Sonntag, 8. Oktober 2023

08.10.2023: Kleine Zeitung Graz Marathon - Ein Spiegelbild meiner Läuferseele

Der Graz-Marathon feiert Jubiläum! Am 8. Oktober 2023 geht die 30. Auflage des Kleine Zeitung Graz Marathon über die Bühne. Ich selbst stehe in der Landeshauptstadt zum 6. Mal am Start über die klassische Marathon-Distanz und werde gemeinsam mit weiteren rund 750 Teilnehmer:innen die 42,195 Kilometer lange Strecke in Angriff nehmen. Aber auch zahlreiche Unterdistanzen stehen zur Auswahl: Neben Kinder- und Jugendläufen sowie dem Familienlauf werden weiters ein Viertel-, Halb- und der Staffelmarathon angeboten. Der 5 Kilometer lange City Run, ein Bewerb für die Nordic Walker und der bei den Kleinsten sehr beliebte Maskottchenlauf runden das vielseitige Bewerbs-Potpourri ab.

Die Zeitnehmung erfolgt durch die Firma MaxFun Timing. Der Transponder hierfür ist in die Startnummer integriert. Nur die Staffelläufer tragen den Zeit-Chip mittels Klettband am Handgelenk, damit die Übergabe beim Wechsel zügig von statten gehen kann. Das Fotoservice übernimmt Foto Viertbauer. 2-3 Tage nach dem Laufevent können die Fotos online betrachtet und bei Gefallen bestellt werden.

Ich starte wiederholt den Selbstversuch, ohne adäquates Tempotraining die Kilometer mit knapp unter 5 Minuten zu laufen. Es ist zwar nicht schlau zu schnell zu starten, um mit Vorsatz dann auf dem letzten Viertel einzubrechen. Aber es ist für mich schon Tradition, hier beim Kleine Zeitung Graz Marathon diese leidvolle Erfahrung zu machen.

Meinen Plan, mich von Start weg im Windschatten des Pacers mit der Zielzeit 3:30 Stunden aufzuhalten, verwerfe ich bereits auf der Startgeraden. Viel zu schnell läuft er aus meiner Sicht die ersten Kilometer. Das zeigt auch die Durchgangszeit von 14:19 Minuten nach 3 Kilometer. Ich laufe daher mein eigenes Ding.

Letztendlich schaffe ich es tatsächlich, bis Kilometer 34 auf die Zielzeit 3:30 Stunden unterwegs zu sein. Dann wird mir jedoch die Rechnung des zu hohen Anfangstempos präsentiert. Mich plagen Krämpfe in den Oberschenkeln und sogar in den Füßen. So schmerzhaft diese Erfahrungen sind, ich finde sie fair. Denn ohne entsprechender Vorbereitung gibt es in der Leichtathletik in der Regel nichts zu ernten. Ich möchte keine Muskelverletzung riskieren. Und mir fehlt zugegebenermaßen auch der letzte Biss. Es ist ein wenig ein Spiegelbild meiner Läuferseele. Seit ich mir im letzten Jahr mit der Teilnahme am Western States 100 meinen sportlichen Lebenstraum erfüllt habe, bin ich auf der Suche nach einem neuen Traum oder zumindest einem neuen großen Ziel. Das ist aber gar nicht so einfach. Man kann es nicht erzwingen, einen neuen, inspirierenden Lauftraum zu haben. 

So mache ich auf den letzten Kilometern regelmäßig Pausen, um die Muskulatur zu dehnen und zu lockern. Manch ein Mitläufer will das jedoch nicht akzeptieren. Ich finde es völlig befremdlich, dass ich zum Teil richtig energisch aufgefordert werden, es im Laufschritt zu Ende zu bringen. Einer greift mir sogar an die Schulter und will mich vorwärts ziehen. Geht´s noch? Diese Art der Motivation brauche ich nicht. Ich könnte die vierfache Distanz laufen. "Lasst mich doch einfach in Ruhe", denke ich mir und trabe weiter Richtung Ziellinie.

Abgerundet wird der Ausflug in die Landeshauptstadt mit einer kleinen, überfüllten Umkleide mit noch überfüllteren Containerduschen. Aber ich weiß natürlich, worauf ich mich Jahr für Jahr einlasse. Von daher gibt es in Richtung Veranstalter auch keine Vorwürfe.

08.10.2023: Kleine Zeitung Graz Marathon - Laufbericht


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Sonntag, 10. September 2023

10.09.2023: öFiber Trail Run Graz - Laufbericht

Bei prächtigem Spätsommerwetter feiert der öFIBER Trail Run Graz seine Premiere. Laut Veranstalter wartet auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine einzigartige Strecke auf malerischen Waldwegen bis nach Mariatrost.

"Ein urbaner Trail-Wettkampf fehlt hier bei uns!", hat sich wohl das Team von runninGraz gedacht und den öFIBER Trail Run Graz ins Leben gerufen. Und der Veranstalter scheint recht zu behalten. Denn die Premiere lockt bei herrlichem Spätsommerwetter beinahe 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Start- und Zielgelände an den Hilmteich. Zur Auswahl stehen Distanzen von 5,5 Kilometer und 10 Kilometer. Ein Kids-Trail über 1000 Meter steht für die Nachwuchssportler bereit.

Ich selbst gehe beim 10 Kilometer langen öFIBER Trail Run mit ca. 360 Höhenmeter an den Start. Mit meiner Laufzeit von 50:36 Minuten bin ich sehr zufrieden und platziere mich auf dem 2. Rang meiner Altersklasse. Die Strecke ist großartig gewählt und die Markierung lückenlos. Wer sie braucht, findet gut platzierte Labestellen. Das Organisationsteam von runninGraz ist freundlich und motivierend. Der Start- und Zielbereich direkt am Hilmteich ist toll gewählt. Und auch eine Finisher-Medaille fehlt nicht. Ganz klare Empfehlung!

10.09.2023: öFiber Trail Run Graz - Laufbericht


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Samstag, 24. Juni 2023

24.06.2023: 35. Veitscher Grenzstaffellauf - Laufbericht

Den Veitscher Grenzstaffellauf habe ich schon längere Zeit am Radar. Bislang passte es terminlich allerdings nicht, in St. Barbara im Mürztal an den Start zu gehen. Nun drängt es aber, denn der Veranstalter verkündet wenige Tage vor dem Start, dass der Veitscher Grenzstaffellauf im heurigen Jahr nicht nur zum 35. Mal, sondern auch zum letzten Mal ausgetragen wird.

Laut Veranstalter hat der Grenzstaffellauf eine Länge von 54 Kilometer inklusive 2.300 positive Höhenmeter. Nach dem Studium der Ergebnislisten der Vorjahre bin ich zum Schluss gekommen, dass die Strecke irrsinnig schnell sein muss (was ob der Höhenmeter nicht schlüssig scheint), oder die Angabe der Distanz stimmt nicht so ganz. Nach dem Lauf habe ich Gewissheit, dass die Strecke deutlich kürzer ist als angegeben.

Die Anreise aus dem Süden von Graz ist in einer guten Stunde erledigt. Auch die Abholung der Startunterlagen geht rasch vonstatten. Ich bringe eines meiner handsignierten Bücher für die Warenpreisverlosung mit.

Leider muss die Streckenführung geringfügig abgeändert werden. Der Gipfel der Hohen Veitsch kann heute nicht belaufen werden. Windspitzen bis zu 100 km/h und tiefe Temperaturen veranlassen den Veranstalter, eine Schlechtwettervariante zu laufen. Die Strecke sei nun in etwa 2 Kilometer kürzer, weise jedoch immer noch äußerst selektive 1.900 Höhenmeter auf. Soweit die letzten Infos des Veranstalters.

Ich möchte mir heute einen Genusslauf gönnen und laufe die Strecke im Wohlfühltempo. Es gelingt mir eine hervorragende Einteilung meiner Kraftreserven. So kann ich auch noch die letzten Kilometer genießen und klassiere mich mit einer Laufzeit von 5 Stunden und 37 Minuten auf Platz 5 meiner Altersklasse. Stöcke und Sonnenbrille habe ich zwar in der Laufweste mit dabei. Beides wird aber nicht benötigt. Letztendlich hat der Veitscher Grenzstaffellauf eine Distanz von rund 46 Kilometer.

Ein Lob dem Veranstalter: Der Teilnehmer findet hier beim Veitscher Grenzstaffellauf eine sehr gut organisierte Veranstaltung samt lückenloser Streckenmarkierung, reichlich Verpflegestellen, einem abwechslungsreichen Laufuntergrund, ein Zielfest mit Speis' und Trank, freundliche Helfer:innen, Duschmöglichkeiten beim Jufa und noch einiges mehr. Ich hoffe, dass dieser Lauf doch nicht das letzte Mal stattgefunden hat.

24.06.2023: Veitscher Grenzstaffellauf - Laufbericht


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Mittwoch, 14. Juni 2023

14.06.2023: 2. Graz Airport Run - Laufbericht

Wenn während des aktiven Flugbetriebs auf Teilstrecken der Start- und Landebahn am Grazer Flughafen gelaufen werden darf, sollte man sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Airport Run Graz
Der Airport Run Graz findet heuer zum zweiten Mal statt. Im Vorjahr war ich in Kalifornien und erfüllte mir meinen sportlichen Lebenstraum. Diesmal passt der Termin und so schnappe ich mir einen der auf 700 Starter:innen limitierten Startplätze. Die Nenngebühr beträgt 22 Euro und wird zur Gänze dem Verein "Steirer mit Herz" gespendet.

Für das sehr moderate Startgeld erhält man neben einer außergewöhnlichen Laufstrecke die Startnummer mit integriertem Zeitchip, eine Kleiderabgabe, eine schöne Finisher-Medaille, eine Siegerehrung, eine ansprechende Moderation und ein vergünstigtes Parkticket. Auch Fotos werden gemacht und unentgeltlich veröffentlicht. 

Die Strategie für die 5,8 Kilometer lange Strecke kann nur lauten, so rasch als möglich über die Ziellinie zu laufen. Ich trainierte in den letzten Wochen kaum Intervalle. Dennoch nehme ich mir vor, die Kilometer nach Möglichkeit in rund 4 Minuten hinter mich zu lassen. 

Ich laufe mich ein paar Minuten warm. Zu viele langsamere Läuferbeine sind einer schnellen Zeit besonders hinderlich. Daher nehme ich recht weit vorne Startaufstellung. Und schon geht es los. Trotz von Beginn weg hohem Tempo versuche ich rhythmisch zu laufen und konzentriert zu atmen. Den ersten Kilometer lasse ich nach 3:54 Minuten hinter mich. Auch die nächsten tausend Meter laufe ich unter 4 Minuten; konkret in 3:57 Minuten. Es geht zum Wendepunkt. Nach wie vor fühle ich mich gut. Der Atem ist zwar kurz, aber mit einer weiteren Kilometerzeit von 4:01 Minuten nicht verwunderlich. Ich bin überrascht, dass ich das Tempo weiterhin hoch halten kann. So ist der Kilometer 4 in 4:02 Minuten absolviert. Der vorletzte Kilometer wird in genau 4:00 Minuten gestoppt. Bald ist es geschafft. Die Beine und der Atem werden schwer. Nach weiteren 4:06 Minuten überlaufe ich sehr zufrieden die Ziellinie.

Mit der Zeit von 23 Minuten und 24 Sekunden klassiere ich mich auf Rang 39 von 458 männlichen Startern. In meiner Altersklasse M50 werde ich unter 79 Startern stolzer Dritter und darf zur Siegerehrung. Großartig war es; bis zum nächsten Mal beim Airport Run Graz!

14.06.2023: 2. Graz Airport Run - Laufbericht


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Samstag, 22. April 2023

22.04.2023: Tuscany Crossing - Erlebnisbericht

Es ist Donnerstagmorgen! Das Auto ist vollgetankt und mit unserem Reisekoffer und einer großen Kiste mit Laufutensilien beladen. Unseren Sohn Sebastian wissen wir in den kommenden Tagen bei den Großeltern versorgt. So kann ich die Reise in die Toskana guten Gewissens gemeinsam mit meiner Frau antreten. Das Ziel unseres Kurztrips ist Castiglione d'Orcia, ein Ort mit etwas mehr als 2.000 Einwohner in der Provinz Siena. Hier, etwa 90 Kilometer südöstlich von Florenz, werde ich Samstagfrüh bei der Tuscany Crossing an den Start gehen.

Die Tuscany Crossing ist ein Langstreckenlauf mit 103 Kilometer Länge. Laut Streckenprofil weist der Rundkurs in etwa 3.500 positive Höhenmeter auf. Der Großteil dieser Höhenmeter sind auf der zweiten Streckenhälfte zu bewältigen. Insbesondere die beiden Aufstiege zwischen Kilometer 50 und 70 scheinen es in sich zu haben. Das Zeitlimit beträgt 22 Stunden. Um jedoch die Qualifikationsnorm für die Startplatz-Lotterie des Western States 100 (kurz WSER) zu erfüllen, muss man die Ziellinie nach längstens 21 Stunden überqueren.

Die Möglichkeit, sich für eine weitere WSER-Lotterie zu qualifizieren, ist nur einer der Gründe, warum ich hier an den Start gehe. Ein weiterer ist, dass meine Frau und ich die Toskana sehr mögen und wir uns auf die landschaftliche Schönheit, auf das milde Klima, auf die Kultur sowie auf kulinarische Genüsse im Val d'Orcia freuen. Denn dieses Tal zählt zu den schönsten Landschaften Italiens. Endlos weite hügelige Felder, malerische Zypressenalleen, bezaubernde Ortschaften mit Renaissancebauten erfreuen das Auge und die Seele.

Auch dass der Ultra-Trail recht früh im Jahr stattfindet, passt mir gut in die Jahresplanung. So kann ich die über die Wintermonate konservierte Grundlagenausdauer nutzen, um zum einen ein weiteres Ultra-Trail-Laufabenteuer zu erleben und vor allem auch sehr früh im Jahr die Qualifikation für die Startplatz-Lotterie des WSER einzutüten. Sollte ich wider Erwarten scheitern, hätte ich im Verlauf des Jahres noch einige alternative Qualifikationsmöglichkeiten. Aber mit solchen negativen Gedanken beschäftige ich mich grundsätzlich nicht. Denn mittlerweile bin ich davon überzeugt, dass ich eigentlich nur durch eine akute Verletzung gestoppt werden kann. Die Grundlagenausdauer und vor allem auch die mentale Stärke, um einen 100 Kilometer langen Trail-Lauf ins Ziel zu bringen, ist jedenfalls gegeben.

Neben dem Laufen habe ich vor einigen Jahren auch das Tennisspielen liebgewonnen. Tennis macht nicht nur Spaß, sondern es sorgt der durch die vielen kurzen Seitwärtsbewegungen gewonnene Muskelaufbau rund um das Knie für mehr Stabilität. So beeinträchtigt mich der diagnostizierte Knorpelschaden in den Kniegelenken aktuell nicht sonderlich. Auch das ist ein Grund, warum ich einen ultralangen Wettkampf gerne im Frühjahr laufe. Denn wenn im Verlauf der Sommermonate die Tennis-Meisterschaft zu spielen ist, halte ich es mit der Einhaltung eines Trainingsplans, vor allem aber mit der Regeneration, nicht so genau. Da kann es durchaus passieren, dass es in der Woche keinen Tag gibt, an dem ich nicht in Lauf- oder Tennisschuhen unterwegs bin. Manchmal sogar in beiden.

Uns stehen 800 Kilometer Anreise bevor. Ich erwarte mir zwar keine Absolution der Klima-Aktivisten, aber ich halte es zumindest so, dass die Anreise zu einem Laufevent meiner Wahl nicht länger sein darf, als ich für den Lauf selbst benötige. Wenn der Formel "Fahrzeit =/< als Laufzeit" entsprochen wird, dann ist die Fortbewegung für mich quasi co2-neutral. Ich weiß, diese Herangehensweise ist natürlich Quatsch und ich will hier auch keine Klima-Politik betreiben. Diese Rechnung sollte jedenfalls aufgehen, denn der rund 8stündigen Autofahrt steht ein wohl zumindest 14stündiger Lauf gegenüber.

Ich genieße die Autofahrt mit meiner Frau. Wir haben ohnehin viel zu wenig Zweisamkeit. Während wir über Villach und Venedig Richtung Süden fahren, quatschen wir über Gott und die Welt. Nein, eigentlich reden wir über Acryl-Malerei und über das Laufen. An den Städten Bologna und Florenz vorbei, kommen wir unserem Ziel näher. Die Unterkunft liegt ein paar Kilometer außerhalb der Ortschaft Castiglione d'Orcia. Nach knapp 9 Stunden Autofahrt treffen wir endlich ein und beziehen unser schönes Quartier. Das Zimmer ist geräumig und die kleinen Fenster bieten einen schönen Ausblick in die Landschaft. Wir entscheiden uns, im Restaurant vor Ort Abend zu essen und planen bei einer leckeren Mahlzeit den morgigen Sightseeing-Tag.

Nach einem schmackhaften Frühstück fahren wir nach Bagni San Filippo. Die hier entspringende heiße Quelle gilt als das älteste natürliche und von Menschen genutzte Heilbad der Welt. Man vermutet, dass in dieser Quelle bereits die Etrusker und die Römer gebadet haben. Wunderschön ist vor allem der Flusslauf mit den Naturbecken direkt im Wald, wo versinterte weiße Kaskaden für ein fabelhaftes Ambiente sorgen. Mit viel Fantasie kann man im Kalksteingebilde einen weißen Wal erkennen.

Im Anschluss bummeln wir durch Pienza. Die Sonne lacht vom Himmel und es ist für diese Jahreszeit überdurchschnittlich warm. Für viele ist das Städtchen Pienza eines der schönsten Orte im Val d'rcia. Dieses historische Juwel, errichtet nach den Idealen der Renaissance, steht heute auf der Liste der UNESCO Weltkulturerbe-Stätten. Faszinierend schön ist die Altstadt mit dem einmaligen Piazzo Pio II und den umliegenden Palästen und Kirchen. Viele romantische Plätze, historische Gebäude und verschiedene Museen warten darauf, bei einem Spaziergang entdeckt zu werden. Sehenswert sind auch das imposante Rathaus oder auch der Palazzo Piccolomini und die atemberaubende Kathedrale Santa Maria Assunta, die eines der wichtigsten Wahrzeichen von Pienza ist. Wir genießen die Sonne, die Aussicht über das Tal und das eine oder andere Getränk. Eine kohlenhydratreiche Kost wäre vermutlich auch nicht ganz verkehrt gewesen. Eine optimale Vorbereitung auf einen Ultra-Trail ist es zwar nicht, aber es sind wunderbar entspannte Stunden, die ich hier mit meiner Frau verbringe.

Es ist Zeit, die Startunterlagen abzuholen. Über schmale, kurvenreiche Straßen fahren wir hoch zum Ortskern von Castiglione d'Orcia. Im Start-/Zielbereich ist alles recht familiär und freundlich. Mein Englisch wird gut verstanden und kurze Zeit später ist das Organisatorische auch schon wieder erledigt.

Der Einzelstart über die 103 Kilometer lange Distanz kostet je nach Anmeldzeitpunkt zwischen 80 und 100 Euro. Neben der Anmeldung und dem unterzeichneten Haftungsausschluss ist für Teilnahmen an Laufveranstaltungen in Italien die Vorlage eines ärztlichen Attestes, in dem die erforderliche Gesundheit und Fitness für einen derartigen Langstreckenlauf bestätigt wird, obligatorisch. Für das Startgeld erhalte ich nicht nur eine Startnummer und die Verpflegung entlang der Strecke und im Ziel, sondern auch ein Funktions-Shirt. Eine Finisher-Medaille wird es auch geben. Aber die muss erst verdient werden. Starter über 100 Meilen bzw. über 103 Kilometer erhalten zudem einen GPS-Tracker, der verbindlich am Laufrucksack befestigt werden muss. Zudem wird für Läufer ohne persönlichen Support ein Dropbag-Service angeboten. Tatsächlich könnte für jeden Checkpoint eine Tasche im Startbereich abgegeben werden. Diese Beutel werden dann vom Veranstalter zum jeweiligen Checkpoint gebracht und im Anschluss wieder zurück zum Ziel transportiert. Ich benötige diese Zusatzleistung nicht. Alles, was ich entlang der Strecke benötige, habe ich in meiner Laufweste oder erhalte ich an den Checkpoints.

Mittlerweile knurrt mein Magen, aber irgendwie lässt sich keine geöffnete Pizzeria finden. Schade, denn eine leckere Pizza oder ein Teller Pasta wäre ein für mich passendes Abendessen. Auf der Terrasse einer kleinen Osteria gibt´s dann wenigstens ein paar Portionen Bruschetta.

Wir fahren zur Unterkunft zurück und ich treffe die letzten Vorbereitungen. Die Startnummer wird an das Startnummernband geheftet, die Pflichtausrüstung wird im Rucksack verstaut und die Klamotten bereitgelegt. Die Pflichtausrüstung umfasst einen Liter Wasservorrat, Energieriegel, eine wasserdichte Jacke, ein Erste-Hilfe-Set, eine Trillerpfeife, eine Stirnlampe mit Ersatzbatterien oder Ersatzlampe und ein aufgeladenes Mobiltelefon. Zusätzlich werden Mütze, Handschuhe und Trail-Schuhe empfohlen.

Um 03:50 Uhr holt uns der Wecker unsanft aus dem Schlaf. Das war eine kurze Nacht. Wie es der Veranstalter bei der Ausgabe der Startunterlagen verlangt hat, aktiviere ich bereits jetzt den GPS-Tracker. Ich habe keine Ahnung, warum das Teil eine Stunde vor dem Start eingeschaltet werden muss. Auf jeden Fall ist es kurios zu sehen, wie auf der Landkarte der zugehörigen App immer mehr blinkende Punkte aufscheinen, die sich dann in Richtung Start bewegen.

Ein Hoch auf unseren Unterkunftsgeber! Er serviert uns um 04:15 Uhr ein Frühstück. Für mich besteht diese frühe Mahlzeit aus einem Croissant mit Schokocreme und zwei Tassen Kaffee.

Nach einer rund 10minütigen Autofahrt treffen wir in der Nähe des Startbereichs ein. Es ist noch dunkel und die Luft ist rund 8 Grad Celsius kühl. Laut Wettervorhersage soll es ein meist wolkenloser, frühsommerlich warmer Tag werden. Ich bin voller Vorfreude. Diese wird nur dadurch getrübt, dass sich kein Parkplatz finden lässt. Nach ein paar Minuten erfolgloser Suche eines Abstellplatzes überrede ich meine Frau, mich aussteigen zu lassen und einfach wieder in die Unterkunft zu fahren und noch ein wenig zu schlafen. Was für eine bescheuerte Idee! Kurze Zeit später stehe ich alleine und frustriert im Startbereich, während meine Frau traurig ins Zimmer zurückkehrt.

Unmittelbar vor dem Start gibt es die üblichen Informationen zum Wetter, zur Streckenmarkierung, zum Verhalten auf der Straße etc. in italienischer und englischer Sprache. Endlich geht es los. Die Stirnlampen werden aktiviert und die Startfreigabe ist erteilt. Wir laufen durch schmale Gassen an der Burg Rocca di Tentennano vorbei ins Tal. Rocca di Tentennano wurde bereits im Jahr 1100 urkundlich erwähnt. Die Burg wirkt selbst in der Dunkelheit imposant und ich werde sie im Lauf des Tages aus vielen, vielen Kilometern Entfernung immer wieder zu sehen bekommen. Vom Plateau der Burg bietet sich bei guter Fernsicht ein atemberaubendes Panorama über das Tal und auch auf die Via Francigena genießt man einen privilegierten Blick. 300 Höhenmeter führt uns die Strecke zum Teil sehr steil hinunter ins Orcia-Tal. Dieser erste Abschnitt verleitet dazu, viel zu forsch zu starten. Zudem verlangen gelegentliche Pflastersteinpassagen ein sehr konzentriertes Laufen. Nebel steigt auf und die Morgendämmerung bricht herein. Es herrscht eine wunderbare Stimmung.

Bald ist die Talsohle erreicht und der Fluss Orcia muss gequert werden. Früher wurde über einen Steg gelaufen. Dieser ist jedoch seit Jahren baufällig und gesperrt. So muss durch das Wasser gewatet werden. Ein Seil ist gespannt, um sich daran festzuhalten. Einige Teilnehmer ziehen sich die Schuhe und Socken aus. Diesen Luxus gönne ich mir nicht. Es wird auch nicht das letzte Mal gewesen sein, dass die Füße im Verlauf der Tuscany Crossing nass werden.

Endlich wird es hell. Schön, denn ich möchte von dieser Landschaft mehr sehen als was im Lichtkegel meiner Stirnlampe zum Vorschein kommt. Ich erreiche die Ortschaft Bagni Vignoni, das für sein Bad berühmt ist. Die heilsamen Quellen sollen besonders wohltuend bei Haut-, Knochen- und Gelenksbeschwerden wirken. Selbst der berühmte Lorenzo di Medici soll hier seine körperlichen Leiden auskuriert haben.

Pfade und Schotterwege wechseln sich ab. Die Wiesen sind saftig grün. Die Toskana zeigt sich in ihrer schönsten Pracht. Ich fühle mich körperlich gut und genieße es, hier dabei sein zu dürfen. Das von mir eingeschlagene Tempo ist eigentlich zu hoch. Aber wie heißt es so schön: Langsam wird man im Verlauf eines ultralangen Wettkampfes noch früh genug. Die Strecke führt zur Rocca di Vignoni Alto in die Höhe, bevor nach 13 Kilometern die Ortschaft San Quirico d'Orcia erreicht ist. Sehenswert ist die imposante Stadtmauer mit den vielen Türmchen und auch die Kirche Collegiata Santi Quirico e Giulitta aus dem 12. Jahrhundert, die ursprünglich im romanischen Stil errichtet wurde. Dieser traumhafte Ort ist aber auch durch die sogenannten Cipressi di San Quirinco d'Orcia bekannt. Dabei handelt es sich um einen kleinen kreisrunden Zypressen-Wald, der scheinbar inmitten eines Feldes stehengelassen wurde und um einen Zypressnring, durch den ein Feldweg führt. Hier an diesem Ort an der Via Francigena wurde im Mittelalter Federico Barbarossa zum Kaiser gekrönt. Diesem Ereignis zu Ehren findet Jahr für Jahr das Festa del Barbarossa statt.

Apropos Via Francigena: Ich belaufe hier einen mittelalterlichen Pilgerweg, eine Händler- und Heeresstraße. Die Via Francigena führt vom englischen Städtchen Canterbury zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus bis nach Rom. Die Route soll erstmals im Jahr 990 von Bischof Sigeric von Canterbury beschrieben worden sein, als er zu einer Investitur den Papst aufsuchte. Die Länge der Via Francigena beträgt ca. 2000 Kilometer und entlang ihres Verlaufes entstanden viele Klöster, Pilgerhospize und Kathedralen. Ich bin von geschichtsträchtigen Strecken angetan und fände es sehr verlockend, die Via Francigena in ihrer vollen Länge laufend zu durchqueren. Aber dazu bräuchte es überdurchschnittlich viel Urlaub und wohl auch einen großzügigen Sponsor. Ich könnte zwar auf meine sehr verständnisvolle Familie zählen, aber solch ein Monsterprojekt ist aktuell nicht umsetzbar. Vielleicht mache ich mich ja im Ruhestand auf, um der Via Francigena von Canterbury nach Rom zu folgen.

Nun erwartet mich ein persönliches Highlight. Der Weg führt uns durch die Ländereien, die durch den Film "The Gladiator" berühmt geworden sind. Das ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme und ich habe ihn bestimmt schon ein dutzend Mal gesehen. Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren und starte aus der Playlist die dazugehörige Filmmusik, während ich die Campi Elisi entlang laufe. Ich habe Gänsehaut. Der sogenannte Cypresses - Gladiator Point und die kleine Kapelle Madonna di Vitaleta zählen zu den besten Fotospots im gesamten Orcia-Tal.

Pienza ist erreicht. Hier saß ich gestern mit meiner Frau und habe das eine oder andere Glas getrunken. Heute labe ich mich mit Wasser und einem isotonischen Getränk. Grundsätzlich sind die Checkpoints gut platziert. Das angebotene Wasser schmeckt mir jedoch überhaupt nicht. Ich finde, es hat einen sehr unangenehmen Geschmack. Ich denke, es liegt am beigefügten Natrium. Jedenfalls schlägt mir das Wasser auf den Magen und mit jedem weiteren Schluck wird der Ekel darüber größer.

Über kupiertes Gelände führt die Strecke weiter nach Monticchiello, einer geschichtsträchtigen Stadt, die für ihr Teatro Povero berühmt wurde. Auf der Via Agogna geht es talwärts. Ein weiteres Mal ist der Fluss Orcia zu durchqueren. Sand und Steine machen das Weiterkommen entlang der Schotterbänke sehr beschwerlich.

Auf den nächsten 10 Kilometern durchlaufe ich auf Wiesenwegen und Schotterstraßen der Landschaft rund um Gallien. Der Streckenverlauf ist recht eben und ich kann weiterhin ein gutes Tempo laufen. Jedoch wäre es ratsamer gewesen, mit den Kräften besser hauszuhalten. Denn schließlich ist das heute kein Marathon, sondern eine über 100 Kilometer lange Laufstrecke.

Und so kommt es, wie es eben kommen musste. Ich habe mit meinen Kräften nicht entsprechend gehaushaltet und so haben mir die letzten Kilometer stark zugesetzt. Meine Kohlenhydratspeicher fühlen sich leer an und ich bin richtig platt. Das sich keine guten Voraussetzungen für die kommenden Stunden. Denn schenkt man der Streckenbeschreibung Glauben, beginnen hier die eigentlichen Herausforderungen der Tuscany Crossing. 

Dass ich hier nach rund 55 Kilometer meine Frau treffe, gibt mir jedoch Auftrieb. Wir plaudern eine Zeit lang, bevor ich den anstrengenden Anstieg zur Stadt Gampiglia d'Orcia in Angriff nehme. Der Turm Campanaria ist sehr präsent und beherrscht das Tal ähnlich imposant wie die Burg Rocca di Tentennano. Wider Erwarten erhole ich mich ein wenig, während ich das Gefälle hinunter nach Bagni San Filippo laufe. Die großartigen Fotomotive und auch den penetranten Schwefelgeruch kenne ich bereits von gestern.

Nun folgt ein rund 7 Kilometer langer Aufstieg zum höchsten Punkt des Laufes. Die Landschaft hat ein wenig vom Flair der Toskana verloren. Ich belaufe einen Mischwald und quäle mich auf gut 1000 Meter über den Meeresspiegel hoch. Die vorderen Oberschenkelmuskel raunzen, als es im Anschluss gleich wieder über 800 Höhenmeter hinunter ins Tal zu laufen gilt.

Auf welligem Terrain komme ich nicht mehr sonderlich schnell voran. Ich wandere mehr als dass ich laufe. Ich bin sauer auf mich und meine schlechte Vorbereitung am Vortag. Alkohol statt Wasser, Bruschetta statt einer sättigenden Pasta oder Pizza. Verflucht! Wie und vor allem wann werde ich heute die Ziellinie erreichen? Es raschelt im Gebüsch und ich meine, ein Grunzen gehört zu haben. Ein Wildschwein würde mir jetzt noch fehlen. In einem der zahlreichen Newsletter des Veranstalters wurde informiert, wie man sich im Falle einer Begegnung mit Wildschweinen zu verhalten hat. Der Hinweis war in italienischer Sprache verfasst und das Piktogramm war für mich nicht selbsterklärend. Hätte ich mir doch die Mühe gemacht und den Text übersetzt. Aber ich habe für´s erste Glück. Kein wildgewordener Vierbeiner macht Jagd auf mich. So trabe ich mit geschärften Sinnen weiter.

Ich kann mich nicht erinnern, jemals so auf Sparflamme gelaufen zu sein. Mir fehlen noch rund 20 Kilometer ins Ziel, als ich unweit unseres Quartiers entlang gehe. Das kleine Teufelchen im Kopf rät mir, es einfach bleiben zu lassen. Ich solle doch die Startnummer abnehmen, mich beim Streckenposten abmelden und in die Unterkunft verschwinden. Pustekuchen! So verlockend auch manchmal diese Gedanken sind, nie und nimmer beende ich aus freien Stücken einen Lauf vor der Ziellinie.

Es folgt ein Abstieg, tief in den Wald. Ich marschiere an einem Maschendrahtzaun entlang. Plötzlich huscht an der anderen Seite des Zaunes ein Rudel Jagdhunde vorbei. Ich denke, dass das hier ein Trainingsgelände für die Vierbeiner ist.

Im Schneckentempo geht es weiter vorwärts und die Dämmerung bricht herein. Ein paar Kilometer trennen mich noch von der Ziellinie. Vor mich türmt sich der Schlussanstieg wie eine senkrechte Wand auf. Diese finalen 300 Höhenmeter hinauf zur Rocca di Tentennano sind das Härteste, was ich bisher in meinem Ultratrail-Leben zu bewerkstelligen hatte. Nur noch mein eiserner, unbändiger Wille treibt mich an, Schritt für Schritt nach oben zu steigen. 

Der Wind frischt auf und ich beginne am ganzen Körper zu frieren. Ich muss anhalten und mir die Windjacke aus der Laufweste holen. Ein paar Minuten habe ich es geschafft und laufe über die Ziellinie und in die Arme meiner Frau. Mit der offiziellen Zeit von 16 Stunden, 10 Minuten und 42 Sekunden klassiere ich mich auf dem 82. Rang der insgesamt 146 Finisher. Auch wenn ich auf der zweiten Streckenhälfte sehr schwer zu kämpfen hatte, wird mir die Tuscany Crossing sehr positiv in Erinnerung bleiben. Eine weitere Teilnahme auf der 100 Meilen langen Strecke schließe ich nicht aus.

22.04.2023: Tuscany Crossing - Laufbericht


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Sonntag, 26. März 2023

26.03.2023: 7. Lindkogeltrail - Laufbericht

Der Wecker klingelt mich um 04:15 Uhr aus dem Bett. Als ob diese frühe Uhrzeit nicht so schon schlimm genug wäre, hat auch noch die Umstellung auf die Sommerzeit eine zusätzliche Stunde Schlaf geraubt. Schlaftrunken wanke ich zur Kaffeemaschine und erledige nach zwei Tassen Kaffee die letzten Handgriffe, bevor ich mich auf den Weg nach Bad Vöslau mache, wo um 07:30 Uhr der Startschuss zum Lindkogeltrail fällt. Ich bin für den sogenannten Ultra Trail genannt. 54,5 Kilometer mit rund 2.400 Höhenmeter stehen mir bevor.

Neben dem Ultra Trail stehen drei weitere Unterdistanzen mit Längen von 10 bis 34 Kilometer zur Auswahl. Der heuer zum 7. Mal stattfindende Lindkogeltrail wird von der Fairsport Events e.U. organisiert. Das Nenngeld beträgt je nach Anmeldezeitpunkt zwischen 50 und 65 Euro, bzw. 70 Euro bei Nachnennung vor Ort. Die Zeitnehmung erfolgt mittels Transponder auf der Rückseite der Startnummer durch Race-Result. Die Firma Event-Gucker zeichnet sich für das Fotoservice verantwortlich. Apropos Fotos: Das Service von Event-Gucker ist grundsätzlich kostenpflichtig. Es wird kurz vor dem Start jedoch angekündigt, dass jeder Teilnehmer ein Foto vom Zieleinlauf kostenlos erhalten wird. 

Allerdings wird dieses Versprechen nicht eingelöst. Denn von mir wird es kein Gratis-Foto geben. Da habe ich beim Zieleinlauf wohl die Mindesterfordernisse für ein gelungenes Finisher-Foto nicht erfüllt. Schade! Und die Flatrate für die übrigen Fotos ist mir definitiv zu teuer.

Ich parke in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort. Hier am Vorplatz des Thermalbades Vöslau sind bereits alle Vorkehrungen getroffen, um ein gelungenes Trailrunning-Fest zu feiern. So sind der Start- und Zielbogen samt Matten für die Zeitnehmung aufgebaut. Die Kleiderabgabe und Startnummernausgabe sind eingerichtet. Tische und Bänke für das gemütliche Beisammensitzen nach dem Zieleinlauf sind aufgestellt. Dass es bei meiner Ziel-Ankunft kein Bier mehr geben wird, ist eine andere Geschichte.

Vor der Startnummernausgabe hat sich eine kleine Warteschlange gebildet, aber nur wenige Minuten später wird mir die Startnummer 26 ausgehändigt.

Es hat aktuell 8 Grad. Prognostiziert sind Höchstwerte von rund 15 Grad bei vorerst sonnigem Wetter. Ab den Mittagsstunden soll laut Wetterfrosch der Wind auffrischen und die Bewölkung zunehmen. Ich entscheide mich für ein longsleeve. Ich mag es, wenn mir an den Armen warm ist. Dazu trage ich meine Lieblings-Shorts von Salomon und meine favorisierten Trailrunning-Schuhe Inov8 Trailtalon 290. Eine Cap und die Sonnenbrille fehlen ebenfalls nicht.

In meiner Salomon-Laufweste führe ich 2 Softflasks mit Wasser, 6 Gels meines Vertrauens von GU-Energy, einen Trinkbecher und die Regenjacke mit. Ersatz-Kontaktlinsen, ein Müllsack sowie ein Notgroschen gehören ebenfalls zur Grundausstattung. Diesmal habe ich auch die Trailrunning-Stöcke mit am Start. Aber derweilen müssen sie noch im Köcher, praktischerweise an der Laufweste montiert, auf ihren Einsatz warten.

Der Moderator ruft zum "race-briefing". Es wird nochmals auf die Pflichtausrüstung bzw. auf die Streckenmarkierung hingewiesen. Ich nehme Startaufstellung. Einige Fotos werden gemacht und schon verabschiedet uns der Veranstalter auf die Strecke. 

Es geht vom Start weg aufwärts. Durch den Kurpark mit seinem alten Baumbestand werden zu Beginn der Strecke gleich einige Höhenmeter gesammelt. Ich bin unachtsam, stolpere über einen Stein und verletze beim Sturz nach vorne zwei Finger der linken Hand. Autsch, das tut richtig weh! Die Wunde ist nicht groß, trotzdem blutet sie recht stark. Ich wickle einen Schlauchschal um die beiden in Mitleidenschaft gezogenen Finger und trabe etwas konsterniert weiter. Denn obwohl ich bereits weit über 25.000 Kilometer auf zum Teil sehr unwegsamen Trails zurückgelegt habe, kann ich Stürze an einer Hand abzählen. Die Wunde schmerzt und es pocht in den Fingern. Dass die Hände kalt sind, macht die Sache nicht angenehmer. Zu blöd, dass ich die Handschuhe im Auto gelassen habe, obwohl in der Laufweste genügend Stauraum vorhanden ist. Einfach nur dumm!

Ich lenke meine Gedanken auf das Wesentliche. Und das ist im Augenblick das Laufen des Lindkogeltrails. Es gilt, sich zu konzentrieren und die Füße mit Bedacht zu setzen und vor allem entsprechend anzuheben, damit sich ein Sturz nicht wiederholt.

Auf noch mit Herbstlauf bedeckten, wunderbar zu laufenden Waldpfaden geht es zum Jubiläumskreuz Bad Vöslau hoch. Hier halte ich für einen ersten Foto-Stopp, bevor ich den Aufstieg bis hinauf zum Sooßer Lindkogel fortsetze. Die erste von vier markanten Erhebungen ist nach rund 7 Kilometer bezwungen. Der Schlauchschal ist mittlerweile voller Blutflecken. Gut, dass das gute Teil aus rotem Stoff gefertigt ist. So sieht die Sache nicht ganz so dramatisch aus. 

Auf den folgenden Kilometern wechseln sich zum Teil recht technisch anspruchsvolle Singletrails mit Waldautobahnen ab. Die Strecke fällt moderat bis vereinzelt steil und lässt sich großartig laufen. Achtsamkeit ist jedoch gefragt. Denn unter der Blätterauflage lauern mit Wurzeln, großen Steinen und tiefen Erdlöchern unzählige potenzielle Stolperfallen.

Ich habe meine Position im Läuferfeld gefunden und kann ungestört mein eigenes Tempo laufen. Nach rund 10 Kilometer führt die Strecke raus aus dem Wald und ich laufe entlang der Steinbruchgasse zügig talwärts.

Auch der folgende rund 4 Kilometer lange Aufstieg zur Sina-Warte bzw. zum Schutzhaus Eisernes Tor ist für mich gut zu bewältigen. Ich nehme hier meine Trailrunning-Stöcke zu Hilfe. Oben angekommen, mache ich ein paar Fotos, bevor es auf Schotterwegen moderat abschüssig ins Tal geht. Selten, dass mal ein paar hundert Meter auf Asphalt zu laufen sind. Ich finde die Streckenführung hier rund um Bad Vöslau sehr gelungen!

Im Ort Maria Raisenmarkt ist der Talboden erreicht. Hier an der Labestation nehme ich ein Gel zu mir. Ich fülle meine Flasks mit Wasser und einem isotonischen Getränk. Auch Schnitten, Salzgebäck und Obst werden von freundlichen Helfern kredenzt.

Es folgt nun eine Schleife auf den Peilstein. Zuerst geht es entlang des Groisbaches Richtung dem beschaulichen Ort Holzschlag. Hier auf schmalen Feldwegen missachtet tatsächlich ein Traktor mit Anhänger die Rechtsregel und bremst mich regelrecht aus.

Ich könnte eine mit nicht einmal 10 km/h fahrende Zugmaschine natürlich überholen, aber das würde nur viel Kraft kosten. So gehe ich rund 50 Meter hinter dem Traktor her. Dann zweigt die Laufstrecke auf einen schmalen Pfad ab und ich kann wieder ungestört mein Tempo laufen.

Ich muss kurz schmunzeln, denn ich denke an eine Situation zurück, die ich vor ein paar Jahren erlebt habe. Auf dem Weg zum Murberg hinauf habe ich einen Radfahrer überholt. Ganz grimmig hat er mich angesehen, als ich an ihm vorbeigelaufen bin. Auf dem darauffolgenden Bergab-Stück hat mich der Radfahrer dann überholt und das mit dem Zuruf "Jetzt schaust bled! Gell?" kommentiert.

Zurück zum Lindkogeltrail: Die Strecke wird ein wenig technischer. Ein Singletrail voller Steine und Wurzeln erfordert Konzentration. Aus dem Augenwinkel erkenne ich ein paar Adrenalin-Junkies, die über einen Klettersteig den Peilstein erklimmen.

Für den Klettersteig fehlt mir die Schwindelfreiheit. Ich steige über verwurzelte Pfade und zu guter Letzt über hohe, kräfteraubende Stufen dem Gipfelkreuz entgegen. Die Strapazen des Aufstieges werden mit toller Fernsicht entlohnt. Ich mache hier oben ein Selfie, bevor es über mäßig fallende Waldwege wieder zum Ort Maria Raisenmarkt hinunter geht. Der Schlussabstieg ist steil und führt in engen Serpentinen talwärts. Ich zweige etwas zu früh ab, bemerke aber schnell, dass die Streckenmarkierung einen geringfügig anderen Verlauf verlangt. Ich steige die paar Höhenmeter wieder hoch und folge exakt der Markierung. Ich fände es unsportlich, eine - wenn auch nur minimale - Abkürzung der offiziellen Laufstrecke vorzunehmen.

Wieder in Maria Raisenmarkt angekommen, labe ich mich für den letzten nennenswerten Aufstieg. Ein kurzes Update zur verletzten Hand: Der linke Ringfinger ist mittlerweile recht stark geschwollen. Es ist zu spät, um den Ring vom Finger zu nehmen. Ich kann nur hoffen, dass sich die Schwellung einbremst, bevor das Tragen des Ringes richtig unangenehm wird. Den Schlauchschal habe ich verstaut und mit Wasser die Wunden ein wenig gereinigt. Den Job als Fingernagel-Modell kann ich in den nächsten Wochen jedenfalls vergessen. Aber so ein kleiner Kollateralschaden wird mich nicht davon abhalten, mir die Finisher-Medaille zu holen.

Nach einer weiteren tollen Trail-Passage folgt ein längerer Abschnitt auf einer asphaltierten Gemeindestraße. Kontinuierlich führt der Weg hoch. Ich verfalle immer wieder in den Gehschritt. Mit dem Setzen von Mini-Zwischenzielen wie "bis zum nächsten Straßenpflock", "bis zum nächsten Baum" oder "bis zum nächsten Schlagloch" zu traben, überliste ich meinen Geist. Die Stöcke sind zwar weiterhin eine gute Unterstützung, aber nun spüre ich die Strapazen dieser umfangreichen Trainingswoche deutlich. Selbst bergab fällt mir das Laufen zunehmend schwer und erfordert große Überwindung.

Die befestigte Straße weicht auf Höhe des Steinbruchs Rohrbach einem Schotterweg. Moderat aber stetig geht es noch einmal aufwärts. Punktuell wird der Weg richtig steil, aber dann habe ich endlich Kilometermarke 40 erreicht. Von nun an geht es zu einem großen Teil fallend zurück zum Ziel nach Bad Vöslau.

Im ausgeruhten Zustand würde ich dieses leichte Gefälle lieben und es ließen sich schnelle Kilometerzeiten laufen. Aber ich bin platt. Und es sich noch weit über 10 Kilometer bis zur Ziel-Linie. Ich bin frustriert. "Wie soll ich im April in der Toskana doppelt so weit laufen?", frage ich mich. Diese Höhen und Tiefen auf ultralangen Strecken sind eben Part of the Game. Es braucht dann eine Strategie, wie man mit diesen Tiefs umgeht, damit man nicht das Handtuch wirft und aufgibt. Ich bin auf meine "Null-Prozent-Did-not-Finish-Quote" sehr stolz. Nicht immer war es klug, einmal sogar richtig dumm, trotz großer gesundheitlicher Probleme am Trail zu bleiben. Aber ich habe die Befürchtung, dass die Hemmschwelle, einen Lauf vorzeitig zu beenden, sinkt, wenn man es einmal getan hat. Aber diese Entscheidungen muss jeder für sich treffen. 

Ich muss mir auch vor Augen halten, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, ob man sich für einen Bewerb gezielt vorbereitet und vor dem Rennen sich entsprechend schont, oder ob ein Wettkampf am Ende einer bereits sehr anstrengenden Trainingswoche gelaufen wird. Im Grunde muss ich sehr zufrieden sein, wie es heute läuft. Und es wird letztendlich eine ausgezeichnete Trainingseinheit auf dem Weg zur Tuscany Crossing sein.

Talwärts benötige ich meine Stöcke nicht mehr und verstaue sie daher im Köcher meiner Laufweste. Mit einem weiteren Gel versuche ich meinem Körper die notwendige Energie für die letzten Kilometer zu verabreichen. Die kurzen Gegenanstiege sind sehr willkommen, denn in diesen Passagen kann ich ohne schlechtes Gewissen in den Gehschritt wechseln.

Einige Zeit später trabe ich auf einem flachen Schotterweg auf die letzte Verpflegestelle zu. Rund 5 Kilometer liegen noch vor mir, als ich mich mit Cola und Schnitten ausgiebig labe. Damit wir Läufer eine recht stark befahrende Bundesstraße gefahrlos queren können, regelt ein Polizist den Verkehr. Ich biete dem Beamten mit erschöpfter Miene an, gerne den Fahrzeugen den Vortritt zu lassen. Mein Wunsch wird nicht erfüllt und ehe ich mich versehe, ist das herannahende Auto angehalten und ich muss mich in Bewegung setzen.

Inmitten von Weinhängen geht es die Merkensteiner Straße hoch. 50 Kilometer liegen hinter mir. Mittlerweile zwickt es in den Waden und Oberschenkel doch recht heftig. Beifall spendende Spaziergänger motivieren jedoch, im Laufschritt zu bleiben.

Die letzten 3 Kilometer führen auf schmalen Pfaden durch den Kurpark Bad Vöslau, vorbei am idyllisch gelegenen Waldtennis-Club und einem Pavillon, Richtung Ziel. Ich höre bereits die Moderatorenstimme, als ich die letzten paar hundert Meter auf Pflastersteinen abwärts laufe.

Nach 6 Stunden und 46 Minuten ist es dann vollbracht. Ich überquere als insgesamt 61. von 170 Teilnehmern die Ziellinie.

Mir wird die Finisher-Medaille überreicht und das Goodie-Bag ausgefolgt. Ich nehme mir ein Weckerl und trinke eine Flasche Wasser. Ich möchte meine Wunde versorgen lassen. Obwohl der Start- und Zielbogen unmittelbar vor der Therme Bad Vöslau aufgebaut ist, stehen keine Duschen zur Verfügung. Zum Glück gibt es in der öffentlichen Toilette fließendes Wasser, wo ich mir die Hände halbwegs sauer waschen kann. Von einem Sanitäter lasse ich die verletzten Stellen desinfizieren und verbinden und mache mich anschließend auf dem Heimweg.

Fazit: Die Strecke des Lindkogeltrails ist mit wenigen Ausnahmen technisch nicht sehr anspruchsvoll. Mit einer Distanz von knapp 55 Kilometern und beinahe 2500 Höhenmeter ist der Ultra Trail jedoch marathonerfahrenen Trail-Läufern vorbehalten. Entschädigt wird der Teilnehmer mit wunderbar zu laufenden Singletrails, Wald- und Schotterwegen sowie mit großartigen Aussichten von der Sina-Warte oder vom Peilstein. Die Verpflegestellen sind gut positioniert und ausreichend bestückt. Die zahlreichen Helfer sind allesamt freundlich und die Streckenmarkierung lückenlos. Der Start-/Zielbereich im Bereich des Thermalbades Vöslau bietet eine gute Infrastruktur bei tollem Ambiente.

Dass keine Duschmöglichkeit vorhanden ist, finde ich persönlich ein großes Manko. Zumal die Siegerehrung recht spät stattfindet und man so gezwungen ist, verschwitzt zu verharren. Auch die kleine, unscheinbare, aus Holz gefertigte Finisher-Medaille passt optisch einfach nicht zu einem 55 Kilometer langen Ultratrail. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Im Grunde kann ich diesen Lauf hier rund um Bad Vöslau vorbehaltlos weiterempfehlen.

26.03.2023: Lindkogeltrail - Laufbericht


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