Dienstag, 2. August 2016

Von Bierbäuchen und Maiswurzelbohrern entlang des R49

Da das hochsommerlich heiße Wetter jenseits der 30 Grad Celsius zum Baden einlädt, der wöchentliche lange Trainingslauf aber trotzdem gelaufen werden will, ist das Ziel des langen Dauerlaufes mit dem Freibad in Gleisdorf schnell ausgemacht.

Dank Dr. Google ist auch rasch die passende Laufstrecke gefunden. Der Radweg R49, auch Mostwärtsradweg genannt, führt vom Hauptplatz in Graz zum Bahnhof nach Gleisdorf und verläuft den Angaben des Internetportals zu Folge größtenteils auf verkehrsarmen Nebenstraßen. In der Ortschaft Raaba-Grambach ist der ideale Einstiegspunkt in den Radweg ausgemacht. Grob schätze ich die Strecke auf rund 32 Kilometer. Somit steht fest: Ich werde also zum kühlen Nass laufen, während meine Familie mit dem Auto nach Gleisdorf fährt.

Ich kalkuliere meine Laufzeit mit rund 3 1/2 Stunden. So stehe ich um halb acht in meinen neuen Raidlight-Klamotten bereit, um die Strecke von Fernitz nach Gleisdorf in Angriff zu nehmen. Wie immer ist auf längeren Strecken mein Laufrucksack mit dabei. Gefüllt ist er mit einem Liter Wasser, einigen Datteln, einer Salz-Tablette sowie mit einem Geldschein, um auf halber Strecke die Getränkevorräte aufzufüllen bzw. um Geld für den Eintritt in das Wellenbad zu haben, sollte ich wider Erwarten vor meiner Familie in Gleisdorf eintreffen. Diese "Angst" stellt sich jedoch als unbegründet heraus.

The Show must go on! Los geht es! Die ersten Kilometer führen mich entlang des Ferbersbaches nach Hausmannstätten, von dort ich großteils auf Gehsteigen in nördliche Richtung bis nach Raaba-Grambach laufe. Hier treffe ich auf den Mostwärtsradweg und folge von nun an den Hinweisschildern "R49".

Auf dem Weg an Hart bei Graz vorbei, passiere ich ein in Bau befindliches Rückhaltebecken. Was ein Rückhaltebecken ist? Ein Rückhaltebecken ist quasi der Bierbauch eines Oktoberfestbesuchers. Wenn erbarmungslos in kurzer Zeit literweise Bier in den Körper gekübelt wird und Nieren samt Harnwege heillos überfordert wären, sammelt der Bierbauch die Flüssigkeit und hält sie zurück, um sie dann langsam und kontrolliert abfließen zu lassen. Zugegeben, bei Kindern nehme ich als vergleichbares Beispiel dann doch gerne die Badewanne, die bei starken Regenfällen das Wasser aufnimmt, um in weiterer Folge kontrolliert und langsam nur so viel Wasser in den Unterlauf des Baches abzugeben, sodass dieser nicht über die Ufer tritt und Schäden durch Überflutungen vermieden werden. So soll das in rund 2 Jahren fertiggestellte Rückhaltebecken in Hart bei Graz in Zukunft selbst bei außergewöhnlichen Starkregenereignissen Uferübertritte des Raababaches in den Ortschaften Raaba-Grambach und Gössendorf verhindern.

Die Strecke führt mich parallel zur A2 Richtung Autal. Nun gilt es, den Krachelberg zu bezwingen. Nach kurzem aber giftigem Aufstieg führt der Höhenweg der Marktgemeinde Lassnitzhöhe entgegen und die wunderbare Aussicht auf die "steirische Toskana" entschädigt für die Mühen und die Schweißperlen, die bisher vergossen wurden.

Die Quecksilbersäule steigt gnadenlos. Meine Wasservorräte sind aufgebraucht und so lege ich beim Unimarkt im Ort Lassnitzhöhe eine kurze Verpflegungspause ein. Mein Forerunner zeigt mir an, dass wir bisher ungefähr 18 Kilometer gelaufen sind. Ich kaufe mir einen Liter "blubberfreies" Mineralwasser und eine Banane. Das Wasser wird in meine "Softflakes" umgefüllt, die Banane wird an Ort und Stelle verspeist. Als Nachtisch gibt es noch eine Dattel aus der Vorratstasche.

Die Strecke fällt die ersten paar hundert Meter nun stark ab und entlang der Ortschaften Mitterlaßnitz, Laßnitzthal und Flöcking laufe ich Gleisdorf entgegen. Teilweise sind mir beschattete Streckenabschnitte vergönnt, aber großteils laufe ich in der prallen Sonne. So sehne ich mittlerweile schon sehr die Abkühlung im Wellenbad herbei.

Dank "livetracking" meiner GPS-Laufuhr bin ich für meine Familie via Smartphone in Echtzeit verfolgbar und so lässt es sich sehr gut abschätzen, bis wann ich mein Tagesziel erreicht haben werde. Gleichzeitig gibt mir "livetracking" gerade auch in unwegsamen Gelände Sicherheit, in der Not rasch gefunden zu werden.

Vor rund einer Stunde habe ich eine Salz-Tablette geschluckt. Seit ich beim heurigen Welschlauf von üblen Krämpfen heimgesucht wurde, bin ich von diesen schmerzhaften Muskelverkrampfungen seit der Einnahme von Salz-Tabletten auf langen Läufen bei großer Hitze verschont geblieben. Placebo-Effekt oder wirkliche Abhilfe bei großen Schweiß- und somit Salzverlusten? Keine Ahnung! Hauptsache, es krampft nicht.

Rund 4 Kilometer sind noch zu laufen, als ich Ludersdorf, einen Vorort von Gleisdorf, erreiche. Die Strecke führt einem Maisfeld entlang. Es fällt mir auf, dass bei diesem Feld wohl eine akute Schädlingsbekämpfung unumgänglich gewesen ist. Ich kann es nur vermuten, aber möglicherweise hat sich der Maiswurzelbohrer über die Maiskolben hergemacht. In sehr kurzen Abständen wurde mit dem Traktor durch das bereits hochgewachsene Feld gefahren und dabei sind von 6 Reihen Mais jeweils 2 Reihen den Traktorreifen zum Opfer gefallen, sprich sie wurden niedergefahren.

Ich rechne, dass der Ernteausfall bei rund 50 Prozent liegen muss. Anderenfalls würde sich das vorsätzliche Umfahren eines Drittels des Maisfeldes zuzüglich Kosten für die Schädlingsbekämpfung samt Arbeitszeit nicht rechnen. Ich wünsche mir, dass der Landwirt eine solche Rechnung angestellt hat und nicht unnütz literweise von Pflanzenschutz- oder Schädlingsbekämpfungsmittel in die Natur gesprüht hat. Groteskerweise ist das Maisfeld mit "Saatgut-Vermehrung" beschriftet.

Der Schweiß fließt, die Sohlen glühen. Zum Glück ist Gleisdorf erreicht. Nun muss noch das Wellenbad gefunden werden. Dank zweier hilfsbereiter Wegweiser wird auch diese Hürde gemeistert und so laufe ich nach 3 1/2 Stunden auf dem Parkplatz des Wellenbades Gleisdorf ein und werde nach 33 Kilometern liebevoll von meinem Sohn und meiner Frau empfangen.