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Sonntag, 20. Oktober 2024

20.10.2024: Wolfgangseelauf (Marathondistanz) - Erlebnisbericht

Wolfgangseelauf
Er ist Namensvetter und hat im selben Jahr wie ich das Licht der Welt erblickt: Der Wolfgangseelauf! Heuer wurde zudem eine antik gestaltete Finisher-Medaille mit dem Portrait des Hl. Wolfgang in Aussicht gestellt, dessen 1.100-Jahr-Jubiläum gefeiert wird. Das waren Gründe genug, um den Wecker auf 05:00 Uhr zu stellen und nach zwei Tassen Kaffee Richtung Salzkammergut zu fahren.

Der 52. Int. Wolfgangseelauf bietet mittlerweile eine Vielzahl von Bewerben an. Dennoch gilt als "Klassiker" weiterhin jene 27 Kilometer lange Strecke, die ihr Debüt vor 52 Jahren am 27. Oktober 1972 gefeiert hat. Eingebettet zwischen dem Zwölferhorn und dem Schafberg, führt die Strecke größtenteils unmittelbar am Wolfgangsee entlang und ist landschaftlich sehr ansprechend. So ist es nicht verwunderlich, dass laut Veranstalter der Wolfgangseelauf zu den beliebtesten Läufen Europas zählt. Mehr als 100.000 Läuferinnen und Läufer nahmen demnach bei diesem Lauf, der die Bundesländer Oberösterreich und Salzburg verbindet, bisher teil.

Seit dem Jahr 2011 wird auch die klassische Marathon-Distanz angeboten. Der Marathon-Start erfolgt dabei in Bad Ischl, der europäischen Kulturhauptstadt 2024, und mündet nach knapp 13 Kilometer in den Originalkurs des 27-km-Klassikers.

Ich habe mich entschieden, die 42,2 Kilometer lange Marathon-Strecke in Angriff zu nehmen. Das Startgeld ist human. Neben der Startnummer samt Zeitnehmung, der exklusiven Finisher-Medaille, der Verpflegung entlang der Strecke und im Zielbereich, einem Gutschein für die "Griaß Eich" - Eröffnungsfeier mit Pasta-Party, dem Wolfgangseelauf-Magazin, einer Postkarte sowie einigen Werbebeigaben, wird auch ein Shuttle-Transport zwischen Bad Ischl und St. Wolfgang angeboten. Ein Parkplatz in Bad Ischl ist in den frühen Morgenstunden rasch gefunden. Erfreulicherweise ist das Parken am Sonntag zudem gebührenbefreit. Nach dem Zieleinlauf in St. Wolfgang werde ich den Bus-Voucher nutzen, um wieder zurück zum Fahrzeug zu gelangen. Auch ein Gepäcktransport ist im Startgeld inkludiert, der meine frischen Klamotten nach St. Wolfgang bringt.

Wolfgangseelauf Wolfgang Kölli
Die Sonne lacht bereits vom Himmel und die Temperaturen liegen kurz vor dem Start schon deutlich über 10 Grad Celsius. Die Wettervorhersage verspricht auch im Verlauf des Tages beinahe ungetrübten Sonnenschein und spätsommerlich warme 20 Grad Celsius. Um Punkt 09:15 Uhr fällt der Startschuss. Gemeinsam mit weiteren rund 220 Läuferinnen und Läufern Läufern mache ich mich auf dem Weg Richtung Wolfgangsee. Auf Schotterwegen, asphaltierten Straßen und Wiesenpfaden verfliegen die ersten Kilometer im Nu.

Nach knapp 13 Kilometern ist der Wolfgangsee erreicht. Hier belaufen wir nun drei Kilometer jenes Streckenabschnittes nach St. Wolfgang, der uns am Ende der Marathondistanz noch einmal bevor steht. 

Timing ist alles! So durchlaufe ich St. Wolfgang just in dem Moment, als der 27-km-Klassiker gestartet wird. Völlig unvorbereitet finde ich mich in einem dichten Gewusel vieler, vieler Läuferbeine wieder. Zum Glück ist die Straße hier breit genug, sodass meist ein müheloses Überholen möglich ist.

Der Anstieg zum Falkensteinsattel erfolgt über einen punktuell recht steilen, felsigen und mit losem Schotter überdeckten Pfad. Innerhalb eines Kilometers sind hier rund 200 Höhenmeter zu überwinden. Ich bin durch meine Teilnahmen an Ultratrails auf Höhenmeter sehr gut vorbereitet und so kann ich auf diesem Abschnitt viele Läufer überholen. Am höchsten Punkt der Strecke haben sich tatsächlich einige Zuschauer versammelt und spenden Applaus. Talwärts bereitet die stark abschüssige Strecke mit dem labilen Schotteruntergrund den Teilnehmern in den meist profilarmen Straßenlaufschuhen teils große Probleme. Ich lasse es rollen und minimiere damit die Rutschphasen. Diesen Streckenabschnitt - vorbei an der Falkensteinkirche - kenne ich von meinen Teilnahmen am Mozart100. Unten im Talboden angekommen, laufe ich eine wunderschöne Passage am Seeufer Richtung St. Gilgen.

Ein Wort zu den Labestationen: Sie sind in mehr als ausreichenden Abständen platziert, werden von vielen freundlichen Helferinnen und Helfern betreut und bieten mit Wasser, Iso, Tee, Obst und Brot alles Notwendige. Gegen Ende des Laufes hätte ich mich über eine Cola oder ein Stück Kuchen gefreut, aber das ist ein persönliches Bedürfnis und Jammern auf hohem Niveau.

Am Südufer führt die Strecke nach Gschwendt. 30 Kilometer habe ich hinter mich gelassen. Bisher habe ich ziemlich auf´s Tempo gedrückt und bin die allermeisten Kilometer unter 5 Minuten gelaufen. Nun wird es Zeit für Foto-Stopps. Immerhin wollte ich die landschaftliche Schönheit dieses Laufs genießen und habe mir im Vorfeld eine Finisher-Zeit von 4 Stunden zum Ziel gesetzt. Ich reduziere das Tempo deutlich und laufe einen schattigen Schotterpfad durch des Blinklingmoos Naturschutzgebiet. Kurze Zeit später treffe ich im Ort Strobl ein. Generell ist in den Orten das Zuschauerinteresse groß und die Läuferinnen und Läufer werden gebührend gefeiert. So werden wir auch hier in Strobl lautstark angefeuert.

Mein linker Laufschuh drückt im Knöchelbereich und bereitet zunehmend Schmerzen. Dieses Problem kommt sehr überraschend, denn grundsätzlich haben sich meine Schuhe über viele lange, beschwerdefreie Läufe mein größtes Vertrauen verdient. Aber nicht nur der Knöchel, auch die Muskeln tun mittlerweile weh und ich bin schon recht müde. Für meinen Kopf sind das ausreichend Gründe, um das Tempo weiter zu drosseln. Heute folge ich ausnahmsweise dem Rat des Geistes, zumal mir der Blick auf die Uhr verrät, dass einem Finish unter der angestrebten 4-Stunden-Marke nichts im Wege stehen wird. Auf den letzten drei Kilometern wechseln sich Laufschritt, Gehpausen und Foto-Stopps somit ab. 

Der Zielort St. Wolfgang ist erreicht. Unglaublich, wie viele Zuschauer hier die Strecke säumen und aufmunternden und wertschätzenden Applaus spenden. Vielen Dank für die großartige Unterstützung und Anerkennung! Nach 3 Stunden und 57 Minuten ist es geschafft und ich überlaufe zufrieden die Ziellinie. Hätte ich gewusst, dass ich um bloß eine Minute den Sprung auf das Altersklassen-Podest verpasse! So eine schöne Glastrophäe hätte ich mein Eigen nennen dürfen! Hätte, hätte, Fahrradkette! Der kleine Ärger wehrt nur kurz. Stattdessen ziehe ich ein überaus positives Fazit und bin froh, als ein im Jahr 1972 geborener Wolfgang hier und heute den Wolfgangseelauf bestritten zu haben. Die landschaftlich schöne Strecke und die ausgezeichnete Organisation dieses etablierten Laufevents kann ich vorbehaltlos weiterempfehlen.

Bleibt gesund und habt schöne Läufe!

20.10.2024: Wolfgangseelauf (Marathondistanz) - Erlebnisbericht


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Sonntag, 7. April 2024

07.04.2024: 8. Lindkogeltrail - Laufbericht

Wenn bloß das frühe Aufstehen nicht wäre! Aber der Wecker hat kein Erbarmen und so klingelt er mich um 04:30 Uhr aus dem Bett. Schlaftrunken wanke ich zur Kaffeemaschine und erledige nach zwei Tassen Kaffee die letzten Handgriffe, bevor ich mich auf den Weg nach Bad Vöslau mache, wo um 07:30 Uhr der Startschuss zum Lindkogeltrail fällt. Bereits zum 4. Mal bin für den Ultra Trail genannt. 54,5 Kilometer mit 2.370 Höhenmeter stehen mir bevor.

Parkmöglichkeiten stehen in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort reichlich zur Verfügung. Hier am Vorplatz des Thermalbades Vöslau sind bereits alle Vorkehrungen getroffen, um ein gelungenes Trailrunning-Fest zu feiern. So sind der Start- und Zielbogen samt Matten für die Zeitnehmung aufgebaut. Die Kleiderabgabe und Startnummernausgabe sind eingerichtet. Tische und Bänke für das gemütliche Beisammensitzen nach dem Zieleinlauf sind aufgestellt. 

Die Abholung der Startnummer 53 ist rasch erledigt. Die 40 Minuten bis zum Start würde ich gerne nutzen, um noch eine Tasse schwarzen Muntermacher zu trinken. Leider wird gastronomisch um diese Uhrzeit noch nichts angeboten.

Es hat aktuell rund 10 Grad. Prognostiziert sind heute jedoch Höchstwerte von rund 30 Grad bei wolkenlosem Himmel. Diese hohen Temperaturen so früh im Jahr werden für manche Teilnehmer eine große Herausforderung werden. Ich selbst vertrage die Hitze recht gut. Nicht zuletzt dank der vielen Trainingsläufe, die ich schon seit Jahren auch immer wieder bei hohen Temperaturen absolviere. Von nichts kommt nichts, heißt es so schön. An den Füßen trage ich die Trailschuhe meines absoluten Vertrauens, den Trailtalon 290 von Inov-8. Dieser Schuh hat mich schon beschwerdefrei über die 100 Meilen des Western States 100 gebracht. Eine Cap und die Sonnenbrille fehlen ebenfalls nicht.

In meiner Salomon-Laufweste führe ich 2 Softflasks mit Wasser, 7 Gels von GU-Energy, einen Trinkbecher und die Regenjacke mit. Ersatz-Kontaktlinsen, ein kleines Erste-Hilfe-Set, ein Müllsack sowie ein Notgroschen gehören ebenfalls zur Grundausstattung. Auch die Trailrunning-Stöcke habe ich im Köcher mit dabei. Sie sollen mir ab Maria Raisenmarkt bis zum Kilometer 40 als Unterstützung dienen.

Der Moderator ruft zum race-briefing. Es wird unter anderem darauf hingewiesen, wie wichtig bei den hohen Temperaturen ausreichend Flüssigkeitsnachschub ist. Ich nehme Startaufstellung. Einige Fotos werden gemacht und schon verabschiedet uns der Veranstalter auf die Strecke. 

Es geht vom Start weg aufwärts. Durch den Kurpark mit seinem alten Baumbestand werden zu Beginn der Strecke gleich einige Höhenmeter gesammelt. Auf wunderbar zu laufenden Waldpfaden geht es zum Jubiläumskreuz Bad Vöslau und weiter bis zum Sooßer Lindkogel hoch. Die erste von vier markanten Erhebungen ist nach rund 7 Kilometer bezwungen.

Auf den folgenden Kilometern wechseln sich zum Teil recht technisch anspruchsvolle Singletrails mit Waldautobahnen ab. Die Strecke fällt moderat bis vereinzelt steil und lässt sich meist großartig laufen. Achtsamkeit ist jedoch gefragt. Denn unter der Blätterauflage lauern mit Wurzeln, großen Steinen und tiefen Erdlöchern unzählige potenzielle Stolperfallen.

Ich habe meine Position im Läuferfeld gefunden und kann ungestört mein eigenes Tempo laufen. Nach rund 10 Kilometer führt die Strecke raus aus dem Wald und ich laufe entlang der Steinbruchgasse zügig talwärts.

Auch der folgende rund 4 Kilometer lange Aufstieg zur Sina-Warte bzw. zum Schutzhaus Eisernes Tor ist für mich gut zu bewältigen, wenngleich hier die stetig steigenden Temperaturen den Schweiß bereits in Strömen fließen lassen. Oben angekommen labe ich mich mit einem Gel, fülle meine Wasservorräte auf und laufe dann auf moderat abschüssigen Schotterwegen und Asphaltstraßen Richtung Tal.

Im Ort Maria Raisenmarkt ist der Talboden erreicht. Es folgt nun die Schleife auf den Peilstein. Zuerst geht es entlang des Groisbaches Richtung dem beschaulichen Ort Holzschlag. Die Strecke wird ein wenig technischer. Ein Singletrail voller Steine und Wurzeln erfordert Konzentration. Aus dem Augenwinkel erkenne ich ein paar Adrenalin-Junkies, die über einen Klettersteig den Peilstein erklimmen.

Für den Klettersteig fehlt mir die Schwindelfreiheit. Ich steige über verwurzelte Pfade und zu guter Letzt über hohe, kräfteraubende Stufen dem Gipfelkreuz entgegen. Die Strapazen des Aufstieges werden mit einer tollen Fernsicht entlohnt. Über mäßig fallende Waldwege und zu guter Letzt über den steilen, serpentinenhaften Schlußabsteig führt uns die Strecke wieder zum Ort Maria Raisenmarkt hinunter. 

Ich labe mich für den letzten nennenswerten Aufstieg. Nach einer weiteren tollen Trail-Passage folgt ein längerer Abschnitt auf einer geteerten Gemeindestraße. Kontinuierlich führt der Weg hoch. Der prallen Sonne ausgesetzt, verfalle ich immer häufiger in den Gehschritt. Die befestigte Straße weicht auf Höhe des Steinbruchs Rohrbach einem Schotterweg. Moderat aber stetig geht es noch einmal aufwärts. Punktuell wird der Weg noch einmal richtig steil, aber dann habe ich die Kilometermarke 40 erreicht. Von nun an geht es zu einem großen Teil fallend zurück zum Ziel nach Bad Vöslau.

Talwärts benötige ich meine Stöcke nicht mehr und verstaue sie daher im Köcher meiner Laufweste. Mit einem weiteren Gel versuche ich meinem Körper die notwendige Energie für die letzten Kilometer zu verabreichen. Einige Zeit später trabe ich auf einem flachen Schotterweg auf die letzte Verpflegestelle zu. Rund 6 Kilometer liegen noch vor mir, als ich mich mit Cola und Salzbrezel labe. Damit wir Läufer eine recht stark befahrende Bundesstraße gefahrlos queren können, regelt ein Polizist den Verkehr.

Inmitten von Weinhängen geht es die Merkensteiner Straße hoch. 50 Kilometer liegen hinter mir. Die letzten 3 Kilometer führen auf schmalen Pfaden durch den Kurpark Bad Vöslau, vorbei am idyllisch gelegenen Waldtennis-Club und einem Pavillon, Richtung Ziel. Ich höre bereits die Moderatorenstimme, als ich die letzten paar hundert Meter auf Pflastersteinen abwärts laufe.

Nach 6 Stunden und 36 Minuten ist es dann vollbracht. Ich überquere als insgesamt 24. von 132 Teilnehmern die Ziellinie. Mir wird die Finisher-Medaille überreicht und das Goodie-Bag ausgefolgt. In meiner Altersklasse M50-60 klassiere ich mich auf dem 3. Rang und darf zur Siegerehrung.

Tags darauf kann man sich die von den Fotografen der "Event-Gucker" gemachten Aufnahmen online betrachten und bei Gefallen bestellen. Das Zieleinlauf-Foto ist sogar kostenlos! Auch das sogenannte Sparpaket, es beinhaltet 7 Bilder nach Wahl - finde ich mit 13,50 Euro kostengünstig.


Fazit: Die Strecke des Lindkogeltrails ist mit wenigen Ausnahmen technisch nicht sehr anspruchsvoll. Mit einer Distanz von knapp 55 Kilometern und beinahe 2.400 Höhenmeter ist der Ultra Trail jedoch marathonerfahrenen Trail-Läufern vorbehalten. Entschädigt wird der Teilnehmer mit wunderbar zu laufenden Singletrails, Wald- und Schotterwegen sowie mit großartigen Aussichten von der Sina-Warte oder vom Peilstein. Die Verpflegestellen sind gut positioniert und ausreichend bestückt. Die zahlreichen Helfer sind allesamt freundlich und die Streckenmarkierung lückenlos. Der Start-/Zielbereich im Bereich des Thermalbades Vöslau bietet eine gute Infrastruktur bei tollem Ambiente.

07.04.2024: 8. Lindkogeltrail - Laufbericht


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Sonntag, 8. Oktober 2023

08.10.2023: Kleine Zeitung Graz Marathon - Ein Spiegelbild meiner Läuferseele

Der Graz-Marathon feiert Jubiläum! Am 8. Oktober 2023 geht die 30. Auflage des Kleine Zeitung Graz Marathon über die Bühne. Ich selbst stehe in der Landeshauptstadt zum 6. Mal am Start über die klassische Marathon-Distanz und werde gemeinsam mit weiteren rund 750 Teilnehmer:innen die 42,195 Kilometer lange Strecke in Angriff nehmen. Aber auch zahlreiche Unterdistanzen stehen zur Auswahl: Neben Kinder- und Jugendläufen sowie dem Familienlauf werden weiters ein Viertel-, Halb- und der Staffelmarathon angeboten. Der 5 Kilometer lange City Run, ein Bewerb für die Nordic Walker und der bei den Kleinsten sehr beliebte Maskottchenlauf runden das vielseitige Bewerbs-Potpourri ab.

Die Zeitnehmung erfolgt durch die Firma MaxFun Timing. Der Transponder hierfür ist in die Startnummer integriert. Nur die Staffelläufer tragen den Zeit-Chip mittels Klettband am Handgelenk, damit die Übergabe beim Wechsel zügig von statten gehen kann. Das Fotoservice übernimmt Foto Viertbauer. 2-3 Tage nach dem Laufevent können die Fotos online betrachtet und bei Gefallen bestellt werden.

Ich starte wiederholt den Selbstversuch, ohne adäquates Tempotraining die Kilometer mit knapp unter 5 Minuten zu laufen. Es ist zwar nicht schlau zu schnell zu starten, um mit Vorsatz dann auf dem letzten Viertel einzubrechen. Aber es ist für mich schon Tradition, hier beim Kleine Zeitung Graz Marathon diese leidvolle Erfahrung zu machen.

Meinen Plan, mich von Start weg im Windschatten des Pacers mit der Zielzeit 3:30 Stunden aufzuhalten, verwerfe ich bereits auf der Startgeraden. Viel zu schnell läuft er aus meiner Sicht die ersten Kilometer. Das zeigt auch die Durchgangszeit von 14:19 Minuten nach 3 Kilometer. Ich laufe daher mein eigenes Ding.

Letztendlich schaffe ich es tatsächlich, bis Kilometer 34 auf die Zielzeit 3:30 Stunden unterwegs zu sein. Dann wird mir jedoch die Rechnung des zu hohen Anfangstempos präsentiert. Mich plagen Krämpfe in den Oberschenkeln und sogar in den Füßen. So schmerzhaft diese Erfahrungen sind, ich finde sie fair. Denn ohne entsprechender Vorbereitung gibt es in der Leichtathletik in der Regel nichts zu ernten. Ich möchte keine Muskelverletzung riskieren. Und mir fehlt zugegebenermaßen auch der letzte Biss. Es ist ein wenig ein Spiegelbild meiner Läuferseele. Seit ich mir im letzten Jahr mit der Teilnahme am Western States 100 meinen sportlichen Lebenstraum erfüllt habe, bin ich auf der Suche nach einem neuen Traum oder zumindest einem neuen großen Ziel. Das ist aber gar nicht so einfach. Man kann es nicht erzwingen, einen neuen, inspirierenden Lauftraum zu haben. 

So mache ich auf den letzten Kilometern regelmäßig Pausen, um die Muskulatur zu dehnen und zu lockern. Manch ein Mitläufer will das jedoch nicht akzeptieren. Ich finde es völlig befremdlich, dass ich zum Teil richtig energisch aufgefordert werden, es im Laufschritt zu Ende zu bringen. Einer greift mir sogar an die Schulter und will mich vorwärts ziehen. Geht´s noch? Diese Art der Motivation brauche ich nicht. Ich könnte die vierfache Distanz laufen. "Lasst mich doch einfach in Ruhe", denke ich mir und trabe weiter Richtung Ziellinie.

Abgerundet wird der Ausflug in die Landeshauptstadt mit einer kleinen, überfüllten Umkleide mit noch überfüllteren Containerduschen. Aber ich weiß natürlich, worauf ich mich Jahr für Jahr einlasse. Von daher gibt es in Richtung Veranstalter auch keine Vorwürfe.

08.10.2023: Kleine Zeitung Graz Marathon - Laufbericht


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Samstag, 24. Juni 2023

24.06.2023: 35. Veitscher Grenzstaffellauf - Laufbericht

Den Veitscher Grenzstaffellauf habe ich schon längere Zeit am Radar. Bislang passte es terminlich allerdings nicht, in St. Barbara im Mürztal an den Start zu gehen. Nun drängt es aber, denn der Veranstalter verkündet wenige Tage vor dem Start, dass der Veitscher Grenzstaffellauf im heurigen Jahr nicht nur zum 35. Mal, sondern auch zum letzten Mal ausgetragen wird.

Laut Veranstalter hat der Grenzstaffellauf eine Länge von 54 Kilometer inklusive 2.300 positive Höhenmeter. Nach dem Studium der Ergebnislisten der Vorjahre bin ich zum Schluss gekommen, dass die Strecke irrsinnig schnell sein muss (was ob der Höhenmeter nicht schlüssig scheint), oder die Angabe der Distanz stimmt nicht so ganz. Nach dem Lauf habe ich Gewissheit, dass die Strecke deutlich kürzer ist als angegeben.

Die Anreise aus dem Süden von Graz ist in einer guten Stunde erledigt. Auch die Abholung der Startunterlagen geht rasch vonstatten. Ich bringe eines meiner handsignierten Bücher für die Warenpreisverlosung mit.

Leider muss die Streckenführung geringfügig abgeändert werden. Der Gipfel der Hohen Veitsch kann heute nicht belaufen werden. Windspitzen bis zu 100 km/h und tiefe Temperaturen veranlassen den Veranstalter, eine Schlechtwettervariante zu laufen. Die Strecke sei nun in etwa 2 Kilometer kürzer, weise jedoch immer noch äußerst selektive 1.900 Höhenmeter auf. Soweit die letzten Infos des Veranstalters.

Ich möchte mir heute einen Genusslauf gönnen und laufe die Strecke im Wohlfühltempo. Es gelingt mir eine hervorragende Einteilung meiner Kraftreserven. So kann ich auch noch die letzten Kilometer genießen und klassiere mich mit einer Laufzeit von 5 Stunden und 37 Minuten auf Platz 5 meiner Altersklasse. Stöcke und Sonnenbrille habe ich zwar in der Laufweste mit dabei. Beides wird aber nicht benötigt. Letztendlich hat der Veitscher Grenzstaffellauf eine Distanz von rund 46 Kilometer.

Ein Lob dem Veranstalter: Der Teilnehmer findet hier beim Veitscher Grenzstaffellauf eine sehr gut organisierte Veranstaltung samt lückenloser Streckenmarkierung, reichlich Verpflegestellen, einem abwechslungsreichen Laufuntergrund, ein Zielfest mit Speis' und Trank, freundliche Helfer:innen, Duschmöglichkeiten beim Jufa und noch einiges mehr. Ich hoffe, dass dieser Lauf doch nicht das letzte Mal stattgefunden hat.

24.06.2023: Veitscher Grenzstaffellauf - Laufbericht


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Samstag, 22. April 2023

22.04.2023: Tuscany Crossing - Erlebnisbericht

Es ist Donnerstagmorgen! Das Auto ist vollgetankt und mit unserem Reisekoffer und einer großen Kiste mit Laufutensilien beladen. Unseren Sohn Sebastian wissen wir in den kommenden Tagen bei den Großeltern versorgt. So kann ich die Reise in die Toskana guten Gewissens gemeinsam mit meiner Frau antreten. Das Ziel unseres Kurztrips ist Castiglione d'Orcia, ein Ort mit etwas mehr als 2.000 Einwohner in der Provinz Siena. Hier, etwa 90 Kilometer südöstlich von Florenz, werde ich Samstagfrüh bei der Tuscany Crossing an den Start gehen.

Die Tuscany Crossing ist ein Langstreckenlauf mit 103 Kilometer Länge. Laut Streckenprofil weist der Rundkurs in etwa 3.500 positive Höhenmeter auf. Der Großteil dieser Höhenmeter sind auf der zweiten Streckenhälfte zu bewältigen. Insbesondere die beiden Aufstiege zwischen Kilometer 50 und 70 scheinen es in sich zu haben. Das Zeitlimit beträgt 22 Stunden. Um jedoch die Qualifikationsnorm für die Startplatz-Lotterie des Western States 100 (kurz WSER) zu erfüllen, muss man die Ziellinie nach längstens 21 Stunden überqueren.

Die Möglichkeit, sich für eine weitere WSER-Lotterie zu qualifizieren, ist nur einer der Gründe, warum ich hier an den Start gehe. Ein weiterer ist, dass meine Frau und ich die Toskana sehr mögen und wir uns auf die landschaftliche Schönheit, auf das milde Klima, auf die Kultur sowie auf kulinarische Genüsse im Val d'Orcia freuen. Denn dieses Tal zählt zu den schönsten Landschaften Italiens. Endlos weite hügelige Felder, malerische Zypressenalleen, bezaubernde Ortschaften mit Renaissancebauten erfreuen das Auge und die Seele.

Auch dass der Ultra-Trail recht früh im Jahr stattfindet, passt mir gut in die Jahresplanung. So kann ich die über die Wintermonate konservierte Grundlagenausdauer nutzen, um zum einen ein weiteres Ultra-Trail-Laufabenteuer zu erleben und vor allem auch sehr früh im Jahr die Qualifikation für die Startplatz-Lotterie des WSER einzutüten. Sollte ich wider Erwarten scheitern, hätte ich im Verlauf des Jahres noch einige alternative Qualifikationsmöglichkeiten. Aber mit solchen negativen Gedanken beschäftige ich mich grundsätzlich nicht. Denn mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass ich eigentlich nur durch eine akute Verletzung gestoppt werden kann. Die Grundlagenausdauer und vor allem auch die mentale Stärke, um einen 100 Kilometer langen Trail-Lauf ins Ziel zu bringen, ist jedenfalls gegeben.

Neben dem Laufen habe ich vor einigen Jahren auch das Tennisspielen liebgewonnen. Tennis macht nicht nur Spaß, sondern es sorgt der durch die vielen kurzen Seitwärtsbewegungen gewonnene Muskelaufbau rund um das Knie für mehr Stabilität. So beeinträchtigt mich der diagnostizierte Knorpelschaden in den Kniegelenken aktuell nicht sonderlich. Auch das ist ein Grund, warum ich einen ultralangen Wettkampf gerne im Frühjahr laufe. Denn wenn im Verlauf der Sommermonate die Tennis-Meisterschaft zu spielen ist, halte ich es mit der Einhaltung eines Trainingsplans, vor allem aber mit der Regeneration, nicht so genau. Da kann es durchaus passieren, dass es in der Woche keinen Tag gibt, an dem ich nicht in Lauf- oder Tennisschuhen unterwegs bin. Manchmal sogar in beiden.

Uns stehen 800 Kilometer Anreise bevor. Ich erwarte mir zwar keine Absolution der Klima-Aktivisten, aber ich halte es zumindest so, dass die Anreise zu einem Laufevent meiner Wahl nicht länger sein darf, als ich für den Lauf selbst benötige. Wenn der Formel "Fahrzeit =/< als Laufzeit" entsprochen wird, dann ist die Fortbewegung für mich quasi co2-neutral. Ich weiß, diese Herangehensweise ist natürlich Quatsch und ich will hier auch keine Klima-Politik betreiben. Diese Rechnung sollte jedenfalls aufgehen, denn der rund 8stündigen Autofahrt steht ein wohl zumindest 14stündiger Lauf gegenüber.

Ich genieße die Autofahrt mit meiner Frau. Wir haben ohnehin viel zu wenig Zweisamkeit. Während wir über Villach und Venedig Richtung Süden fahren, quatschen wir über Gott und die Welt. Nein, eigentlich reden wir über Acryl-Malerei und über das Laufen. An den Städten Bologna und Florenz vorbei, kommen wir unserem Ziel näher. Die Unterkunft liegt ein paar Kilometer außerhalb der Ortschaft Castiglione d'Orcia. Nach knapp 9 Stunden Autofahrt treffen wir endlich ein und beziehen unser schönes Quartier. Das Zimmer ist geräumig und die kleinen Fenster bieten einen schönen Ausblick in die Landschaft. Wir entscheiden uns, im Restaurant vor Ort Abend zu essen und planen bei einer leckeren Mahlzeit den morgigen Sightseeing-Tag.

Nach einem schmackhaften Frühstück fahren wir nach Bagni San Filippo. Die hier entspringende heiße Quelle gilt als das älteste natürliche und von Menschen genutzte Heilbad der Welt. Man vermutet, dass in dieser Quelle bereits die Etrusker und die Römer gebadet haben. Wunderschön ist vor allem der Flusslauf mit den Naturbecken direkt im Wald, wo versinterte weiße Kaskaden für ein fabelhaftes Ambiente sorgen. Mit viel Fantasie kann man im Kalksteingebilde einen weißen Wal erkennen.

Im Anschluss bummeln wir durch Pienza. Die Sonne lacht vom Himmel und es ist für diese Jahreszeit überdurchschnittlich warm. Für viele ist das Städtchen Pienza eines der schönsten Orte im Val d'rcia. Dieses historische Juwel, errichtet nach den Idealen der Renaissance, steht heute auf der Liste der UNESCO Weltkulturerbe-Stätten. Faszinierend schön ist die Altstadt mit dem einmaligen Piazzo Pio II und den umliegenden Palästen und Kirchen. Viele romantische Plätze, historische Gebäude und verschiedene Museen warten darauf, bei einem Spaziergang entdeckt zu werden. Sehenswert sind auch das imposante Rathaus oder auch der Palazzo Piccolomini und die atemberaubende Kathedrale Santa Maria Assunta, die eines der wichtigsten Wahrzeichen von Pienza ist. Wir genießen die Sonne, die Aussicht über das Tal und das eine oder andere Getränk. Eine kohlenhydratreiche Kost wäre vermutlich auch nicht ganz verkehrt gewesen. Eine optimale Vorbereitung auf einen Ultra-Trail ist es zwar nicht, aber es sind wunderbar entspannte Stunden, die ich hier mit meiner Frau verbringe.

Es ist Zeit, die Startunterlagen abzuholen. Über schmale, kurvenreiche Straßen fahren wir hoch zum Ortskern von Castiglione d'Orcia. Im Start-/Zielbereich ist alles recht familiär und freundlich. Mein Englisch wird gut verstanden und kurze Zeit später ist das Organisatorische auch schon wieder erledigt.

Der Einzelstart über die 103 Kilometer lange Distanz kostet je nach Anmeldzeitpunkt zwischen 80 und 100 Euro. Neben der Anmeldung und dem unterzeichneten Haftungsausschluss ist für Teilnahmen an Laufveranstaltungen in Italien die Vorlage eines ärztlichen Attestes, in dem die erforderliche Gesundheit und Fitness für einen derartigen Langstreckenlauf bestätigt wird, obligatorisch. Für das Startgeld erhalte ich nicht nur eine Startnummer und die Verpflegung entlang der Strecke und im Ziel, sondern auch ein Funktions-Shirt. Eine Finisher-Medaille wird es auch geben. Aber die muss erst verdient werden. Starter über 100 Meilen bzw. über 103 Kilometer erhalten zudem einen GPS-Tracker, der verbindlich am Laufrucksack befestigt werden muss. Zudem wird für Läufer ohne persönlichen Support ein Dropbag-Service angeboten. Tatsächlich könnte für jeden Checkpoint eine Tasche im Startbereich abgegeben werden. Diese Beutel werden dann vom Veranstalter zum jeweiligen Checkpoint gebracht und im Anschluss wieder zurück zum Ziel transportiert. Ich benötige diese Zusatzleistung nicht. Alles, was ich entlang der Strecke benötige, habe ich in meiner Laufweste oder erhalte ich an den Checkpoints.

Mittlerweile knurrt mein Magen, aber irgendwie lässt sich keine geöffnete Pizzeria finden. Schade, denn eine leckere Pizza oder ein Teller Pasta wäre ein für mich passendes Abendessen. Auf der Terrasse einer kleinen Osteria gibt´s dann wenigstens ein paar Portionen Bruschetta.

Wir fahren zur Unterkunft zurück und ich treffe die letzten Vorbereitungen. Die Startnummer wird an das Startnummernband geheftet, die Pflichtausrüstung wird im Rucksack verstaut und die Klamotten bereitgelegt. Die Pflichtausrüstung umfasst einen Liter Wasservorrat, Energieriegel, eine wasserdichte Jacke, ein Erste-Hilfe-Set, eine Trillerpfeife, eine Stirnlampe mit Ersatzbatterien oder Ersatzlampe und ein aufgeladenes Mobiltelefon. Zusätzlich werden Mütze, Handschuhe und Trail-Schuhe empfohlen.

Um 03:50 Uhr holt uns der Wecker unsanft aus dem Schlaf. Das war eine kurze Nacht. Wie es der Veranstalter bei der Ausgabe der Startunterlagen verlangt hat, aktiviere ich bereits jetzt den GPS-Tracker. Ich habe keine Ahnung, warum das Teil eine Stunde vor dem Start eingeschaltet werden muss. Auf jeden Fall ist es kurios zu sehen, wie auf der Landkarte der zugehörigen App immer mehr blinkende Punkte aufscheinen, die sich dann in Richtung Start bewegen.

Ein Hoch auf unseren Unterkunftsgeber! Er serviert uns um 04:15 Uhr ein Frühstück. Für mich besteht diese frühe Mahlzeit aus einem Croissant mit Schokocreme und zwei Tassen Kaffee.

Nach einer rund 10minütigen Autofahrt treffen wir in der Nähe des Startbereichs ein. Es ist noch dunkel und die Luft ist rund 8 Grad Celsius kühl. Laut Wettervorhersage soll es ein meist wolkenloser, frühsommerlich warmer Tag werden. Ich bin voller Vorfreude. Diese wird nur dadurch getrübt, dass sich kein Parkplatz finden lässt. Nach ein paar Minuten erfolgloser Suche eines Abstellplatzes überrede ich meine Frau, mich aussteigen zu lassen und einfach wieder in die Unterkunft zu fahren und noch ein wenig zu schlafen. Was für eine bescheuerte Idee! Kurze Zeit später stehe ich alleine und frustriert im Startbereich, während meine Frau traurig ins Zimmer zurückkehrt.

Unmittelbar vor dem Start gibt es die üblichen Informationen zum Wetter, zur Streckenmarkierung, zum Verhalten auf der Straße etc. in italienischer und englischer Sprache. Endlich geht es los. Die Stirnlampen werden aktiviert und die Startfreigabe ist erteilt. Wir laufen durch schmale Gassen an der Burg Rocca di Tentennano vorbei ins Tal. Rocca di Tentennano wurde bereits im Jahr 1100 urkundlich erwähnt. Die Burg wirkt selbst in der Dunkelheit imposant und ich werde sie im Lauf des Tages aus vielen, vielen Kilometern Entfernung immer wieder zu sehen bekommen. Vom Plateau der Burg bietet sich bei guter Fernsicht ein atemberaubendes Panorama über das Tal und auch auf die Via Francigena genießt man einen privilegierten Blick. 300 Höhenmeter führt uns die Strecke zum Teil sehr steil hinunter ins Orcia-Tal. Dieser erste Abschnitt verleitet dazu, viel zu forsch zu starten. Zudem verlangen gelegentliche Pflastersteinpassagen ein sehr konzentriertes Laufen. Nebel steigt auf und die Morgendämmerung bricht herein. Es herrscht eine wunderbare Stimmung.

Bald ist die Talsohle erreicht und der Fluss Orcia muss gequert werden. Früher wurde über einen Steg gelaufen. Dieser ist jedoch seit Jahren baufällig und gesperrt. So muss durch das Wasser gewatet werden. Ein Seil ist gespannt, um sich daran festzuhalten. Einige Teilnehmer ziehen sich die Schuhe und Socken aus. Diesen Luxus gönne ich mir nicht. Es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die Füße im Verlauf der Tuscany Crossing nass werden.

Endlich wird es hell. Schön, denn ich möchte von dieser Landschaft mehr sehen als was im Lichtkegel meiner Stirnlampe zum Vorschein kommt. Ich erreiche die Ortschaft Bagni Vignoni, das für sein Bad berühmt ist. Die heilsamen Quellen sollen besonders wohltuend bei Haut-, Knochen- und Gelenksbeschwerden wirken. Selbst der berühmte Lorenzo di Medici soll hier seine körperlichen Leiden auskuriert haben.

Pfade und Schotterwege wechseln sich ab. Die Wiesen sind saftig grün. Die Toskana zeigt sich in ihrer schönsten Pracht. Ich fühle mich körperlich gut und genieße es, hier dabei sein zu dürfen. Das von mir eingeschlagene Tempo ist eigentlich zu hoch. Aber wie heißt es so schön: Langsam wird man im Verlauf eines ultralangen Wettkampfes noch früh genug. Die Strecke führt zur Rocca di Vignoni Alto in die Höhe, bevor nach 13 Kilometern die Ortschaft San Quirico d'Orcia erreicht ist. Sehenswert ist die imposante Stadtmauer mit den vielen Türmchen und auch die Kirche Collegiata Santi Quirico e Giulitta aus dem 12. Jahrhundert, die ursprünglich im romanischen Stil errichtet wurde. Dieser traumhafte Ort ist aber auch durch die sogenannten Cipressi di San Quirinco d'Orcia bekannt. Dabei handelt es sich um einen kleinen kreisrunden Zypressen-Wald, der scheinbar inmitten eines Feldes stehengelassen wurde und um einen Zypressnring, durch den ein Feldweg führt. Hier an diesem Ort an der Via Francigena wurde im Mittelalter Federico Barbarossa zum Kaiser gekrönt. Diesem Ereignis zu Ehren findet Jahr für Jahr das Festa del Barbarossa statt.

Apropos Via Francigena: Ich belaufe hier einen mittelalterlichen Pilgerweg, eine Händler- und Heeresstraße. Die Via Francigena führt vom englischen Städtchen Canterbury zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus bis nach Rom. Die Route soll erstmals im Jahr 990 von Bischof Sigeric von Canterbury beschrieben worden sein, als er zu einer Investitur den Papst aufsuchte. Die Länge der Via Francigena beträgt ca. 2000 Kilometer und entlang ihres Verlaufes entstanden viele Klöster, Pilgerhospize und Kathedralen. Ich bin von geschichtsträchtigen Strecken angetan und fände es sehr verlockend, die Via Francigena in ihrer vollen Länge laufend zu durchqueren. Aber dazu bräuchte es überdurchschnittlich viel Urlaub und wohl auch einen großzügigen Sponsor. Ich könnte zwar auf meine sehr verständnisvolle Familie zählen, aber solch ein Monsterprojekt ist aktuell nicht umsetzbar. Vielleicht mache ich mich ja im Ruhestand auf, um der Via Francigena von Canterbury nach Rom zu folgen.

Nun erwartet mich ein persönliches Highlight. Der Weg führt uns durch die Ländereien, die durch den Film "The Gladiator" berühmt geworden sind. Das ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme und ich habe ihn bestimmt schon ein dutzend Mal gesehen. Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren und starte aus der Playlist die dazugehörige Filmmusik, während ich die Campi Elisi entlang laufe. Ich habe Gänsehaut. Der sogenannte Cypresses - Gladiator Point und die kleine Kapelle Madonna di Vitaleta zählen zu den besten Fotospots im gesamten Orcia-Tal.

Pienza ist erreicht. Hier saß ich gestern mit meiner Frau und habe das eine oder andere Glas getrunken. Heute labe ich mich mit Wasser und einem isotonischen Getränk. Grundsätzlich sind die Checkpoints gut platziert. Das angebotene Wasser schmeckt mir jedoch überhaupt nicht. Ich finde, es hat einen sehr unangenehmen Geschmack. Ich denke, es liegt am beigefügten Natrium. Jedenfalls schlägt mir das Wasser auf den Magen und mit jedem weiteren Schluck wird der Ekel darüber größer.

Über kupiertes Gelände führt die Strecke weiter nach Monticchiello, einer geschichtsträchtigen Stadt, die für ihr Teatro Povero berühmt wurde. Auf der Via Agogna geht es talwärts. Ein weiteres Mal ist der Fluss Orcia zu durchqueren. Sand und Steine machen das Weiterkommen entlang der Schotterbänke sehr beschwerlich.

Auf den nächsten 10 Kilometern durchlaufe ich auf Wiesenwegen und Schotterstraßen der Landschaft rund um Gallien. Der Streckenverlauf ist recht eben und ich kann weiterhin ein gutes Tempo laufen. Jedoch wäre es ratsamer gewesen, mit den Kräften besser hauszuhalten. Denn schließlich ist das heute kein Marathon, sondern eine über 100 Kilometer lange Laufstrecke.

Und so kommt es, wie es eben kommen musste. Ich habe mit meinen Kräften nicht entsprechend gehaushaltet und so haben mir die letzten Kilometer stark zugesetzt. Meine Kohlenhydratspeicher fühlen sich leer an und ich bin richtig platt. Das sich keine guten Voraussetzungen für die kommenden Stunden. Denn schenkt man der Streckenbeschreibung Glauben, beginnen hier die eigentlichen Herausforderungen der Tuscany Crossing. 

Dass ich hier nach rund 55 Kilometer meine Frau treffe, gibt mir jedoch Auftrieb. Wir plaudern eine Zeit lang, bevor ich den anstrengenden Anstieg zur Stadt Gampiglia d'Orcia in Angriff nehme. Der Turm Campanaria ist sehr präsent und beherrscht das Tal ähnlich imposant wie die Burg Rocca di Tentennano. Wider Erwarten erhole ich mich ein wenig, während ich das Gefälle hinunter nach Bagni San Filippo laufe. Die großartigen Fotomotive und auch den penetranten Schwefelgeruch kenne ich bereits von gestern.

Nun folgt ein rund 7 Kilometer langer Aufstieg zum höchsten Punkt des Laufes. Die Landschaft hat ein wenig vom Flair der Toskana verloren. Ich belaufe einen Mischwald und quäle mich auf gut 1000 Meter über den Meeresspiegel hoch. Die vorderen Oberschenkelmuskel raunzen, als es im Anschluss gleich wieder über 800 Höhenmeter hinunter ins Tal zu laufen gilt.

Auf welligem Terrain komme ich nicht mehr sonderlich schnell voran. Ich wandere mehr als dass ich laufe. Ich bin sauer auf mich und meine schlechte Vorbereitung am Vortag. Alkohol statt Wasser, Bruschetta statt einer sättigenden Pasta oder Pizza. Verflucht! Wie und vor allem wann werde ich heute die Ziellinie erreichen? Es raschelt im Gebüsch und ich meine, ein Grunzen gehört zu haben. Ein Wildschwein würde mir jetzt noch fehlen. In einem der zahlreichen Newsletter des Veranstalters wurde informiert, wie man sich im Falle einer Begegnung mit Wildschweinen zu verhalten hat. Der Hinweis war in italienischer Sprache verfasst und das Piktogramm war für mich nicht selbsterklärend. Hätte ich mir doch die Mühe gemacht und den Text übersetzt. Aber ich habe für´s erste Glück. Kein wildgewordener Vierbeiner macht Jagd auf mich. So trabe ich mit geschärften Sinnen weiter.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals so auf Sparflamme gelaufen zu sein. Mir fehlen noch rund 20 Kilometer ins Ziel, als ich unweit unseres Quartiers entlang gehe. Das kleine Teufelchen im Kopf rät mir, es einfach bleiben zu lassen. Ich solle doch die Startnummer abnehmen, mich beim Streckenposten abmelden und in die Unterkunft verschwinden. Pustekuchen! So verlockend auch manchmal diese Gedanken sind, nie und nimmer beende ich aus freien Stücken einen Lauf vor der Ziellinie.

Es folgt ein Abstieg, tief in den Wald. Ich marschiere an einem Maschendrahtzaun entlang. Plötzlich huscht an der anderen Seite des Zaunes ein Rudel Jagdhunde vorbei. Ich denke, dass das hier ein Trainingsgelände für die Vierbeiner ist.

Im Schneckentempo geht es weiter vorwärts und die Dämmerung bricht herein. Ein paar Kilometer trennen mich noch von der Ziellinie. Vor mich türmt sich der Schlussanstieg wie eine senkrechte Wand auf. Diese finalen 300 Höhenmeter hinauf zur Rocca di Tentennano sind das Härteste, was ich bisher in meinem Ultratrail-Leben zu bewerkstelligen hatte. Nur noch mein eiserner, unbändiger Wille treibt mich an, Schritt für Schritt nach oben zu steigen. 

Der Wind frischt auf und ich beginne am ganzen Körper zu frieren. Ich muss anhalten und mir die Windjacke aus der Laufweste holen. Ein paar Minuten habe ich es geschafft und laufe über die Ziellinie und in die Arme meiner Frau. Mit der offiziellen Zeit von 16 Stunden, 10 Minuten und 42 Sekunden klassiere ich mich auf dem 82. Rang der insgesamt 146 Finisher. Auch wenn ich auf der zweiten Streckenhälfte sehr schwer zu kämpfen hatte, wird mir die Tuscany Crossing sehr positiv in Erinnerung bleiben. Eine weitere Teilnahme auf der 100 Meilen langen Strecke schließe ich nicht aus.

22.04.2023: Tuscany Crossing - Laufbericht


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Sonntag, 26. März 2023

26.03.2023: 7. Lindkogeltrail - Laufbericht

Der Wecker klingelt mich um 04:15 Uhr aus dem Bett. Als ob diese frühe Uhrzeit nicht so schon schlimm genug wäre, hat auch noch die Umstellung auf die Sommerzeit eine zusätzliche Stunde Schlaf geraubt. Schlaftrunken wanke ich zur Kaffeemaschine und erledige nach zwei Tassen Kaffee die letzten Handgriffe, bevor ich mich auf den Weg nach Bad Vöslau mache, wo um 07:30 Uhr der Startschuss zum Lindkogeltrail fällt. Ich bin für den sogenannten Ultra Trail genannt. 54,5 Kilometer mit rund 2.400 Höhenmeter stehen mir bevor.

Neben dem Ultra Trail stehen drei weitere Unterdistanzen mit Längen von 10 bis 34 Kilometer zur Auswahl. Der heuer zum 7. Mal stattfindende Lindkogeltrail wird von der Fairsport Events e.U. organisiert. Das Nenngeld beträgt je nach Anmeldezeitpunkt zwischen 50 und 65 Euro, bzw. 70 Euro bei Nachnennung vor Ort. Die Zeitnehmung erfolgt mittels Transponder auf der Rückseite der Startnummer durch Race-Result. Die Firma Event-Gucker zeichnet sich für das Fotoservice verantwortlich. Apropos Fotos: Das Service von Event-Gucker ist grundsätzlich kostenpflichtig. Es wird kurz vor dem Start jedoch angekündigt, dass jeder Teilnehmer ein Foto vom Zieleinlauf kostenlos erhalten wird. 

Allerdings wird dieses Versprechen nicht eingelöst. Denn von mir wird es kein Gratis-Foto geben. Da habe ich beim Zieleinlauf wohl die Mindesterfordernisse für ein gelungenes Finisher-Foto nicht erfüllt. Schade! Und die Flatrate für die übrigen Fotos ist mir definitiv zu teuer.

Ich parke in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort. Hier am Vorplatz des Thermalbades Vöslau sind bereits alle Vorkehrungen getroffen, um ein gelungenes Trailrunning-Fest zu feiern. So sind der Start- und Zielbogen samt Matten für die Zeitnehmung aufgebaut. Die Kleiderabgabe und Startnummernausgabe sind eingerichtet. Tische und Bänke für das gemütliche Beisammensitzen nach dem Zieleinlauf sind aufgestellt. Dass es bei meiner Ziel-Ankunft kein Bier mehr geben wird, ist eine andere Geschichte.

Vor der Startnummernausgabe hat sich eine kleine Warteschlange gebildet, aber nur wenige Minuten später wird mir die Startnummer 26 ausgehändigt.

Es hat aktuell 8 Grad. Prognostiziert sind Höchstwerte von rund 15 Grad bei vorerst sonnigem Wetter. Ab den Mittagsstunden soll laut Wetterfrosch der Wind auffrischen und die Bewölkung zunehmen. Ich entscheide mich für ein longsleeve. Ich mag es, wenn mir an den Armen warm ist. Dazu trage ich meine Lieblings-Shorts von Salomon und meine favorisierten Trailrunning-Schuhe Inov8 Trailtalon 290. Eine Cap und die Sonnenbrille fehlen ebenfalls nicht.

In meiner Salomon-Laufweste führe ich 2 Softflasks mit Wasser, 6 Gels meines Vertrauens von GU-Energy, einen Trinkbecher und die Regenjacke mit. Ersatz-Kontaktlinsen, ein Müllsack sowie ein Notgroschen gehören ebenfalls zur Grundausstattung. Diesmal habe ich auch die Trailrunning-Stöcke mit am Start. Aber derweilen müssen sie noch im Köcher, praktischerweise an der Laufweste montiert, auf ihren Einsatz warten.

Der Moderator ruft zum "race-briefing". Es wird nochmals auf die Pflichtausrüstung bzw. auf die Streckenmarkierung hingewiesen. Ich nehme Startaufstellung. Einige Fotos werden gemacht und schon verabschiedet uns der Veranstalter auf die Strecke. 

Es geht vom Start weg aufwärts. Durch den Kurpark mit seinem alten Baumbestand werden zu Beginn der Strecke gleich einige Höhenmeter gesammelt. Ich bin unachtsam, stolpere über einen Stein und verletze beim Sturz nach vorne zwei Finger der linken Hand. Autsch, das tut richtig weh! Die Wunde ist nicht groß, trotzdem blutet sie recht stark. Ich wickle einen Schlauchschal um die beiden in Mitleidenschaft gezogenen Finger und trabe etwas konsterniert weiter. Denn obwohl ich bereits weit über 25.000 Kilometer auf zum Teil sehr unwegsamen Trails zurückgelegt habe, kann ich Stürze an einer Hand abzählen. Die Wunde schmerzt und es pocht in den Fingern. Dass die Hände kalt sind, macht die Sache nicht angenehmer. Zu blöd, dass ich die Handschuhe im Auto gelassen habe, obwohl in der Laufweste genügend Stauraum vorhanden ist. Einfach nur dumm!

Ich lenke meine Gedanken auf das Wesentliche. Und das ist im Augenblick das Laufen des Lindkogeltrails. Es gilt, sich zu konzentrieren und die Füße mit Bedacht zu setzen und vor allem entsprechend anzuheben, damit sich ein Sturz nicht wiederholt.

Auf noch mit Herbstlauf bedeckten, wunderbar zu laufenden Waldpfaden geht es zum Jubiläumskreuz Bad Vöslau hoch. Hier halte ich für einen ersten Foto-Stopp, bevor ich den Aufstieg bis hinauf zum Sooßer Lindkogel fortsetze. Die erste von vier markanten Erhebungen ist nach rund 7 Kilometer bezwungen. Der Schlauchschal ist mittlerweile voller Blutflecken. Gut, dass das gute Teil aus rotem Stoff gefertigt ist. So sieht die Sache nicht ganz so dramatisch aus. 

Auf den folgenden Kilometern wechseln sich zum Teil recht technisch anspruchsvolle Singletrails mit Waldautobahnen ab. Die Strecke fällt moderat bis vereinzelt steil und lässt sich großartig laufen. Achtsamkeit ist jedoch gefragt. Denn unter der Blätterauflage lauern mit Wurzeln, großen Steinen und tiefen Erdlöchern unzählige potenzielle Stolperfallen.

Ich habe meine Position im Läuferfeld gefunden und kann ungestört mein eigenes Tempo laufen. Nach rund 10 Kilometer führt die Strecke raus aus dem Wald und ich laufe entlang der Steinbruchgasse zügig talwärts.

Auch der folgende rund 4 Kilometer lange Aufstieg zur Sina-Warte bzw. zum Schutzhaus Eisernes Tor ist für mich gut zu bewältigen. Ich nehme hier meine Trailrunning-Stöcke zu Hilfe. Oben angekommen, mache ich ein paar Fotos, bevor es auf Schotterwegen moderat abschüssig ins Tal geht. Selten, dass mal ein paar hundert Meter auf Asphalt zu laufen sind. Ich finde die Streckenführung hier rund um Bad Vöslau sehr gelungen!

Im Ort Maria Raisenmarkt ist der Talboden erreicht. Hier an der Labestation nehme ich ein Gel zu mir. Ich fülle meine Flasks mit Wasser und einem isotonischen Getränk. Auch Schnitten, Salzgebäck und Obst werden von freundlichen Helfern kredenzt.

Es folgt nun eine Schleife auf den Peilstein. Zuerst geht es entlang des Groisbaches Richtung dem beschaulichen Ort Holzschlag. Hier auf schmalen Feldwegen missachtet tatsächlich ein Traktor mit Anhänger die Rechtsregel und bremst mich regelrecht aus.

Ich könnte eine mit nicht einmal 10 km/h fahrende Zugmaschine natürlich überholen, aber das würde nur viel Kraft kosten. So gehe ich rund 50 Meter hinter dem Traktor her. Dann zweigt die Laufstrecke auf einen schmalen Pfad ab und ich kann wieder ungestört mein Tempo laufen.

Ich muss kurz schmunzeln, denn ich denke an eine Situation zurück, die ich vor ein paar Jahren erlebt habe. Auf dem Weg zum Murberg hinauf habe ich einen Radfahrer überholt. Ganz grimmig hat er mich angesehen, als ich an ihm vorbeigelaufen bin. Auf dem darauffolgenden Bergab-Stück hat mich der Radfahrer dann überholt und das mit dem Zuruf "Jetzt schaust bled! Gell?" kommentiert.

Zurück zum Lindkogeltrail: Die Strecke wird ein wenig technischer. Ein Singletrail voller Steine und Wurzeln erfordert Konzentration. Aus dem Augenwinkel erkenne ich ein paar Adrenalin-Junkies, die über einen Klettersteig den Peilstein erklimmen.

Für den Klettersteig fehlt mir die Schwindelfreiheit. Ich steige über verwurzelte Pfade und zu guter Letzt über hohe, kräfteraubende Stufen dem Gipfelkreuz entgegen. Die Strapazen des Aufstieges werden mit toller Fernsicht entlohnt. Ich mache hier oben ein Selfie, bevor es über mäßig fallende Waldwege wieder zum Ort Maria Raisenmarkt hinunter geht. Der Schlussabstieg ist steil und führt in engen Serpentinen talwärts. Ich zweige etwas zu früh ab, bemerke aber schnell, dass die Streckenmarkierung einen geringfügig anderen Verlauf verlangt. Ich steige die paar Höhenmeter wieder hoch und folge exakt der Markierung. Ich fände es unsportlich, eine - wenn auch nur minimale - Abkürzung der offiziellen Laufstrecke vorzunehmen.

Wieder in Maria Raisenmarkt angekommen, labe ich mich für den letzten nennenswerten Aufstieg. Ein kurzes Update zur verletzten Hand: Der linke Ringfinger ist mittlerweile recht stark geschwollen. Es ist zu spät, um den Ring vom Finger zu nehmen. Ich kann nur hoffen, dass sich die Schwellung einbremst, bevor das Tragen des Ringes richtig unangenehm wird. Den Schlauchschal habe ich verstaut und mit Wasser die Wunden ein wenig gereinigt. Den Job als Fingernagel-Modell kann ich in den nächsten Wochen jedenfalls vergessen. Aber so ein kleiner Kollateralschaden wird mich nicht davon abhalten, mir die Finisher-Medaille zu holen.

Nach einer weiteren tollen Trail-Passage folgt ein längerer Abschnitt auf einer asphaltierten Gemeindestraße. Kontinuierlich führt der Weg hoch. Ich verfalle immer wieder in den Gehschritt. Mit dem Setzen von Mini-Zwischenzielen wie "bis zum nächsten Straßenpflock", "bis zum nächsten Baum" oder "bis zum nächsten Schlagloch" zu traben, überliste ich meinen Geist. Die Stöcke sind zwar weiterhin eine gute Unterstützung, aber nun spüre ich die Strapazen dieser umfangreichen Trainingswoche deutlich. Selbst bergab fällt mir das Laufen zunehmend schwer und erfordert große Überwindung.

Die befestigte Straße weicht auf Höhe des Steinbruchs Rohrbach einem Schotterweg. Moderat aber stetig geht es noch einmal aufwärts. Punktuell wird der Weg richtig steil, aber dann habe ich endlich Kilometermarke 40 erreicht. Von nun an geht es zu einem großen Teil fallend zurück zum Ziel nach Bad Vöslau.

Im ausgeruhten Zustand würde ich dieses leichte Gefälle lieben und es ließen sich schnelle Kilometerzeiten laufen. Aber ich bin platt. Und es sich noch weit über 10 Kilometer bis zur Ziel-Linie. Ich bin frustriert. "Wie soll ich im April in der Toskana doppelt so weit laufen?", frage ich mich. Diese Höhen und Tiefen auf ultralangen Strecken sind eben Part of the Game. Es braucht dann eine Strategie, wie man mit diesen Tiefs umgeht, damit man nicht das Handtuch wirft und aufgibt. Ich bin auf meine "Null-Prozent-Did-not-Finish-Quote" sehr stolz. Nicht immer war es klug, einmal sogar richtig dumm, trotz großer gesundheitlicher Probleme am Trail zu bleiben. Aber ich habe die Befürchtung, dass die Hemmschwelle, einen Lauf vorzeitig zu beenden, sinkt, wenn man es einmal getan hat. Aber diese Entscheidungen muss jeder für sich treffen. 

Ich muss mir auch vor Augen halten, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, ob man sich für einen Bewerb gezielt vorbereitet und vor dem Rennen sich entsprechend schont, oder ob ein Wettkampf am Ende einer bereits sehr anstrengenden Trainingswoche gelaufen wird. Im Grunde muss ich sehr zufrieden sein, wie es heute läuft. Und es wird letztendlich eine ausgezeichnete Trainingseinheit auf dem Weg zur Tuscany Crossing sein.

Talwärts benötige ich meine Stöcke nicht mehr und verstaue sie daher im Köcher meiner Laufweste. Mit einem weiteren Gel versuche ich meinem Körper die notwendige Energie für die letzten Kilometer zu verabreichen. Die kurzen Gegenanstiege sind sehr willkommen, denn in diesen Passagen kann ich ohne schlechtes Gewissen in den Gehschritt wechseln.

Einige Zeit später trabe ich auf einem flachen Schotterweg auf die letzte Verpflegestelle zu. Rund 5 Kilometer liegen noch vor mir, als ich mich mit Cola und Schnitten ausgiebig labe. Damit wir Läufer eine recht stark befahrende Bundesstraße gefahrlos queren können, regelt ein Polizist den Verkehr. Ich biete dem Beamten mit erschöpfter Miene an, gerne den Fahrzeugen den Vortritt zu lassen. Mein Wunsch wird nicht erfüllt und ehe ich mich versehe, ist das herannahende Auto angehalten und ich muss mich in Bewegung setzen.

Inmitten von Weinhängen geht es die Merkensteiner Straße hoch. 50 Kilometer liegen hinter mir. Mittlerweile zwickt es in den Waden und Oberschenkel doch recht heftig. Beifall spendende Spaziergänger motivieren jedoch, im Laufschritt zu bleiben.

Die letzten 3 Kilometer führen auf schmalen Pfaden durch den Kurpark Bad Vöslau, vorbei am idyllisch gelegenen Waldtennis-Club und einem Pavillon, Richtung Ziel. Ich höre bereits die Moderatorenstimme, als ich die letzten paar hundert Meter auf Pflastersteinen abwärts laufe.

Nach 6 Stunden und 46 Minuten ist es dann vollbracht. Ich überquere als insgesamt 61. von 170 Teilnehmern die Ziellinie.

Mir wird die Finisher-Medaille überreicht und das Goodie-Bag ausgefolgt. Ich nehme mir ein Weckerl und trinke eine Flasche Wasser. Ich möchte meine Wunde versorgen lassen. Obwohl der Start- und Zielbogen unmittelbar vor der Therme Bad Vöslau aufgebaut ist, stehen keine Duschen zur Verfügung. Zum Glück gibt es in der öffentlichen Toilette fließendes Wasser, wo ich mir die Hände halbwegs sauer waschen kann. Von einem Sanitäter lasse ich die verletzten Stellen desinfizieren und verbinden und mache mich anschließend auf dem Heimweg.

Fazit: Die Strecke des Lindkogeltrails ist mit wenigen Ausnahmen technisch nicht sehr anspruchsvoll. Mit einer Distanz von knapp 55 Kilometern und beinahe 2500 Höhenmeter ist der Ultra Trail jedoch marathonerfahrenen Trail-Läufern vorbehalten. Entschädigt wird der Teilnehmer mit wunderbar zu laufenden Singletrails, Wald- und Schotterwegen sowie mit großartigen Aussichten von der Sina-Warte oder vom Peilstein. Die Verpflegestellen sind gut positioniert und ausreichend bestückt. Die zahlreichen Helfer sind allesamt freundlich und die Streckenmarkierung lückenlos. Der Start-/Zielbereich im Bereich des Thermalbades Vöslau bietet eine gute Infrastruktur bei tollem Ambiente.

Dass keine Duschmöglichkeit vorhanden ist, finde ich persönlich ein großes Manko. Zumal die Siegerehrung recht spät stattfindet und man so gezwungen ist, verschwitzt zu verharren. Auch die kleine, unscheinbare, aus Holz gefertigte Finisher-Medaille passt optisch einfach nicht zu einem 55 Kilometer langen Ultratrail. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Im Grunde kann ich diesen Lauf hier rund um Bad Vöslau vorbehaltlos weiterempfehlen.

26.03.2023: Lindkogeltrail - Laufbericht


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Sonntag, 31. Juli 2022

31.07.2022: 32. Int. Kainacher Bergmarathon mit steirischen und österreichischen Meisterschaften im Bergmarathon - Laufbericht

Pünktlich um 09:00 Uhr erfolgt der Startschuss zum 32. Internationalen Kainacher Bergmarathon im Bezirk Voitsberg / Steiermark. Auf uns Teilnehmer wartet eine selektive Strecke mit 44 Kilometer und 1800 Höhenmeter. Im Zuge dieser Veranstaltung werden auch die steirischen Meisterschaften und österreichischen Staatsmeisterschaften im Bergmarathon ausgetragen. Ich selbst bin bereits zum 6. Mal hier in Kainach am Start. Meine bisherige Bestzeit liegt bei 5 Stunden. Vor 5 Wochen habe ich in Kalifornien den Western States 100 gefinished. Ich tue mir daher mit Prognosen schwer, was ich heute auf der Laufstrecke zu leisten im Stande bin. Eine Zeit um die 4 Stunden und 50 Minuten oder schneller wäre wohl für eine Medaille bei den österreichischen Meisterschaften notwendig ...

Die Abholung der Startunterlagen findet in wie alljährlich im Turnsaal der Volksschule Kainach statt. Hier stehen auch Duschen und Umkleidemöglichkeiten bereit. Im Startpaket ist ein Bergmarathon-Laufshirt, lesenswertes Informationsmaterial über die Lipizzanerheimat, eine ermäßigte Eintrittskarte für die Therme Nova in Köflach und Getränkeproben enthalten. Die Zeitnehmung erfolgt mittels Chip von hightech-timing. Ich kann mich mit dieser Chipkarte, die seitlich auf Hüfthöhe anzubringen ist, einfach nicht anfreunden. Dabei wäre es ein Leichtes, den Zeitchip in die Startnummer zu integrieren.

Nach der Begrüßung durch den Moderator und dem priesterliche Segen durch den ortsansässigen Pfarrer geht es auch schon los.

Kainacher Bergmarathon
Die ersten zwei Kilometer führen auf Asphalt Richtung Norden noch sehr moderat ansteigend aus dem Ort Kainach und verleitet immer wieder, zu schnell zu starten. Aber auch die ersten steileren Anstiege lassen nicht lange auf sich warten. Zuerst geht es auf einem Wiesenpfad, später auf Wald- und Schotterwegen kontinuierlich empor.

Nach rund 5,5 Kilometer ist die erste Labe erreicht. Ich schlucke ein Gel und spüle mit zwei Becher Wasser nach.

Am Steinbruch vorbei geht es weiter aufwärts. Muss es auch, denn auf den ersten 17 Kilometern sind zwei Drittel aller Höhenmeter zu erklimmen. Die Sonne lacht vom Himmel und die Temperaturen steigen so wie die Strecke kontinuierlich. Wenngleich ich noch ganz gut in der Zeit liege, tue ich mir heute mental schwer, das "letzte Hemd" zu geben. Der größte Fehler war im Vorfeld wohl, diesen heutigen 44 Kilometer mit 1800 Höhenmeter nicht die entsprechende Aufmerksamkeit zu schenken. Ich darf bloß nicht den Fehler begehen, nun alles im Verhältnis zu den 100 Meilen beim Western States 100 zu sehen. Auch 44 Kilometer sind lang und hart. Auch ein Halbmarathon ist anspruchsvoll und selbst eine am Anschlag gelaufene Meile kann ein Horror-Trip sein. 

Bevor es zur ersten Wechselzone der Staffelläufer hoch geht, folgt eine kurze Downhill-Passage. Kühe versperren das Gatter und ich muss mich an den vierbeinigen Wiederkäuern vorbeidrängeln.

Nach 14 Kilometer ist die Zeissmann Hütte erreicht. Gut 1000 Höhenmeter sind auf der Haben-Seite verbucht. Die Speicher werden wieder mit Wasser und einem Gel aufgefüllt. Während Sturmböen das Laufen zeitweilig zusätzlich erschweren, geht es dem höchsten Punkt der Strecke entgegen.

Nach dem steilen Aufstieg zum Roßbachkogel folgen nun auf rund 1700 Meter Seehöhe ein paar technische Kilometer. Auch beim Abstieg zum Gleinalm-Schutzhaus sind die Schritte mit Bedacht zu setzen.



Ein verwurzelter Waldweg führt uns Läufer auf die sogenannte Lipizzanerweide. Die Strecke fällt nun leicht und ich kann auf diesem Abschnitt recht flotte Kilometer laufen. Kurze, knackige Gegenanstiege vermiesen den Laufspaß dann wieder. Wie schon erwähnt, habe ich heute mentale Defizite. Vielleicht bin ich diese Strecke auch schon zu oft gelaufen. Die Runde hier in der Weststeiermark ist zweifelsohne eine tolle Trailstrecke, aber irgend wie scheine ich mich sattgelaufen zu sein.

Beim Alpengasthof Krautwasch ist die zweite Wechselstation eingerichtet, bevor es auf das letzte Drittel der Strecke geht. Moderat fallende Wald- und Schotterwege wechseln sich weiterhin mit steilen Gegenanstiegen ab. Bergauf verfalle ich zunehmend in den Gehschritt. Ich kriege es heute einfach nicht gebacken, mich zu quälen und sehe ein, dass eine Zielankunft unter 5 Stunden längst nicht mehr realistisch ist. 

Ich habe Kilometer 35 erreicht. Trails sind einer asphaltierten Straße gewichen. Stetig fallend geht es dem Ort Kainach und somit dem Ziel entgegen. Ich laufe die Kilometer nun wieder deutlich unter 5 Minuten.

Im Talboden angekommen wartet die letzte Labestelle vor dem Zieleinlauf. Ich brauche nichts mehr. Ich möchte es einfach nur zu Ende bringen. Hinter mir ist weit und breit kein Konkurrent zu sehen. So nehme ich auch die letzte Steigung im Gehschritt und trabe letztendlich nach 5 Stunden und 11 Minuten ins Ziel.

In den Ergebnislisten finde ich mich auf Rang 6 der Altersklasse wieder. Bei den steirischen Meisterschaften reicht es für die Bronze-Medaille und bei den österreichischen Bergmarathon-Meisterschaften klassiere ich mich auf Rang 5 der Altersklasse M50. Wie vermutet, war heute eine Zeit um 4 Stunden und 50 Minuten für den Gewinn einer Altersklassen-Medaille bei den österreichischen Meisterschaften notwendig.

Danke dem Veranstalter für die Bereitstellung der Fotos!

31.07.2022: 32. Int. Kainacher Bergmarathon mit steirischen und österreichischen Meisterschaften im Bergmarathon - Laufbericht


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Samstag, 25. Juni 2022

25.06.2022: Western States 100 Endurance Run - Laufbericht und Buchprojekt "Lebenstraum Western States 100 - Erlebnisberichte eines (Ultra-)Läufers"

Donnerstag, der 23. Juni 2022 - Mit der Landung auf dem Flughafen in San Francisco hat die Mission "WIR (meine Frau, mein Sohn und ich) RENNEN DEN WSER" so richtig Fahrt aufgenommen. Ich bin zwar derjenige mit der Startnummer, aber im Grunde ist es ein Familienprojekt, das in den kommenden Tagen zu einem glücklichen Ende gebracht werden soll. Jeder von uns hat in den letzten Jahren, Monaten und Tagen einen wertvollen Beitrag geleistet, damit mein sportlicher Lebenstraum in Erfüllung gehen kann.

Den Jetlag haben wir einigermaßen überwunden, da wir schon seit ein paar Tagen in den USA sind und bereits eine erste schöne Zeit bei den Schwiegereltern in der Nähe von Seattle verbracht haben.

So spannend San Francisco auch sein mag. Das Sightseeing muss warten. Für die Golden Gate Bridge, Fisherman´s Wharf & Co. haben wir vor unserem Rückflug Zeit eingeplant.

So sitzen wir kurze Zeit später im angemieteten Wagen und machen uns auf den Weg nach Squaw Valley, wo in zwei Tagen der Start des Western States 100 erfolgt. Wer sich nicht durch den Versicherungsdschungel der Mietwagenverleiher lesen möchte, dem empfehle ich eine Reservierung über die ÖAMTC-Mietwagen-Buchungsplattform.

Hier an der "Pacific Coast" ist der Himmel leicht bewölkt und das Thermometer zeigt 20 Grad Celsius an. Je weiter wir nach Osten fahren, desto höher klettert die Quecksilbersäule. Bei einem kurzen Zwischenhalt in der Nähe von Sacramento zeigt das Thermometer bereits 106 Grad Fahrenheit an, was rund 41 Grad Celsius entspricht. Die Luft ist so heiß, dass das Atmen schwer fällt. Es ist ein Vorgeschmack dessen, was mich in den Canyons der Sierra Nevada erwarten wird.

Für mich ist die Teilnahme am Western States 100 (kurz WSER) die Erfüllung meines sportlichen Lebenstraumes. Viele Jahre habe ich darauf hingearbeitet, eines Tages an der Startlinie des wohl geschichtsträchtigsten Langstreckenlaufes, dem Western States 100 Endurance Run, stehen zu dürfen. Jahr für Jahr erfüllte ich auf ultralangen Strecken wie beim mozart100 im Salzburger Land oder beim Morenic-Trail im Piemont die Qualifikationsnormen zum Eintritt in die Startplatzlotterien. Und dann war dieser 4. Dezember 2021, als tatsächlich mein Name auf Platz 9 der Warteliste gelost wurde. Am 16. April 2022 war es dann Gewissheit. Ich rückte von der Warteliste in das offizielle Starterfeld vor. 

Nach einer rund 5stündigen Autofahrt kommen wir in Olympic Valley an. Korrekterweise wird Olympic Valley seit 2021 Palisades Tahoe genannt. Wir sind an einem Ort, an dem im Jahr 1960 die olympischen Winterspiele stattgefunden haben. Eine große imposante Holztafel mit den Flaggen der teilnehmenden Nationen, die olympischen Ringe und das noch immer lodernde olympische Feuer lassen die Erinnerung daran nicht verblassen. Olympic Valley bzw. Palisades Tahoe liegt auf rund 1900 Meter Seehöhe und ist von Bergriesen umgeben. Es ist ein imposanter Anblick zu beobachten, wie die Gondeln an dicken Stahlseilen steil nach oben gezogen werden.

Wir beziehen unser Appartement unweit des Startbereichs und vertreten uns ein wenig die Beine. Aufgeregte, angespannte Teilnehmer und ihre Crews lassen erahnen, dass hier etwas sehr Spezielles bevorsteht. Erinnerungsfotos unter dem bereits installierten Start-Tor sowie vor einer überdimensionalen Holz-Gürtelschnalle vom Hauptsponsor HOKA werden gemacht. Immer wieder schweift mein Blick auf die umliegenden Granit-Riesen. Denn die ersten Meilen des WSER führen genau über einen dieser hohen Gipfel. 

Ich schlafe unerwartet gut. Das ist auch wichtig, denn die kommende Nacht wird kurz. Wir holen uns  einen Kaffee und gehen Richtung Olympic Plaza, dem Zentrum der Rennleitung. Auf dem Weg zur Race-Registration ist ein Plakat aufgelegt. Die Teilnehmer sind eingeladen, sich darauf mit der Unterschrift zu verewigen.

Als erstes registrieren wir unseren Sohn Sebastian offiziell als Pacer. Pacer sind Begleitläufer und dürfen ab Meile 62 (Checkpoint Foresthill) in Anspruch genommen werden. Außer man verlässt erst nach 20:00 Uhr den Checkpoint Michigan Bluff. Dann darf man sich bereits ab Michigan Bluff begleiten lassen. Grundsätzlich ist dafür ein Alter von zumindest 18 Jahren erforderlich, aber ich habe im Vorfeld bei der Rennleitung eine Ausnahme beantragt. Da mich Sebastian ohnehin nur den letzten Kilometer begleiten wird und ab dem Checkpoint Robie Point (1,2 Meilen vor dem Ziel) zudem die Begleitung durch mehr als einen Pacer erlaubt ist, war die Genehmigung reine Formsache und Sebastian darf stolz seine eigene offizielle Pacer-Nummer in Empfang nehmen.

Ich schleppe zwei fertig gepackte Dropbags mit mir herum, die ich nun an den Sammelstellen für die Checkpoints Robinson Flat bzw. Rucky Chucky ablege. In Rucky Chucky wird der Middle Fork des American River gequert. Da ist man laut Informationen des Veranstalters zumindest knietief im Wasser. In das Dropbag für diesen Checkpoint habe ich daher ein Paar Schuhe und Socken, dazu noch einige Energie-Gels gepackt. Auch vor dem Checkpoint Robinson Flat kann man sich bei der Querung des Duncan Creek sowie beim Durchlaufen einiger Rinnsale die Füße nass machen. Daher sind auch in diesem Dropbag ein Paar Schuhe und Socken, dazu noch eine Sahara-Cap und ein paar Energie-Gels. Ob ich meine Schuhe und Socken tatsächlich wechsle, entscheide ich spontan. Details zur Ausrüstung und zum Inhalt meiner Dropbags können auch auf dieser [to do - Liste] nachgelesen werden.

Nun folgt meine Registrierung als Läufer! Nach Vorlage eines Lichtbildausweises und der Unterzeichnung des Haftungsausschlusses wird mir die Startnummer 164 ausgefolgt. Dass ich die Startnummer 164 trage, ist kein Zufall. Im Vorfeld durfte man seine Wunschnummer bekannt geben, die dann nach Möglichkeit auch zugewiesen wurde. Warum ich gerade die Nummer 164 gewählt habe? Nicht nur, dass ich am 16. April von der Warteliste offiziell in das Hauptfeld gerutscht bin, feiert auch meine Frau an diesem Tag ihren Geburtstag. Es lag also auf der Hand, sich für diese Nummer zu entscheiden. Wir scherzen, dass jetzt noch ich die Zeit meines eigenen Geburtstages laufen müsse, was eine Laufzeit von 27 Stunden und 11 Minuten erforderlich macht. Im Grunde ist es nicht gänzlich abwegig, denn eine Zielankunft nach 25 bis 28 Stunden halte ich durchaus für realistisch.

Neben der Starnummer erhalte ich ein gelbes Band um das Handgelenk gebunden. Darauf stehen die persönlichen Daten wie Name, Herkunftsland und Startnummer. Dann wird mit der Startnummer das offizielle Teilnehmer-Foto gemacht und ich darf mir die Startgeschenke holen. Und die können sich wirklich sehen lassen. So gibt es einen WSER-gebrandeten Rucksack, ein Funktionsshirt, die Hoka Ora Recovery Slide ebenfalls im streng limitierten WSER-Design, einen Schlauchschal, hochwertige Nahrungsergänzungsmittel von GU Energy, einen faltbaren Trinkbecher, eine Gel-Softflask, eine lässige Sonnenbrille, Funktionssocken und das offizielle WSER-Heft samt WSER-Sticker mit allen wertvollen Informationen rund um das Rennen.

Während ich den Registrierungs-Prozess durchlaufe, ist das Side-Event "HOKA High Camp" bereits voll im Gang. Hier hat man die Möglichkeit, die ersten 3 Meilen des offiziellen Western States Endurance Run vom Base-Camp zum High-Camp hoch zu laufen. Viele Crew-Mitglieder, Pacer und auch vereinzelt WSER-Teilnehmer nutzen diesen Bewerb, um sich ein wenig die Beine zu vertreten oder einen Vorgeschmack auf den darauffolgenden Tag zu bekommen.

Um 14 Uhr startet das offizielle und verpflichtende Race-Briefing. Auf einer großen Wiese nehmen die knapp 400 Teilnehmer mit ihren Familien Platz. Die Sonne sticht vom Himmel; es ist für diese Höhenlage sehr heiß. Die Top-Läufer werden ebenso wie verdiente Volontäre und Sponsoren vorgestellt. Dazu gibt es letzte Informationen rund um das morgige Rennen sowie die aktuelle Wettervorhersage, die in Auburn Temperaturen um die 100 Grad Fahrenheit prognostiziert.

Wir machen am späteren Nachmittag einen Abstecher zum nahegelegenen Lake Tahoe, um uns ein abzulenken. Das ist hier wirklich ein atemberaubend schöner Fleck Erde. Nebenbei hat es die Region um den Lake Tahoe in den letzten Wochen immer wieder mit Bärensichtungen in die Medien geschafft.

Am Abend richte ich mein Outfit zurecht und bestücke die Salomon-Laufweste. Auch die vorbereitete Zeittabelle bespreche ich mit meiner Frau. Wir planen nämlich, uns in Michigan Bluff (bei Meile 55) kurz zu sehen. Michigan Bluff ist neben Foresthill einer der wenigen Checkpoints, die halbwegs gut mit dem Fahrzeug erreichbar sind. Und für grobe Anhaltspunkte meiner Ankunftszeiten in den Checkpoints habe ich eben diese Zeittabelle unter Berücksichtigung der Höhenmeter und des Ermüdungsfaktors erstellt. Laut dieser Hochrechnung bin ich gegen 19 Uhr in Michigan Bluff. Eine Zielankunft ist nach dieser Zeitrechnung nach rund 27 Stunden vorgesehen. Natürlich gibt es dann noch den Faktor Unvorhergesehenes. Außerdem bietet der Veranstalter ein "live-timing" an. So können meine Frau bzw. Freunde und Bekannte online mitverfolgen, an welchen Checkpoints ich bereits eingecheckt habe.

Sofern es auf den Bergkämmen und später in den Canyons Mobilempfang gibt, ist auch eine telefonische Kommunikation oder per WhatsApp möglich. Bei unserer Ankunft in den USA haben wir uns jeweils eine Prepaid-SIM-Karte besorgt. Für insgesamt 100 Dollar haben wir nun befristet auf 30 Tage unlimitiertes Datenvolumen und landesinternes Gesprächsguthaben. Das Datenpaket eignet sich auch hervorragend zur Navigation mit z.B. Google Maps. Dadurch kann man sich beim Mietwagen die in der Regel sehr hohe Gebühr für das Navigationssystem sparen.


Der Wecker holt uns um 03:15 Uhr aus dem Bett. Ich habe tatsächlich ein paar Stunden Schlaf gefunden und fühle mich relativ ausgeruht.
Die größte Herausforderung stellen in diesen frühen Morgenstunden die Kontaktlinsen dar. Beinahe vergesse ich auf die Sonnencreme, aber diese Schutzschicht ist für die Haut heute unbedingt notwendig. Auch Sebastian springt ohne zu murren aus dem Bett und ist richtig gut drauf.

Ich bin voller Vorfreude und auch recht angespannt, als wir um 04:15 Richtung Start gehen. Es ist noch dunkel und die Luft ist kühl. Ich ziehe mir eine Windjacke über, die ich kurz vor dem Start bei meiner Familie lassen werde. Auf dem Weg nach Auburn braucht´s keine Windjacke. Unbedingt notwendig sind Wasserflaschen und in der Nacht eine gut funktionierende Stirnlampe.

Aus allen Richtungen strömen Läufer mit ihren Familien- und Crewmitgliedern zum Startbereich. Der Veranstalter stellt für uns ein Frühstück bereit. Ein Becher schwarzer Kaffee tut gut und auch ein paar Bissen eines Apfel-Muffins gönne ich mir.

Nur noch wenige Minuten sind es bis zum Start. Es folgen noch herzliche Umarmungen, viele Glückwünsche und dann stehe ich auf mich alleine gestellt im Startbereich. Ich visualisiere zum wiederholten Mal, wie ich diese große Herausforderung positiv zu Ende bringen und wie ich mit Sebastian den Zieleinlauf genießen werde. Der Kopf ist heute topfit, dessen bin ich mir bewusst. Ist es der Körper auch? Die nächsten Stunden werden es zeigen, ob das Training ausreichend war. Wie in Trance nehme ich die Worte der Moderation wahr und wenige Augenblicke später wird das schier unmöglich geglaubte tatsächlich Realität.  

Der Startschuss ist gefallen! Es ist 5 Uhr morgens und ich laufe den Western States 100!

BUCHPROJEKT "Lebenstraum Western States 100 - Erlebnisberichte eines (Ultra-)Läufers"

Ich habe beschlossen, meinen Weg nach Auburn in Buchform zu verfassen. Die Reise nach Palisades Tahoe (vormals Squaw Valley) hat bereits vor einigen Jahren begonnen, als ich meine Liebe zum Trailrunning entdeckt und das erste Mal über diesen geschichtsträchtigen 100-Meilen-Lauf durch die Wildnis der Sierra Nevada gelesen habe.

Das am 02.03.2023 veröffentlichte Buch beinhaltet auf über 200 Seiten Erlebnisberichte von ausgewählten Läufen, die Beschreibung des WSER-Losprozesses, die Teilnahme an den Lotterien, Einblick in mein Training und natürlich den vollständigen und umfangreichen Laufbericht meiner Teilnahme am WSER.

Das Buch kann direkt über mich, aber auch über den Online-Shop der Buchschmiede und natürlich auch über den stationären oder Online-Buchhandel bezogen werden.



25.06.2022: Western States 100 Endurance Run - Laufbericht und Buchprojekt "Lebenstraum Western States 100 - Erlebnisberichte eines (Ultra-)Läufers"


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