Mittwoch, 29. Januar 2020

Trainingsperiodisierung - Wettkampfspezifische Vorbereitung auf einen Ultratrail

Ich stehe Mitte April im Rahmen der Veranstaltung "100 Miles of Istria" am sogenannten "blue course" an der Startlinie. 128 km Distanz und 4950 Höhenmeter warten darauf, erfolgreich gemeistert zu werden.

Meine wettkampfspezifische Vorbereitung auf diesen Ultra-Trail erstreckt sich über einen Zeitraum von 12 Wochen. Ziel der kommenden Wochen ist es, sich bestmöglich auf die beim Wettkampf vorherrschenden Bedingungen vorzubereiten. Daher ist mir im Training wichtig:
  • das lange, ausdauernde Laufen auf Trails
  • das Laufen in den Nachtstunden
    (Start ist um 21:00 Uhr abends in Lovrin. Daher werde ich auch den einen oder anderen Lauf um diese Uhrzeit starten und in die Nacht hinein laufen ...)
  • das Laufen mit Trailrunning-Stöcken
  • das Auf- und Absteigen im steilen Gelände
    (Höhenmeter sammeln ist für Ultra-Trails unbedingt notwendig.)
  • das Laufen mit gepacktem Rucksack
    (Ich packe meinen Rucksack und nehme mit: Nein, zu diesem Trainingszweck natürlich nicht die volle Pflichtausrüstung! Vielmehr simuliere ich das Volumen und Gewicht im Rucksack mit einem schweren Handtuch.)
Im Grunde lege ich diesen Trainingsplan jeder Vorbereitung auf einen langen Ultratrail zu Grunde.


wettkampfspezifische Vorbereitung Ultratrail
Es gibt natürlich große Unterschiede zwischen der optimalen und der für mich bestmöglichen Vorbereitung.

So sollten zum Beispiel im Sinne einer optimalen Vorbereitung in den umfangreichsten Trainingswochen zumindest die Wettkampfkilometer (+ sogar einige Kilometer darüber) gelaufen werden. Das wären im aktuellen Fall zumindest 128 Wochenkilometer. Wobei am Trail die Kilometer nur bedingt entscheidend sind. Vielmehr richtet sich das Training im Gelände nach Stunden. Das würde bedeuten, dass ich in der Trainingswoche 9 rund 20 Stunden im Laufschritt verbringen müsste.

Allerdings bin ich berufstätig, habe noch andere Interessen und möchte zudem Freizeit mit meiner Familie verbringen. Auch braucht mein Körper, im besonderen die Knochen nach ausgeheiltem Knochenmarködem, ausreichend Regeneration. Daher gehe ich trotz meiner ambitionierten persönlichen Zielvorgabe in der Vorbereitung zu Wettkämpfen Kompromisse ein. Mittlerweile blicke ich doch schon auf ein paar Jahre Ultralauf-Erfahrung zurück und kann gut abschätzen, welchen Umfang und Qualität meine Vorbereitung für einen erfolgreichen Wettkampf haben muss.

Was bedeutet das konkret?
  • Ich beschränke mich in der Regel auf 4 Trainingseinheiten pro Woche (Ausnahme Umfang*D-Wochen).
  • In der umfangreichsten Trainingswoche werde ich maximal 12 Stunden trainieren.
  • Der längste Lauf wird eine Dauer von 6 Stunden nicht überschreiten.
  • Nicht nur Quantität: Auch in den Umfang-Wochen lege ich Wert darauf, zumindest eine schneller gelaufene Einheit in den Trainingsplan zu schreiben.
  • Als aktive Regeneration bieten sich Schwimm-, Rad- oder Deepwater running - Einheiten an. 

Umfang-Wochen

Die typische Trainingswoche "Umfang" habe ich mir folgendermaßen zusammengestellt:

1 Einheit: 75-90 min lockerer Trailrun (ca. 12K/300 hm)
1 Einheit: 120 min langsamer bis lockerer Trailrun (ca. 20K/500 hm)
1 Einheit: 75-90 min lockerer Trailrun (ca. 12K/ 300 hm)
1 Einheit: 3-4,5 h langsamer Dauerlauf Trailrun (ca. 30K-35K/600-1000 hm)
Regenerationseinheit: 1-2 h MTB, Schwimmen oder Deepwater running
Wochenumfang: bis ca. 80 Kilometer/bis ca. 8 Stunden


Unmittelbar vor einer Regenerationswoche schreibe ich mir in den Trainingsplan die "Umfang*D-Woche". Diese unterscheidet sich insofern, dass ich am Wochenende an Stelle eines langen Dauerlaufs einen "Doppeldecker-Lauf" durchführe. Das bedeutet, ich laufe Samstag und am Sonntag jeweils einen langen Dauerlauf. Grundsätzlich sind die Läufe am Samstag rund 4 Stunden und am Sonntag etwa 3 Stunden lang.

Die typische Trainingswoche "Umfang*D" sieht daher folgendermaßen aus:

1 Einheit: 75-90 min lockerer Trailrun (ca. 12K/300 hm)
1 Einheit: 120 min langsamer bis lockerer Trailrun (ca. 20K/500 hm)
1 Einheit: 75-90 min lockerer Trailrun (ca. 12K/ 300 hm)
1 Einheit: 4 h langsamer Dauerlauf Trailrun (ca. 30K-35K/600-1000 hm)
1 Einheit: 3 h langsamer Dauerlauf Straße (ca. 25K)
Regenerationseinheit: 1-2 h MTB, Schwimmen oder Deepwater running
Wochenumfang: bis ca. 110 Kilometer/bis ca. 12 Stunden


Regenerationswoche

In den Regenerationswochen schraube ich die Umfänge deutlich zurück und verzichte auf den langen Dauerlauf. Ob ich 3 oder doch 4 Einheiten trainiere, entscheide ich spontan nach Körpergefühl. Auch darf es in diesen Wochen etwas flotter zur Sache gehen. So schreibe ich mir in Woche 5 z.B. einen Lauf im 10K-Wettkampftempo in den Trainingsplan.

1 Einheit: 75-90 min Fahrtspiel am Trail (ca. 12K/300 hm)
1 Einheit: 75.90 min lockerer Trailrun (ca. 12K/300 hm)
1 Einheit: 45 min im Wettkampftempo 10K oder HM (10K)
Wochenumfang: bis ca. 40 Kilometer/bis ca. 4 Stunden


Tapering-Phase (Woche 10, 11 und 12)

In den Wochen 10 und 11 dreht sich alles um Erholung. Lange langsame Dauerläufe weichen gezielt gesetzten Trainingsreizen, um bestmöglich vorbereitet an der Startlinie zu stehen. So beinhaltet die Woche 10 in etwa die Hälfte und die Woche 11 ungefähr ein Drittel des Umfanges der Trainingswoche 9.

In der Woche 12 finden noch zwei rund 45 Minuten kurze intensive Trainingseinheiten statt.

Trainingsperiodisierung - Wettkampfspezifische Vorbereitung auf einen Ultratrail


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Sonntag, 19. Januar 2020

19.01.2020: Crosslauf Graz 6.0 - Laufbericht

Crosslauf Graz 6.0 Laufbericht 2020
In den letzten zwei Monaten habe ich mich vermehrt dem Tempotraining gewidmet und die langen Dauerläufe außen vor gelassen. Bevor ich nun mit der 12 Wochen dauernden spezifischen Vorbereitung auf mein erstes Jahres-Highlight, einem 128 km langen Ultra-Trail im Rahmen der "100 Miles of Istria" beginne, soll ein kurzer, knackiger Wettkampf den Abschluss dieser Tempo-Trainingsperiode  bilden.

Meine Wahl ist auf den Crosslauf Graz gefallen. Veranstaltet wird der Crosslauf Graz, der heuer zum bereits 6. mal stattfindet, von runninGraz. Austragungsort ist das UNI Graz Sportzentrum (USZ) Rosenhain. Hier steht den Teilnehmern eine perfekte Infrastruktur zur Verfügung. Umkleiden und Duschen  sind großzügig vorhanden. Das Sportcafe mit ausreichenden Sitzplätzen lädt zum Aufladen der leeren Flüssigkeitsspeicher ein und eignet sich für die abschließende Siegerehrung.

Zudem ist der Veranstaltungsort gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen bzw. gibt es  in unmittelbarer Nähe in den grünen und blauen Kurzparkzonen der Stadt Graz ausreichend Parkmöglichkeiten, die sonntags kostenlos genutzt werden können.

Neben den Langstrecken für Damen und Herren (5,6 bzw. 8,8 Kilometer lang) sowie einer Kurzstrecke werden zahlreiche Kinder- und Jugendbewerbe ausgetragen. Die Kurzdistanz mit 4 Kilometer Länge bietet sich hervorragend an, um die Disziplin Crosslauf einfach mal auszuprobieren. Alle Bewerbe und die dazugehörigen Siegerehrungen sind zeitlich durchdacht angesetzt und werden ohne Verzögerungen durchgeführt.

Im Zuge der heutigen Veranstaltung wird zudem die Steirische Akademische Meisterschaft im Crosslauf ausgetragen. Startberechtigt sind hier alle Studierenden, Absolventen und Bediensteten der steirischen Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen.

Crosslauf Graz - Strecke
Der Start- und Zieldurchlauf ist auf der Tartanbahn des USZ eingerichtet. Das Oval der Kunststoffbahn ist auch der einzige Streckenabschnitt, der flach verläuft. Ansonsten ist die Streckenführung hier am Gelände des USZ Rosenhain sehr anspruchsvoll. Neben den für einen Crosslauf typischen häufigen Richtungswechseln, den unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten (Schotterwege und Wiesen) und den künstlichen Hindernissen wie quer liegende Baumstämme, gilt es hier zudem recht viele Höhenmeter zu überwinden. Bestzeitentauglich ist der Rundkurs also nicht, aber so ein Crosslauf macht viel Spaß, trainiert die Kraftausdauer und schult die Koordination sowie den Laufstil.

Ich bin für die Langstrecke gemeldet (8,8 km lang, 170 hm). Für 15 Euro Nenngeld erhält man die Startnummer samt integrierter Zeitnehmung, dazu einige Produktproben und Werbepapier. Wenige Stunden nach Ende der Veranstaltung werden über 600 tolle Fotoaufnahmen den Teilnehmern online zur Verfügung gestellt werden.

Neben der großartigen Organisation der Veranstaltung meint es auch das Wetter gut. Gestern gab es wolkenverhangenen Himmel und leichten Nieselregen. Heute kommt die Sonne zum Vorschein und die Temperaturen liegen deutlich über dem Gefrierpunkt.

Beim groben Studium des Rundkurses registriere ich einen recht hohen Anteil an auf Wiesenboden zu laufender Strecke. Ich entscheide mich daher für kurze Spikes, die ich in meine Laufschuhe des Modells La Sportiva Bushido schraube. Oben trage ich unter meinem Laufshirt des MT-Hausmannstätten einen langarmigen Base-Layer, an den Beinen eine Trail-Short mit Innen-Tights sowie Kompressionsstrümpfe. Haube und Handschuhe dürfen auch nicht fehlen.

copyright runninGraz - Crosslauf Graz
Gut aufgewärmt stehe ich mit rund 60 weiteren Teilnehmern am Start der Langdistanz. Wir alle werden vom Moderator namentlich aufgerufen. Pünktlich um 12:40 Uhr erfolgt der Countdown und schon geht es auf die erste verkürzte Runde. 5 vollständige Runden zu je 1,8 Kilometer werden folgen, um letztendlich die geforderten 8,8 km gelaufen zu sein.

Insgeheim erhoffe ich mir in meiner Altersklasse einen "Stockerl-Platz". Nach Durchsicht der Starterliste und angesichts des anspruchsvollen Streckenverlaufes schraube ich meine Erwartungen zurück. Mein Plan ist es jedoch, eine bestmögliche Zeit zu erlaufen. Getreu dem Motto: Es darf auch mal weh tun. Und das tut es auch nach kurzer Zeit. Fordernd sind die vielen  Richtungswechsel, das kupierte Gelände mit den zwar kurzen aber knackigen Anstiegen, die unebenen Bodenverhältnisse und die quer liegenden Baumstämme. Kurze Erholungsphasen verschaffen lediglich die Meter auf der Laufbahn bzw. die abschüssigen Streckenabschnitte. Aber auch hier gilt es aufmerksam zu sein und seine Schritte mit Bedacht zu setzen.

Aber es macht gehörigen Spaß. Und trotz aller Strapazen fühle ich mich gut in Form. Die schnellen Trainingseinheiten in den letzten Wochen zeigen neben einem hohen VO2max-Wert auf der Laufuhr auch auf der Strecke ihre Wirkung. Auch wenn es frustrierend ist, dass mich die Spitzenathleten nach zwei Drittel des Rennens überrunden. Weiß man allerdings, dass es sich dabei um Vizeweltmeister im Orientierungslauf und andere österreichischen Top-Athleten handelt, dann relativiert sich die Zeitdifferenz auf die Erstplatzierten.

copyright runninGraz - Crosslauf Graz
Ich teile mir den Lauf gut ein und überquere nach 40 Minuten und 58 Sekunden die Ziellinie. Ich platziere mich auf Platz 35 von 68 Teilnehmern auf der Langdistanz. In der Altersklasse belege ich den undankbaren, aber letztendlich sehr zufriedenstellenden 4. Rang. Schade, denn ich hätte mich gerne mit einer Lebkuchen-Medaille feiern lassen. Bei der abschließenden Warenpreisverlosung gehe ich ebenfalls leer aus. Aber auch das war zu erwarten ...

Fazit: Das Team von runninGraz bietet mit diesem gut organisierten Crosslauf eine tolle Plattform, diese spannende Facette des Laufsports kennen zu lernen. Auch die Infrastruktur rund um das USZ Rosenhain bietet alles, was das Läuferherz begehrt. Und schnelle Tempoeinheiten in den Wintermonaten verbessern nachhaltig die Grundgeschwindigkeit für das anstehende Laufjahr. Also klare Empfehlung zur Teilnahme!

19.01.2020: Crosslauf Graz - Laufbericht


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Samstag, 18. Januar 2020

Trainingsperiodisierung - Allgemeine Vorbereitung für Ultraläufer

Allgemeine Vorbereitung in die Ultratrailsaison 2020
Nach einer schweren Verletzung im Vorjahr, die letztendlich eine Teilnahme am kroatischen Ultratrail "100 Miles of Istria" unmöglich machte, versuche ich es heuer erneut.

Ich entscheide mich für den sogenannten "blue course". Der blaue Kurs startet in Lovran und führt auf 128 teils technisch sehr anspruchsvollen Kilometern und über rund 5000 Höhenmeter non stop nach Umag.

Ich untergliedere meine Vorbereitung in zwei Abschnitte: in die allgemeine und in die wettkampfspezifische Vorbereitung.

Dieser Blogbeitrag befasst sich mit der allgemeinen Vorbereitung zum Start in die neue Ultralaufsaison.

Die langen und eher langsamen Trainingseinheiten gehen zu Lasten des Lauftempos und des Laufstils. Daher hat die allgemeine Vorbereitung es zum Ziel, die Grundschnelligkeit zu steigern bzw. zumindest zu erhalten, die VO2max zu erhöhen und die Tempohärte zu stärken.

Den gewünschten Erfolg soll mir regelmäßiges Intervalltraining bringen.

Meine (aktuelle) Leistungsfähigkeit auf den Unterdistanzen:
10K-Bestzeit: 00:42:19 (2018)
HM-Bestzeit: 01:38:29 (datiert aus dem Jahr 2017)
Marathon-Bestzeit: 03:38:58 (2018)


Allgemeine Vorbereitung

Ich habe mir in den letzten beiden Jahren quantitativere, also umfangreichere Trainingspläne vorgeschrieben. Aber durch die Verletzungen im abgelaufenen Jahr versuche ich heuer, meinem Körper mehr Regenerationszeit zu geben und lege größeren Wert auf qualitative Einheiten.

Eine typische Woche in meiner allgemeinen Vorbereitung umfasst daher nur rund 55-60 Wochenkilometer. Die Einheiten setzen sich in etwa wie folgt zusammen:

1 Einheit: 11-13K lockeren Dauerlauf (5:15 min/km)
1 Einheit: Fahrtspiel am Trail (11K mit ca. 250 hm)
1 Einheit: Intervalltraining (1K in 4:05-4:10 min/km, 3 min Trab, 6-10 Wiederholungen, warm up, cool down)
1 Einheit: 15-20K langer, langsamer  Dauerlauf
Wochenumfang: ca. 55 - 60 Kilometer


Jede dritte, längstens jede vierte Trainingswoche muss der Regeneration dienen. In diesen Wochen laufe ich tempo- und umfangmäßig nach Lust, Laune und Wohlbefinden. In diesen Wochen pendle ich mich bei rund 40 Wochenkilometer ein.

Im weiteren Verlauf der allgemeinen Vorbereitung ersetze ich die 1K-Intervalle teils durch 3K-Intervalle. Ich reduziere dabei das Tempo auf etwa 4:20-4:30 min/km. Wiederholungen: 3-5, Trabpause 5 min. Warm up und cool down dürfen natürlich bei intensiven Einheiten nicht fehlen.

Den Abschluss meiner allgemeinen Vorbereitung bildet die Teilnahme am Crosslauf Graz. Ich erhoffe mir auf der 8,8 km langen Strecke eine Zeit unter 40 Minuten und eine Platzierung in der Nähe der AK-Podestplätze.

In meiner Rubrik "ultratrail spezial" stelle ich weitere Informationen zur wettkampfspezifischen Vorbereitung, zu Packlisten und Tempotabellen zur Verfügung.


Laufen im Winter


Eine besondere Herausforderung für das Training auf ein Frühjahrs-Event sind die teils winterlichen Streckenbeschaffenheiten und tiefen Temperaturen in der Vorbereitungsphase. Dazu kommen die kurzen Tage, sodass auf sehr vielen Trainingseinheiten die Stirnlampe ein steter Begleiter ist.

Ich mache Tempotraining letztendlich auch von den äußeren Bedingungen abhängig. Will heißen, liegen die Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt, verschiebe ich zu Gunsten meiner Gesundheit das Intervalltraining schon mal um einen Tag.

Ich habe vor einiger Zeit einen Blogbeitrag zum Thema "Laufen im Winter" veröffentlicht, der sich nach wie vor auf LeserInnen freut.

Trainingsperiodisierung - Allgemeine Vorbereitung für Ultraläufer


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Jahrbuch 2019

Der Laufbericht 2019 ist fertig gestellt.

Laufbericht 2019 #42undmehr - Jahresbericht 2019 und Vorschau 2020


Mein Jahresbericht für das Jahr 2019 ist im pdf-Format abgespeichert und kann unter nachfolgendem Link aufgerufen werden:


    Viel Vergnügen beim Lesen. Über Feedback freue ich mich sehr.


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    Samstag, 5. Oktober 2019

    05.10.2019: Morenic Trail - Laufbericht

    Morenic-Trail Streckenführung Andrate - Brosso
    Donnerstag Morgen: Das Auto ist voll betankt und mit dem Reisekoffer sowie 3 Boxen Laufutensilien beladen. Unseren Sohn wissen wir die kommenden Tage bei den Großeltern gut versorgt, sodass mich erstmalig meine Frau zu einem Ultralauf begleiten wird.

    Das Ziel unseres Kurztrips ist Ivrea, eine Kleinstadt in der Region Piemont, nahe Turin. Von hier aus werde ich Samstag Früh nach Andrate fahren um beim Morenic-Trail an den Start zu gehen.

    Der Morenic-Trail ist ein Langstreckenlauf über eine Distanz von 119 Kilometern. Den Namen verdankt der Trail den geologischen Gegebenheiten. Denn vor mehreren hunderttausend Jahren wanderten Gletschermassen durch das Aosta-Tal und hinterließen dabei einen Gürtel aus Gesteinsablagerungen rund um Ivrea. Diese Ablagerungen ähneln in ihrer Form einem Amphitheater. Der Morenic-Trail verläuft halbkreisförmig auf diesem Moränen-Gürtel und trägt daher eben diesen Namen.

    Der Start erfolgt in Andrate; das Ziel ist in Brosso, beides kleine Bergdörfer. Das Streckenprofil zeigt, dass auf der 119 km langen Strecke rund 2600 positive Höhenmeter auf die Teilnahmer warten, wobei die ersten 50 Kilometer tendenziell fallen. Auf der zweiten Streckenhälfte gilt es also, die verlorenen Höhenmeter wieder wettzumachen. Am Anspruchsvollsten sind wohl die letzten 20 Kilometer mit rund 1000 Höhenmeter.

    Der Morenic-Trail kann alleine, in einem 2er-Team oder in der Staffel gelaufen werden. Maximal 24 Stunden sind Zeit, um den Ultratrail erfolgreich zu finishen. Dafür gibt es 4 Punkte für den Ultra Trail du Mont Blanc (UTMB). Erreicht man unter 22 Stunden das Ziel, dann gilt der Morenic-Trail als Qualifikationslauf für den Western State Endurance Run (WSER).

    Altstadt von Verona
    Uns stehen 800 Kilometer Anreise bevor. Ich erwarte mir zwar keine Absolution von Greta Thunberg, aber ich halte es zumindest so, dass die Anreise zu einem Laufevent nicht länger sein darf, als ich für das Finish des Laufes benötige. Dann ist der Lauf für mich quasi co2-neutral. Für einen 10-Sekunden-Sprint zur WM nach Doha zu fliegen, käme also nicht in Frage ;-).

    Wir reisen jedoch nicht direkt nach Ivrea, sondern machen erstmal in Verona halt. Bei angenehmen Temperaturen vertreten wir uns die Beine und genießen den Charme der mittelalterlichen Stadt. Bei unserer Sightseeing-Tour bestaunen wir unter anderem die Arena di Verona, den Piazza della Erbe oder auch die Casa di Giulietta.

    Nach einer Nächtigung in einem B&B nur wenige Meter abseits der Altstadt und einem schmackhaften Frühstück bummeln wir noch ein wenig durch die Gassen Veronas, bevor wir nach Ivrea weiterreisen.

    Auf der Autobahn, deren Benützung uns ab Tarviso bis Ivrea stolze 55 Euro Autobahngebühr kosten wird, fahren wir an Mailand und am Gardasee vorbei. Nach 3 Stunden Autofahrt haben wir Ivrea erreicht und checken im Best Western Hotel Ivrea ein. Unweit des Hotels findet im Canoa Club Ivrea (Kanu-Club) zwischen 17:00 und 19:00 Uhr die Startnummernabholung und ein kurzes Racebriefing statt. Alternativ kann die Startnummer auch am frühen Morgen des Renntages direkt beim Start in Andrate übernommen werden.

    Die Abholung des Startpaketes ist unkompliziert, freundlich und familiär. Mein Englisch wird gut verstanden. Kurios nur kurz die Situation, als der freundliche Helfer meinte, ich wäre doch gerade eben schon hier gewesen und hätte meine Startnummer bereits abgeholt. Scheinbar ist heuer ein Doppelgänger mit am Start. Ich werde im Verlauf des Rennens jedoch niemanden ausfindig machen, dem ich eine Ähnlichkeit mit mir attestieren möchte.

    Zum Teilnehmerfeld ist zu sagen, dass es mit 137 Einzelstartern sehr überschaubar ist. Das vorwiegend italienische Starterfeld wird durch eine Handvoll Deutsche, Einzelläufer aus Australien, Ungarn, Litauen, Polen, Finnland, Großbritannien, Rumänien, Frankreich und mich aus Österreich ergänzt. Der Morenic-Trail finden dieses Jahr zum 10. Mal statt und bei den vorangegangenen 9 Austragungen standen lediglich 4 mal Vertreter aus Österreich an der Startlinie.

    Zurück zum Startpaket: Zwischen 70 und 90 Euro (je nach Anmeldezeitpunkt) kostet der Einzelstart. Die Anmeldung habe ich vor einigen Wochen online durchgeführt. Für Teilnahmen an Laufveranstaltungen in Italien ist die Vorlage eines unterzeichneten Haftungsausschlusses sowie eines Attestes, in dem die erforderliche Gesundheit und Fitness für einen solchen Langstreckenlauf ärztlich bestätigt wird, obligatorisch.

    Für sein Startgeld erhält man die Startnummer, Verpflegung entlang der Strecke und im Ziel sowie eine Finisher-Medaille. Dazu gibt es eine Flasche Wein aus der Region und eine Packung Polenta. Ein Gepäcktransport vom Start in Andrate zum Ziel nach Brosso wird ebenso wie ein Bustransfer für die Teilnehmer von Ivrea nach Andrate als auch von Brosso zurück nach Ivrea angeboten.

    Wir bummeln noch ein wenig durch die Gassen von Ivrea. Zum Abendessen gönne ich mir eine Pizza und im Hotelzimmer treffe ich letzte Vorkehrungen für den morgigen Start: Die Startnummer wird an das Startnummernband geheftet, die < Pflichtausrüstung (und mehr) > wird im Rucksack verstaut, die Klamotten für den Renntag bereit gelegt.

    Das leckere Frühstücksbuffet lasse ich fast unangetastet. Nur eine Tasse Kaffee und ein Toastbrot mit Honig darf es sein. Vom Hotel zum Start sind es rund 20 Minuten Fahrzeit. Während wir die letzten Kehren zum Bergdorf Andrate hochfahren, macht sich doch untypisch große Anspannung bemerkbar. Die fremde Sprache, die bevorstehenden vielen Stunden in der Dunkelheit, das Fragezeichen über meine körperliche Fitness verursachen Unbehagen.

    große, kleine, runde, spitze Steine ...
    Andrate ist zu klein, um den Startbereich des Morenic-Trail nicht auf Anhieb zu finden. Zumal man nur dem Autokonvoi folgen muss, um zielsicher anzukommen. Für die Fahrzeuge steht ein großer Parkplatz zur Verfügung. Wir sind hier auf knapp 800 Meter Seehöhe. Es hat rund 8 Grad. Mich fröstelt ein wenig und ich ziehe mir einen warmen Hoodie über.

    Auf zum Material-Check! Ich wende mich an eine englisch sprechende Mitarbeiterin. Ich weise die Pflicht-Ausrüstungsgegenstände vor und erhalte das "GO", in dem meine Startnummer gescannt wird. Nun bin ich für den Start freigegeben. Meine Frau macht eifrig Fotos, während ich meine Mitstreiter beobachte und wie so häufig feststelle, dass alle anderen Teilnehmer wohl fitter und trainierter sind als ich.

    Kurz vor dem Start gibt es noch aktuelle Informationen zum Wetter, zur Streckenführung- und markierung, zum Verhalten auf der Straße etc. in italienischer und englischer Sprache. Und dann sind da noch diese Steine: Runde, glatte, rauhe, spitze Steine, im Durchmesser von 4-5 Zentimeter und mit roter Farbe bemalt, liegen auf einem Haufen da. Ich erfrage, dass man dieses Symbol des Morenic-Trail in seinen Rucksack packen und mit ins Ziel tragen soll. Also ab mit dem Stein in den Rucksack! Wenn schon Morenic-Trail, dann richtig Morenic-Trail! Ob wirklich jeder Teilnehmer einen Stein im Rucksack hat, wage ich anzuzweifeln.

    Eine Musiksequenz wird abgespielt und der Countdown auf italienisch heruntergezählt. "ZERO"! Endlich geht es los. Der Morenic-Trail ist gestartet. Das Teilnehmerfeld setzt sich flott in Bewegung. Ich verabschiede mich von meiner Frau, die noch immer Foto um Foto schießt und folge der geteerten Straße aufwärts. Obwohl auf dem ersten Kilometer beinahe 100 Höhenmeter an Steigung vorhanden sind, ist das Tempo hoch. Nach einem guten Kilometer weicht der Asphaltweg einem Single-Trail. Hier entlang des Kammes der Serra d´Ivrea, auf einer der besterhaltensten Moränen Europas, erhalte ich einen Vorgeschmack auf die Streckenbeschaffenheit der kommenden Stunden. Die Pfade des Morenic-Trails sind übersät mit Steinen und Wurzeln.

    Morenic-Trail Region Piemont
    Eingereiht am Single-Trail kann ich vorerst nicht mein Wohlfühltempo laufen. Ich bin zu sehr auf die Geschwindigkeit der Vorderleute eingeschränkt. Überholen ist schwierig und kräftezehrend. Die Strecke führt leicht bergab, windet sich eng um Bäume, ist verwurzelt und steinig.

    Nach rund 4 Kilometer habe ich mich aus dem Pulk befreien können. Es fühlt sich gut an, das eigene Tempo zu laufen. In Gedanken bin ich bei meiner Frau. Ich hoffe, dass sie wieder gut im Hotel angekommen ist. Wir haben vereinbart, uns bei der großen Wechselzone in Mazze bei km 64 zu treffen. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter, steiniger Weg. Die Strecke führt auf der ersten Hälfte großteils bergab. Daher rechne ich insgeheim mit rund 7 Stunden Laufzeit bis zu meinem Eintreffen in Mazze.

    Die Aussicht auf den ersten 14 Kilometern beschränkt sich auf steinige Wege und Wald. Es ist kein Wald mit südländischem Flair, es ist Mischwald; Laub- und Nadelbäume wie ich sie von zu Hause kenne. Langweilig, enttäuschend ... Ich habe auf mehr optischen Reizen gehofft.

    Ich erreiche die erste Verpflegestelle in Magnano. Ich entscheide mich für ein Gel aus meinem Laufrucksack. Ich fülle meine Wasserflasche auf, verabschiede mich mit einem knappen "Grazie" und mache mich wieder auf den Weg. Dieser führt abermals in den Wald. An der Beschaffenheit der Strecke hat sich nichts geändert. Der Pfad ist nach wie vor sehr steinig. Aber meine Beine kennen diese Art von Geläuf vom Kainacher Bergmarathon, vom 3-Gipfel-Lauf in Wald oder vom Stanzer Trailrun und nehmen die Gegebenheiten stillschweigend hin.

    Kastanien am Morenic-Trail
    Das erste Higlight ist der Blick auf die malerische Kirche von San Grato, bevor es weiter bergab der Labestelle und zugleich ersten Wechselzone der Staffelläufer zum Lago di Bertignano geht. Damit ist auch das erste mentale Etappenziel erreicht. Wie immer zerpflücke ich ultralange Laufstrecken gedanklich in kleine Happen.

    Hier herrscht fröhliches, ausgelassenes italienisches Treiben. Meine Startnummer wird gescannt und im live-timing wird für die ersten 25,3 Kilometer eine Laufzeit von 2 Stunden und 34 Minuten protokolliert. Das bedeutet aktuell Position 44. Ich greife zu Cola, Wasser und einem weiteren Gel.

    Die Strecke verläuft nun kupiert. Mal geht es ein paar Höhenmeter hoch, mal wieder bergab. Verwurzelte Waldwege wechseln sich mit steinigen Pfaden ab. Vereinzelte Teilstücke dürfen auf geteerten Straßen oder gepflasterten Wegen gelaufen werden. Den Füßen freut die Abwechslung. Im Mischwald häufen sich Kastanienbäume. So säumen nicht nur runde, flache, grobe, spitze, große, kleine Steine sondern auch stachelige Fruchtbecher und leckere Kastanien den Weg.

    Der Morenic-Trail hat den Wald verlassen. Ich werde mit einem großartigen Panoramablick über den Lago di Viverone belohnt. An der Verpflegestelle steht unter anderem Bier bereit. Ich trinke zwei Becher. Erst später erfahre ich, dass es alkoholisches Bier war. Egal. Im späteren Verlauf des Rennens wird auch Weißwein und Prosecco im Angebot der Labestationen sein.

    Masino ist erreicht! Das übliche Prozedere: Die Startnummer wird gescannt und im live-tracking werde ich ab sofort an Position 38 geführt. 4 Stunden und 42 Minuten habe ich für die ersten 43 Kilometer benötigt. Die Strecke führt uns durch das liebliche Dorf Maglione. Bellende Hunde stören die Idylle. Das Gekläffe zieht sich nebst den steinigen Wegen wie ein roter Faden über den Morenic-Trail. Hier in der Region Ivrea hat gefühlt jeder Hausbesitzer seinen eigenen Wachhund und alle stürmen warnend bellend und knurrend an die Gartenzäune.

    Auf Feld-, Wiesen und Schotterwegen geht es - nach wie vor meist fallend - am "Heiligtum der Madonna di Miralta" vorbei. Die kleine Kirche aus dem 10. Jahrhundert ist das einzige erhaltene Bauwerk der mittelalterlichen Stadt Miralta.

    Dora Baltea - Überfahrt mit motorisierten Schlauchbooten
    Im Grunde fühle ich mich gut. Lediglich meine rechte Kniekehle vermittelt das Gefühl, nicht ganz rund zu laufen. Ich labe mich regelmäßig an den gut ausgestatteten Verpflegestellen. Neben Cola, Wasser oder Iso wird mancherorts auch Schokolade oder Käse und Weißbrot angeboten.

    Auf feinkiesigen Schotterwegen laufe ich am Lago di Maglione und Lago di Moncrivello vorbei. Das mental sehr wichtige Etappenziel, die Verpflege- und Wechselstation in Mazze, kommt immer näher. Ich freue mich schon sehr auf das Treffen mit meiner Frau. Zuvor gilt es jedoch, die Dora Baltea zu queren. Für die Überfahrt stehen motorisierte Schlauchboote bereit. Als ich auf der Homepage über den Schiffstransfer gelesen habe, war ich skeptisch. Heute ist es eine willkommene Abwechslung und es macht großen Spaß. Freundliche Helfer reichen eine Schwimmweste und im Nu hat man den rund 70 Meter breiten Fluss gequert. Das Sitzen im Schlauchboot ist eine Wohltat und gerne hätte ich noch die eine oder andere Überfahrt genossen. Ein steiler Aufstieg wartet, bevor es moderat fallend in das Ortszentrum von Mazze geht.

    Ich sehe meinen Schatz! Was für eine Freude und auch gänzlich neue Erfahrung. Meine Frau war noch bei keinem meiner Ultralauf-Teilnahmen an der Strecke. Wieder wird die Startnummer gescannt. 7 Stunden und 32 Minuten bin ich auf den Beinen. Ich habe wieder 3 Plätze gut gemacht und bin an Position 35 gelistet.

    Hier in Mazze verbringe ich rund 15 Minuten. Viele Teilnehmer lassen sich hier supporten. Es werden frische Schuhe gereicht, Blessuren mit Vereisungsspray behandelt, Rucksäcke neu befüllt. Da ich mich im Vorfeld nicht darüber informiert habe, ob ein Support zulässig ist, verzichte ich bewusst darauf. Ich riskiere keine Disqualifikation. Die Anwesenheit meiner Frau ist für mich Unterstützung genug. Ich labe mich ausgiebig und schildere meinem Schatz die Eindrücke der ersten Streckenhälfte. Ich stelle mich auf den anspruchsvolleren zweiten Teil des Morenic-Trail ein. Wir vereinbaren, uns erst wieder im Ziel in Brosso zu sehen. Ich verspreche, mich zu beeilen, damit es nicht zu spät wird. Es fällt mir schwer, meine Frau hier allein zurück zu lassen und weiterzulaufen.

    Steine auch im Schein der Stirnlampe
    Ein steiler Aufstieg zum Castellazzo di Caluso stimmt mich auf die weiteren Kilometer ein. Immerhin fehlen noch knapp 2000 Höhenmeter auf das angegebene Soll. Völlig überraschend wartet meine Frau am Anstieg zur Kirche Santo Stefano auf mich. Wie schön! Wir wechseln ein paar Worte, ich posiere für Fotos und steige weiter aufwärts. Einige Höhenmeter später erwartet mich eine Verpflegestation mit warmen Speisen. Aber ich verzichte auf Pasta und Co. Ich stehe während eines Wettkampfes für keine Verpflegungs-Experimente zur Verfügung, so lecker die Pasta mit Parmesan auch schmecken mag. Dazu ein Glas Wein? Verlockend, aber nicht jetzt. Der Scan meiner Startnummer zeigt, dass mittlerweile 9 Stunden und 17 Minuten seit dem Start um 9 Uhr morgens vergangen sind. Bedingt durch den langen Stop in Mazze habe ich ein paar Positionen verloren und liege nun an 42. Stelle.

    Ich motiviere mich damit, nur mehr einen Marathon vor mir zu haben. Schon merkwürdig, mit welch abstrusen Gedanken der Geist positiv gestimmt werden kann. Anfangs sorgte ich mich der Nachtstunden wegen. Jetzt bin ich froh, bald in der Dunkelheit den ungetrübten Blick auf den mittlerweile verhassten Wald und die steinigen Wege zu verlieren. Meine obere Wade bzw. die Kniekehle schmerzen zunehmend.

    Die Dämmerung weicht recht schnell der Dunkelheit. Um 19:15 Uhr nehme ich die Stirnlampe in Betrieb. Der Weg findet sich durch die reflektierenden Markierungsbänder wie von selbst. Es ist um mich herum sehr ruhig. Lediglich Hundegebell aus einer tiefer liegenden Ortschaft nehme ich wahr.

    Steil nach oben führende Streckenabschnitte werden häufiger. Single-Trails wechseln sich weiterhin mit Waldwegen, gepflasterte Straßen durch kleine Ortschaften ab. Die Schmerzen in der Wade und Kniekehle werden vehementer. Ich telefoniere mit meiner Frau und deute an, wohl aufgeben zu müssen. Aber vorerst bleibe ich am Trail. Bis zur Ortschaft Vialfré habe ich wieder 3 Positionen gut gemacht.

    Ich laufe durch spärlich beleuchtete Gassen der Ortschaft Torre Canavese. An der Verpflegestelle wird mir ein Hot Dog angeboten. Ich lehne dankend ab und lasse mir eines meiner letzten Gels schmecken. So lecker eine Wurst auch wäre, sie würde nur eine unnötige Belastung für den Verdauungsapparat darstellen. Fakten: 92,5 Kilometer / 12 Stunden und 10 Minuten / Pos. 37

    Ich nähere mich der Wechselzone/Verpflegestelle Ponte Preti bei Kilometer 100. Die spektakuläre Brücke über den Fluss Chiusella leuchtet im Fackelschein und bietet einen wunderschönen Anblick.

    Die letzte Etappe beginnt mit einem sehr steilen Anstieg. Stufe um Stufe geht es beinahe vertikal empor. Aber das stört mich nicht. Kraft ist vorhanden. Und bergauf sind die Schmerzen in der Wade und Kniekehle deutlich leichter zu ertragen als auf fallenden Streckenabschnitten. Es geht entlang der Chiusella-Moräne weiter aufwärts. Ich überhole zwei Teilnehmer. Meine Trailrunning-Stöcke leisten in Anstiegen wie immer wertvolle Dienste. Der Trail führt über das Nonani-Plateau und an den beiden kleineren Seen Lago di Alice und Lago di Meugliano vorbei. All das nehme ich in der Dunkelheit jedoch nicht wahr. Der Lichtkegel meiner Stirnlampe ist auf den Trail unmittelbar vor mir gerichtet.

    8 Kilometer vor dem Ziel passiere ich die letzte Verpflegestation. Ich esse ein paar Stück Schnitten und trinke reichlich Cola. Ich gebe meiner Frau Bescheid, dass ich in rund zwei Stunden in Brosso sein werde. 8 Kilometer = 2 Stunden! Es ist frustrierend, aber schneller kann ich mich nicht mehr fortbewegen. Es ist eher ein humpeln als ein hiken oder laufen. Aber ich bin felsenfest überzeugt, auch diesen Lauf wieder erfolgreich zu Ende zu bringen. Zwei Tage später wird mir ärztlich bestätigt werden, dass für die Schmerzen ein Muskelfaserriss in der Wadenmuskulatur und eine ausgeprägte Bakerzyste verantwortlich waren und ein Abbruch des Laufes keine unkluge Entscheidung gewesen wäre.

    Finisher-Medaille
    Es ist halb drei Uhr am Morgen und Brosso ist in Sichtweite! Die Streckenführung verläuft jedoch nicht direkt in das Dorfzentrum, wo Moderation und Musik bereits zu hören sind, sondern führt umwegig über eine feuchte Wiese und über eine Treppe, bevor man wieder auf asphaltierter Straße angekommen ist. Etwa 300 Meter vor dem Ziel steht ein Topf mit roter Farbe. Ich bemale mir intuitiv damit die Wangen und hinke der Ziellinie entgegen.

    Nach 17 Stunden und 47 Minuten habe ich es geschafft. Ich habe den Morenic-Trail erfolgreich zu Ende gebracht und zugleich die Qualifikation für die WSER-Lotterie in der Tasche. Ich werde sehr herzlich in Brosso willkommen geheißen. Es wird mir die aus Ton gefertigte Finisher-Medaille um den Hals gehängt und ein Ziel-Foto gemacht. Dann gibt´s noch Gutscheine für Bier und Pasta.

    "Ewige Bestenliste" Morenic-Trail
    Platziert habe ich mich an 40. Stelle von 137 gestarteten Teilnehmern. 40 Starter haben es leider nicht bis ins Ziel nach Brosso geschafft. In meiner Altersklasse belege ich den für mich sehr zufriedenstellenden 5. Rang. Auch kann ich mich daran erfreuen, zumindest für ein Jahr die "Ewige Bestenliste" der österreichischen Teilnehmer beim Morenic-Trail anzuführen. Noch nie war ein Teilnehmer aus Österreich am Morenic-Trail schneller im Ziel als ich im heurigen Jahr.

    Ich trinke das Bier; Hunger habe ich keinen. Ich bekomme Schüttelfrost, kann kaum noch gehen. Mein Schatz fährt uns zurück ins Hotel. Am nächsten Tag geht es nach Hause. Ein paar Tage später wird der Veranstalter sehr viele wunderbare Fotos kostenlos zur Verfügung stellen.



    Morenic-Trail Finisher 2019
    Fazit: Während des Rennens war ich ob der vermeintlich seltenen landschaftlichen Highlights enttäuscht. Negativ beeinflusst vermutlich auch von der Tatsache, dass gerade zu Beginn des Laufes die Strecke viele Stunden durch dichten Wald führte. Die Schmerzen waren gegen Ende des Rennens sehr groß, sodass ein vorzeitiges Beenden des Laufes eine vernünftige Entscheidung gewesen wäre. Aber es ist nicht mein Naturell, einen Lauf aufzugeben. Zu stolz bin ich auf meine Null-Prozent-DNF-Quote.

    Zwei Tage nach dem Lauf wurde ich in der ärztlichen Ambulanz vorstellig, da Wade und Kniekehle deutliche Schwellungen aufgewiesen haben. Wie bereits im Bericht erwähnt, sind ein Muskelfaserriss und eine ausgeprägte Bakerzyste diagnostiziert worden. Die Schwellung ist mittlerweile abgeheilt und die Belastbarkeit des Beins nimmt täglich zu.

    Je distanzierter ich auf den Morenic-Trail zurück blicke, umso positiver stehe ich dem Lauferlebnis in der Region Piemont gegenüber. Die vielen Fotos zeigen doch eine erhebliche Zahl an landschaftlichen Reizen auf, die auch nach und nach in Erinnerung kehren. Die Querung der Dora Baltea war ein zusätzliches Erlebnis. Letztendlich bin ich froh, in Andrate beim Morenic-Trail am Start gestanden zu sein.

    Das Organisationsteam rund um den Morenic-Trail muss lobend erwähnt werden. Für vergleichbar sehr geringes Startgeld wird hier eine lückenlose Streckenmarkierung, gut positionierte und ausgestattete Versorgungsstellen, überaus freundliche Helfer, viele kostenlose Fotos, eine spektakuläre Flussquerung, eine schöne Medaille und vieles mehr geboten.

    05.10.2019: Morenic Trail - Laufbericht


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    Samstag, 21. September 2019

    21.09.2019: Stanzer Trailrun - Laufbericht

    Stanzer Trailrun 2019
    Während ich zum Gipfelkreuz des Hochschlag empor steige, denke ich an das Jahr 2017 zurück: Vor zwei Jahren kroch ich hier beinahe auf allen Vieren den teils sehr steilen Pfad hoch, musste Erholungspausen einlegen, um es überhaupt auf den Gipfel zu schaffen. Fernsicht? Fehlanzeige! Es war nebelig trüb. Die Tage zuvor hatte es stark geregnet. Entsprechend teils knöcheltief matschig waren die Wege. Meine Zielzeit verfehlte ich klar. Knapp 6 Stunden benötigte ich für die 48 Kilometer lange Strecke mit 1900 Höhenmeter.

    Heute ist vieles anders. Obwohl meine Beine diese Woche bereits 60 Trainingskilometer gelaufen sind, erklimme ich fast mühelos die vielen Anstiege. Meine Vorgabe, nach Körpergefühl und nicht nach Zeit zu laufen, lässt den diesjährigen Stanzer Trailrun zu einem wunderbaren Erlebnis werden.

    Aber von vorne: Stanz im Mürztal ist bereits zum 10. Mal Schauplatz des sogenannten Stanzer Trailrun. Die sehr anspruchsvolle Strecke weist auf 49 Kilometer Distanz 1900 positive Höhenmeter auf. Der überwiegende Teil der Strecke führt auf Singlepfaden durch den Wald und über Almwiesen, über verwurzelte Rinnen oder Schotterwege und Forststraßen. Wer sich die fordernde Marathondistanz nicht zutraut, hat alternativ die Kurzdistanz (immerhin auch 19 Kilometer Distanz und 900 Höhenmeter) zur Auswahl bzw. kann der Stanzer Trailrun auch als Mitglied einer 3er-Staffel in Angriff nehmen.

    Der Start- und Zielbereich befindet sich direkt im Ort Stanz unmittelbar vor der Sport- und Kulturhalle. Hier stehen auch Umkleiden und Duschen bereit. Für Speis und Trank ist ebenfalls bestens gesorgt.

    Die Anreise aus dem Süden von Graz dauert keine Stunde. Auch die Abholung der Startunterlagen ist unkompliziert und rasch erledigt. Was sofort auffällt? Freundlich und hilfsbereit sind hier alle, und diese Tatsache zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Veranstaltung. Der Läufer steht hier im Mittelpunkt! Für ein Nenngeld von 40 Euro gibt es ein optisch sehr ansprechendes Funktionsshirt, einen Essensbon sowie die Verpflegung an rund 10 Labestellen entlang der Strecke. Im Ziel steht zudem ein Kuchenbuffet zum Auffüllen der Kohlenhydratspeicher bereit. Die Zeitmessung erfolgt beim Stanzer Trailrun manuell.

    Auf die Strecke möchte ich heute nicht nochmals näher eingehen. Dazu darf ich auf meinen Laufbericht aus dem Jahr 2017 verweisen, wo ich die 3 Teilstücke des Stanzer Trailrun recht detailliert beschrieben habe: < Stanzer Trailrun - Laufbericht 2017 >

    Soviel sei jedoch gesagt: Die Streckenmarkierung ist im heurigen Jahr lückenlos und lässt kein Verlaufen zu. Die Verpflegestellen sind in ausreichender Anzahl vorhanden, gut positioniert und mit Iso, Wasser, Riegel, Obst etc. ausgestattet.

    Stanzer Trailrun - Hochschlag Gipfelkreuz
    Ich laufe den Stanzer Trailrun als lockeren, langen Dauerlauf, wähle von Beginn weg das Tempo nach Körpergefühl und habe bei spätsommerlichem Wetter eine tolle Lauferfahrung. Letztendlich benötige ich für die 49 Kilometer lange Strecke 5 Stunden, 29 Minuten und 26 Sekunden. Damit platziere ich mich auf dem 12. Platz meiner Altersklasse.


    Fazit

    Der Stanzer Trailrun ist anspruchsvoll und eher gut trainierten Ausdauersportlern vorbehalten. Spielt das Wetter mit, lädt die Landschaft zum Genießen ein. Die Organisation lässt keine Schwächen erkennen. Die zahlreichen Helfer sind stehts gut gelaunt, hilfsbereit und motivierend. Die Strecke ist unmissverständlich beschildert, die Labestellen sind ausreichend bestückt. Ich kann den Stanzer Trailrun vorbehaltlos empfehlen.


    21.09.2019: Stanzer Trailrun - Laufbericht


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