aufgehen, die Welt mit ihrem Licht erhellen und mich zudem wärmen", ermutige ich mich. Ich erschrecke kurz, als mich im Lichtkegel meiner Stirnlampe unzählige Augenpaare anstarren. Tief durchatmen! Es ist nur eine Herde Schafe. Nach einer kurzen Diskussion darüber, wer von uns das größere Schaf ist, trabe ich weiter. 

Ich laufe einen leicht fallenden Waldpfad hinter einem Nebengebäude hervor. Das mag ich gar nicht, hinterrücks in besiedeltem Gebiet aufzutauchen. Groß ist mein Respekt vor freilaufenden Hofhunden. So viel vorweg: Ich habe den ganzen langen Tag keinen Kontakt mit frei laufenden Hunden. Nach rund 2,5 Kilometer führt mich der Wegweiser auf einen Waldweg, der nach kurzer Zeit im Dickicht endet. Dank des Tracks auf meiner Laufuhr finde ich mich kurze Zeit später auf dem richtigen Weg wieder. Im Laufe des Tages werden sich solche "Bonus-Meter" auf rund 3 Kilometer summieren.

St. Stefan im Rosental liegt hinter mir. Der erste nennenswerte Anstieg steht unmittelbar bevor. Ich erspähe hoch oben in den Weinbergen die Marienkapelle. Ich laufe die Steigung locker und langsam aufwärts. Die Energie will bei einem Ultratrail mit Bedacht eingesetzt werden. Apropos Energie: Mein Fettverbrennungsmotor benötigt regelmäßig Treibstoff. Nach rund 8 Kilometer mache ich daher kurz Halt, verstaue auch gleich die Stirnlampe im Rucksack und spüle mir ein Energy-Gel mit reichlich Wasser in den Magen. 

Leider laufe ich nach wie vor fast ausschließlich auf asphaltierten Straßen, sodass ich erste Zweifel an der getroffenen Schuhwahl habe. Ich trage den Inov8 Trailtalon 290, also einen für Ultrastrecken konzipierten Trailschuh. Bislang wäre ich mit einem Straßenlaufschuh besser beraten gewesen. 

Der Sonnenaufgang ist ein großartiges Naturschauspiel. Ein Klapotetz im Vordergrund, aus dem Talboden aufsteigende Nebelschwaden, dazu der blaue Himmel und das Morgenrot verleitet mich zu einem Fotostopp. Zahlreiche weitere werden heute noch folgen.

Entlang des Saßtal-Kammweges geht´s sehr wellig dahin. Also Riedel obi, Riedel auffi, wie es so schön im südsteirischen Dialekt heißt. Ich erhasche nach Norden blickend eine wunderbare Sicht auf die Kapelle von Glojach. Der Grabenlandtrail führt direkt an ihr vorbei. Harter Tobak zu wissen, dass es bis dorthin noch rund 63 Kilometer sind. Aber im Moment ich bin guter Dinge. Die Temperaturen steigen, die Aussicht ist berauschend und der Körper signalisiert Lauffreude.

Nach 15 Kilometer habe ich Jagerberg erreicht. Hier finde ich einen Trinkwasserbrunnen vor und fülle meine Flüssigkeitsvorräte auf. Es geht dem Schlegelberg hoch. Entlang des Kammweges laufe ich weiter südwärts. Immer wieder treffe ich auf eine der 22 Infotafeln, die entlang des Grabenlandtrails über Wissenswertes der jeweiligen Region berichten. Ich kreuze den offenbar ebenfalls gut ausgeschilderten Wein- und Wasser-Weg. Ich bin mit der Aussicht auf ein gutes Glas Weißburgunder kurz verleitet, dem Pfeil Richtung Wein zu folgen. Aber erstens ist es für Alkohol noch viel zu früh und vielleicht treffe ich auch nur auf Wasser. Das habe ich selbst dabei. Nach kurzem Zwiegespräch bleibe ich dem Grabenlandtrail treu.

Endlich wird der Anteil an Forst-, Wiesen- und Schotterwegen höher. Gerade auf Waldwegen liegt teils zentimeterhohes Laub, was für einen gedämpften Fußaufsatz sorgt und unter den Laufschuhen raschelt. Herrlich! Als ich einen Hohlweg bergab laufe, vernehme ich im Augenwinkel ein davonhuschendes, felliges Tier mit buschigem Schwanz. Ich meine, einen Rotfuchs gesehen zu haben. Ich liebe es, in der Natur zu laufen. Ich liebe das Traillaufen!

Ein emotionales Highlight ist zweifelsohne der Kreuzweg in Höfla. Auf gut zwei Kilometer erzählen entlang eines Weges durch den Wald 14 liebevoll gestaltete und penibel gepflegte Stationen den Leidensweg Jesus. Demütig und dankbar dafür, dass meine Familie gesund ist, wir krisensichere Jobs haben und daher bislang sehr gut durch diese sehr merkwürdige, durch das Corona-Virus geprägte Zeit gekommen sind, setze ich mit Bedacht meine deutlich verlangsamten Laufschritte.

Ich bin in Weinburg am Saßbach angekommen. Die Strecke führt unmittelbar am Schloss Weinburg vorbei. Urkundlich wurde das auf einer Anhöhe in der Murebene errichtete Schloss erstmals 1278 erwähnt.

Auf Wiesen- und Feldwegen nähere ich mich Mureck, dem südlichsten Zwischenziel des heutigen Tages. Gedankenverloren trabe ich dahin. Gut, dass das Vibrieren meiner Uhr mich auf eine Abweichung von der Strecke hinweist. Nach der Ölmühle Sixt bin ich falsch abgebogen. Ich nutze die Gelegenheit, um meine verschwitzte Oberbekleidung gegen ein Kurzarm-Shirt zu wechseln. Auch die Haube weicht einer Cap. Die durchnässten Klamotten wandern - verpackt im Müllbeutel - in den Rucksack.

Ich trabe locker zur falsch genommenen Abzweigung zurück, quere den Saßbach und laufe an einer Teichanlage vorbei. Die Namensgebung der Teiche entlockt mir ein Schmunzeln: Mondteich, Sixtlacke und Apolloteich heißen sie. Mittlerweile habe ich 35 Kilometer hinter mich gebracht und meine Beine fühlen sich nach wie vor recht frisch an. Zeitlich bin ich mit 4:08 Stunden voll im Plan. 

Die Stadtgemeinde Mureck ist erreicht. Unmittelbar an der Strecke liegt die Bäckerei Wisiak. Ich nutze die Gelegenheit zur Einkehr und gönne mir einen "coffee to go run", dazu ein Topfentascherl. Auch stilles Mineralwasser ist im Angebot, sodass ich mich nach der kurzen Kaffeepause mit gutgefüllten Softflasks auf den weiteren Weg machen kann. Ich treffe auf die Mur. Auf der gegenüberliegenden Seite ist slowenisches Staatsgebiet. Die Staatsgrenze verläuft inmitten des Flusses.

Im linken Ufergehölzstreifen der Mur geht es für ungefähr 2,5 Kilometer gegen die Fließrichtung Richtung Westen. Schotterwege wechseln sich hier im Auwald der Mur mit Singletrails ab. Eine Übersichtstafel informiert über die hier heimischen Gehölze. Ein großartig laufbarer Streckenabschnitt.

Ich bin bei der Mündung des Schwarzaubaches in die Mur angelangt. Ich erinnere mich zurück, als ich vor zwei Jahren die nördliche Schleife des Grabenlandtrails gelaufen bin und am Schwarzau-Ursprung Halt gemacht habe. 40 Kilometer weiter fließt die Schwarzau nun in die Mur. Und ziemlich genau 40 Kilometer habe auch ich heute noch vor mir. Ich folge nun in nördlicher Richtung für viele Kilometer den Schwarzaubach. Eine in die Jahre gekommene Holzbrücke ist zu überlaufen. Einige Bretter sind schon morsch und große Lücken klaffen auf. 

Eine Infotafel in der Nähe von Murfeld ist dem Schwarzaubach und dem Grabenland gewidmet. Darauf ist unter anderem zu lesen, dass das Grabenland ein uraltes Kulturland und eine jahrhundertealte Bezeichnung für das Gebiet zwischen Grazer Feld und Radkersburg ist, welches zur Mur hin entwässert wird. Auch über die Schwarzau steht allerhand Wissenswertes auf der Schautafel.

Nur ab und zu weicht der Grabenlandtrail vom Schwarzaubach ab, um einen Abstecher in die eine oder andere Ortschaft zu machen. Ich kann mich nach wie vor am bunten Blättermeer kaum satt sehen. Kilometer 50 ist erreicht. Ich bin seit gut 6 Stunden unterwegs. Nach wie vor schnurrt mein Laufmotor zufrieden. Vor Pichla ist der Wanderweg der Ackernutzung zum Opfer gefallen. So muss ich auch hier einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Dafür hat man hier in Pichla als Bewanderer (oder Beläufer) des Grabenlandtrails das Privileg, ein Stück des Weges nutzen zu dürfen, obwohl ein Schild zu erkennen gibt, dass grundsätzlich ein Betretungsverbot besteht. Ausdrücklich ausgenommen von dieser temporären Ausnahme sind jedoch Bewohner der KG Pichla. Wie auch immer, warum auch immer: Ich darf hier lang!

Ich laufe durch Perbersdorf und Lipsch und nehme Kurs auf St. Nikolai ob Drassling. Meine Flüssigkeitsreserven sind aufgebraucht. Ich weiß zwar, dass mich in Wolfsberg im Schwarzautal ein Lebensmittelmarkt erwartet, aber bis dahin sind es noch einige Kilometer. Ich erhoffe mir in St. Nikolai einen Trinkwasserbrunnen und tatsächlich erfahre ich von einer freundlichen Dame, dass es - unweit der Strecke beim Feuerwehrhaus - einen solchen gibt. Diese paar hundert Meter Umweg nehme ich gerne in Kauf. Gut hydriert mache ich mich auf, um die verbleibenden rund 23 Kilometer hinter mich zu bringen.

Was mir in Pichla noch erlaubt war, scheint hier verboten zu sein. Seit 60 Kilometer laufe ich auf dem Grabenlandtrail und nun versperrt mir ein großes Eisengittertor den Zutritt auf eine dahinterliegende Wiese, über die augenscheinlich der offizielle Grabenlandtrail führt. Am Tor ist ein Schild mit dem Hinweis "Privatweg! Durchgang verboten!" montiert. Ich laufe ein paar Meter zurück, aber nicht nur mein GPS-Track weist mir hier her den Weg. Auch die montierten Wanderweg-Hinweisschilder zeigen unmissverständlich in Richtung Gittertor. Ich möchte gerne jemanden fragen, wie ich diesen Streckenabschnitt am Besten umlaufen kann. Aber ich treffe gerade niemanden an. Ich gehe zurück zum Eisentor. Das Eisentor ist unversperrt. Die Wiese scheint nicht rundum eingezäunt. Was tun? Ich bin seit über 7 Stunden auf den Beinen. Mein Gehirn arbeitet im reduzierten Modus. Ich entschließe mich, das Gittertor zu öffnen (und natürlich auch wieder zu schließen) und meinen Lauf auf der Originalstrecke fortzusetzen. Ich nehme mir vor, morgen dem Grundeigentümer eine Nachricht senden, ihm die Situation zu schildern und mich für mein Verhalten zu entschuldigen. Ebenso werde ich die Gemeinde ersuchen, einen alternativen Weg zu beschildern.

Ein mäßig steiler Waldpfad führt nach Matzelsdorf hoch. Danach folgt ein zum Glück seltener gewordener Abschnitt auf Asphalt. Das Gelände ist zunehmend kupiert und so werden wieder einige Höhenmeter gesammelt. Mitten durch den Wald, aber ganz ausgezeichnet markiert, verläuft der Grabenlandtrail hinab nach Wolfsberg im Schwarzautal. Auf das hiesige Lebensmittelgeschäft bzw. auf die Semmel mit Salami und Käse freue ich mich seit geraumer Zeit. Neben der "best salami roll ever " kaufe ich mir eine kleine Flasche Cola sowie stilles Mineralwasser und ein Gatorade für meine Trinkflaschen. Auch was Süßes darf nicht fehlen. Nach einer rund 10-minütigen Labepause fühle ich mich für den finalen Streckenabschnitt bestens gerüstet.

Steil geht es dem Kogelweg hinauf. Am Kamm angelangt, wird mir etwas kühl. Ich entscheide mich für einen weiteren Kleiderwechsel. Das Shirt folgt den durchnässten Sachen in den Rucksack und ich streife mir ein trockenes, wärmendes Langarmshirt über. Weitere wunderbare Kilometer über Waldwege folgen. Inmitten des Waldes hat mir jemand zwei Stühle für die Rast bereit gestellt. Wer mich kennt weiß jedoch, dass ich es liebe, alleine zu laufen. Daher hätte ein Sessel gereicht. Aber für eine Pause ist jetzt ohnehin nicht die Zeit! Kilometer 72 ist erreicht. Seit 9 Stunden und 22 Minuten bin ich auf den Beinen. Ich habe einen guten Blick auf die Glojacher Kapelle, mein nächstes und letztes mentales Zwischenziel. Mir geht es nach wie vor recht gut. Klar zwickt und zwackt es mal hier, mal da, aber nennenswerte Beschwerden habe ich keine. Der Weg führt über Stufen und quer über eine Wiese nach oben. Ich wechsle bergauf in den Gehschritt.

Ich bin bei der Dreifaltigkeitskapelle in Glojach angelangt. Ich halte kurz inne, genieße die wunderbare Aussicht und laufe dann über Wiesenpfade, Waldwege und Gemeindestraßen in den Talboden von Tagensdorf. Zuvor informiert am Sonnenberg eine weitere Infotafel über "Interessantes am Weg".

Es wird dämmrig, als ich an einem Wildgatter die letzten Höhenmeter abwärts trabe. Ich erblicke bereits den Kirchturm von Kirchbach im Sonnenuntergang. Noch 4 Kilometer! Ich mache in Maierhofen einen letzten Stopp, um die Stirnlampe wieder in Betrieb zu nehmen. Es ginge zwar noch ohne dem künstlichen Licht, aber ich will nicht nur selbst gute Sicht haben, sondern vor allem in den Dämmerstunden auch von Mitmenschen, Auto- und Radfahrern gut gesehen werden! Entlang des Zerlachbaches laufe ich über einen breiten Begleitweg auf mein Ziel zu. Ich bin in Kirchbach angelangt. Nach wenigen hundert Metern auf Gehsteigen durch den Ort ist es geschafft!

Nach 10 Stunden und 57 Minuten bin ich in Kirchbach an dem Punkt angelangt, an dem ich 2018 die nördliche Schleife über Frannach, Allerheiligen bei Wildon nach Fernitz-Mellach fortgesetzt habe. Knapp 83 Kilometer war ich heute auf den Beinen. Nun bin ich in zwei Etappen den gesamten Grabenlandtrail belaufen und habe ein weiteres Projekt meiner "Ultrarun-Bucket-Liste" erfolgreich abgeschlossen.

Fazit: Der Grabenlandtrail war es auf jeden Fall wert, belaufen zu werden. Gerade die östliche Route bietet prachtvolle Fernsicht. Zwar verdient nicht jeder Streckenabschnitt die Bezeichnung "Trail", da der Anteil an asphaltierten - aber zum Glück kaum befahrenen - Nebenstraßen doch recht hoch ist, aber immer wieder gibt es wunderbare Kilometer, die das Herz eines Trailläufers höher schlagen lassen. Letztendlich hat sich meine Schuhwahl als richtig herausgestellt. Auf manch steilen Wald- und Wiesenpfaden wären Straßenlaufschuhe an ihre Grenzen gestoßen.

Grundsätzlich ist der Grabenlandtrail sehr gut markiert. Gut zu wissen ist, dass man den Wegnummern 790, 791 und 792 zur Orientierung folgen muss, denn die markanten Grabenlandwegweiser aus Holz sind lediglich an wichtigen Abzweigungen montiert. Da in St. Nikolai ob Drassling der Wanderweg auf einem kurzen Teilstück widerrufen wurde, sollte mit einer alternativen Wegstrecke Abhilfe geschaffen werden. Auf jeden Fall ist all Jenen zu danken, die mit der Instandhaltung der Markierungen viel Arbeit auf sich nehmen bzw. natürlich auch ein Dank an die jeweiligen Grundbesitzer, die ihre Grundstücke der Öffentlichkeit zugängig machen. Wer die technischen Voraussetzungen hat, sollte sich die Vorteile des GPS-Track zu Nutze machen.

Trinkwasserbrunnen und Labemöglichkeiten sind entlang der Strecke ausreichend vorhanden. Öffentliche Wasserbrunnen sind zum Beispiel in Heiligenkreuz am Waasen, Jagerberg, St. Nikolai ob Drassling, Allerheiligen bei Wildon errichtet. Auch Lebensmittelgeschäfte finden sich in Mureck, Wolfsberg im Schwarzautal oder in Kirchbach unmittelbar an der Strecke wieder. Ganz abgesehen von den Buschenschänken, bei denen man sich mit wenig Umweg laben kann. Ich habe mit zwei Softflasks zu je 0,5 Liter Fassungsvermögen recht gut das Auslangen gefunden.

Für Wanderer: Auf der Infotafel in Fernitz-Mellach ist in Summe eine Gehzeit von 31 Stunden angegeben, was durchaus ambitioniert erscheint. Möchte man die gesamten 133 Kilometer des Grabenlandtrails durchwandern, sollte die Strecke wohl auf 4 Tagesetappen aufgeteilt werden.

07.11.2020: Grabenlandtrail südliche Schleife - Laufbericht


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